Die geheimen Lehrpläne des Kultusministeriums: Deutsch

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Es gibt die öffentlich aushängenden Lehrpläne, die kann man leicht einsehen. Sie haben Vor- und Nachteile, die man zumindest teilweise nicht alle im Voraus erkennt, aber wenigstens werden die Lehrpläne von fachkundigen Kommissionen erstellt, die ich viel Mühe damit geben.

Und es gibt die nicht so leicht zugänglichen Anpassungen dieser Lehrpläne in Form von Kultusministeriellen Schreiben, in denen nach und nach und immer mal wieder ergänzt wird, dass das, was im Lehrplan steht, anders zu verstehen ist, als es im Lehrplan steht. Diese KMS werden nicht von fachkundigen Kommissionen erstellt, soweit sich das erkennen lässt.

Dieser Tage kam wieder so ein KMS ins Haus.

Darin geht es um die bayernweiten Jahrgangsstufenarbeiten. Das sind zentrale Tests, an deren Erstellung im Fach Englisch ich einige Jahre beteiligt war. Die zählen wie eine kleine schriftliche Note, das „hebt die Bedeutung der Jahrgangsstufentests hervor und unterstützt eine ernsthafte Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler.“ In den letzten Jahren durfte das sogar wie eine halbe Schulaufgabe zählen, also noch mehr, und so ergänzt durch einen ähnlichen, weiteren, lokal gestellten Test einen Aufsatz ersetzen. Ergänzungen wünscht sich das KMS diesmal auch, da “die Erhebung weiterer kleiner Leistungsnachweise im Verlauf des Schuljahres dazu beitragen kann“ – weiter habe ich nicht gelesen. Mir ist völlig egal, wozu die Erhebung weiterer Leistungsnachweise beitragen kann: Ich habe nicht die geringste Absicht, solche zu erheben.

Der Hintergrund: Jemandem im Kultusministerium, sicher wohlmeinend, aber möglicherweise im Irrtum, ist ein Dorn im Auge, dass die Deutsch-Lehrkräfte jede Chance nutzen, weniger Aufsatz-Schulaufgaben zu schreiben. Man kann laut einem Schulordnungs-Anhang eine Aufsatz-Schulaufgabe durch einen Sprachtest ersetzen, und das machen so viele Schulen, dass regelmäßig aus dem Kultusministerium gewünscht wird, wir mögen das bitte sein lassen. Und so wird jetzt auch zumindest für dieses Jahr die Möglichkeit genommen, einen Aufsatz durch Jahrgangsstufenarbeit + eigenen Test zu ersetzen. Weil: So wichtig dieses Tests auch laut KMS sind, so wichtig sind sie dann wohl doch wieder nicht.

Ich werde jedenfalls den Teufel tun, unter den obwaltenden Bedingungen mehr schriftliche Leistungserhebungen, groß oder klein, zu erheben, als ich muss.

Mit einem mitlesenden Kollegen neulich spekuliert, was der Deutschunterricht verlieren würde, wenn es nicht mehr diese Aufsatzschulaufgaben gäbe. Ich glaube, ich meine das halb ernst, er nur ein Viertel: Der Deutschunterricht könnte nur gewinnen. Die Zeit, die ich jetzt auf das Vorbereiten überflüssiger Aufsatz-Schulaufgaben stecke, wie gut könnte ich die für andere Dinge verwenden! Darunter sogar: Schreiben lernen, was mit den real existierenden Aufsatz-Schulaufgaben nur wenig zu tun hat. Ich glaube aber, das wird mal ein eigener Blogeintrag.


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4 Antworten zu „Die geheimen Lehrpläne des Kultusministeriums: Deutsch“

  1. Ich sehe dem Blogeintrag über den Verzicht auf Aufsatz-Schulaufgaben mit Vergnügen entgegen! Die Spannungsmaus fiept schon ganz ängstlich unter dem Sofa hervor, und der persönliche Brief mit argumentierendem Abschluss vibriert auf der Schreibtischplatte, ja scheint kurz vor der Explosion zu stehen … oder vor der Exposition? Egal, es gilt ja noch Inhalte strukturiert wiederzugeben und dialektisch angelegte Erörterungen in konjunktional verwebten Abfolgen von Behauptung, Begründung, Beispiel und Rückbezug zu schreiben, ohne die die Schreibkünste ganzer Generationen degenerierte. Oder nicht? Bis zum Essay hinauf hangeln sich dann die Genies unter den Germanophilen, wo sie im Elysium der sprachlichen Bilder, pointierten Formulierungen und geschmeidig, aber rezipientenbezogen dargebrachten Statements brillieren.
    Wie? Och ja, man könnte auch mehr lesen. Oder mehr Theater spielen. Oder mehr diskutieren. Oder mehr Zeit für gründliche Grammatikarbeit nutzen. Oder für die Erweiterung des Wortschatzes; inklusive der unregelmäßigen (oder auch starken) Verben.
    Und dabei habe ich mich noch gar nicht zu den Abiturformaten geäußert. Dabei soll es auch bleiben.

  2. Oh, Thomas, wie hast Du recht! Sehr vergnügt gelesen.

  3. Arnulf Helmut Sinz

    Klingt nach

    Wag the Dog

    Aber wer ist der Dog?

  4. When You’re Riding a Dead Pony…

    Ein Drittel! Ein Drittel der Gesamtnote sollte aus Aufsätzen entstehen, nicht die Hälfte (Oberstufe) oder sogar zwei Drittel wie es aktuell der Fall ist. Eine Gewichtung so, dass die Noten die Unterrichtsrealität abbilden und dieses ganzheitliche Geschwurbel aufhört, mit dem man behauptet, dass ja auch Grammatik und Rechtschreibung mit Aufsätzen gelernt und geprüft werden. Und deswegen ist das auch ein Drittel ernst gemeint vom mitlesenden Kollegen.

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