Digitale Schullektüren (OER oder CC)

(11 Kommentare.)

Nächstes Jahr erhalten im Rahmen eines Versuchs alle Schülerinnen und Schüler in der 9. Jahrgangsstufe an meiner Schule iPads, zur Verwendung in der Schule und in die häusliche Obhut. Warum iPads: Weil die schon da sind, und das wiederum, weil das das einzige war, das der Sachaufwandsträger für den ursprünglichen Verwendungszweck zahlen wollte, der leichteren Verwaltung wegen. Ziel ist aber eher BYOD, mittelfristig.

Um das manchen Kollegen und Kolleginnen noch etwas schmackafter zu machen, würde ich gerne Schullektüren in digitaler Form bereitstellen, und zwar kostenlos. Warum kostenlos? Weil man nur dann eine kleine Bibliothek erstellen kann, statt sich auf einzelne Werke beschränken zu müssen, und so eine kleine Bibliothek kommt meiner Art des Arbeitens entgegen, und das geht anderen vielleicht auch so.

Im Anhang des Lehrplans für die 9. Jahrgangsstufe am Gymnasium in Bayern stehen viele Lektürevorschläge. Darunter sind folgende Werke, teilweise in Auszügen, auch als Film oder Hörbuch oder Comics („Graphic Novel“):

  • Annette von Droste-Hülshoff, „Die Judenbuche“
  • Jane Austen, Stolz und Vorurteil
  • Jeremias Gotthelf, „Die schwarze Spinne“
  • E. T. A. Hoffmann, „Das Fräulein von Scuderi“ (ich muss das wirklich mal wieder lesen, in meiner Erinnerung ist das völlig untauglich als Mittelstufenlektüre)
  • Edgar Allan Poe, „Die Morde in der Rue Morgue“
  • Mary Shelley, Frankenstein
  • Theodor Storm, „Der Schimmelreiter“
  • H. G. Wells, Die Zeitmaschine (gedacht eher so, dass man das in Englisch liest und in Deutsch den Film anschaut)

Aber natürlich kann man auch andere Texte lesen, diese Lektürevorschläge sind unverbindlich und größtenteils unbekannt oder ignoriert.

Ich würde also gerne meiner Schule, oder gleich der ganzen Öffentlichkeit, diese Texte als epub zur Verfügung stellen. Leider kenne ich keine Quelle für unterrichtsgeeignete digitale Lektüren als OER. Vermutlich möchte ich einfach eine Lektüre genau nach meiner Façon, am besten mit dem Schullogo auf der ersten Seite, und will mich nicht auf diversen Seiten nach verschiedenen und verschieden formatierten und verschieden gut editierten Ausgaben umsehen müssen, obwohl das vielleicht am sinnvollsten wäre.

Meine Kriterien, in abnehmender Wichtigkeit:

  • OER oder CC-lizenziert.
  • Nicht in der Rechtschreibung der Originalausgabe, sondern in moderner Orthographie. Insgesamt kein Anspruch auf philologische Zitierfähigkeit. Keine Seitennummern der Originalausgabe zwischendrin.
  • Vermutlich in gemäßigter neuer Rechtschreibung, also zumindest ss/ß-Aktualisierung.
  • Korrekturgelesen bzw. mit der Möglichkeit, in späteren Ausgaben selber Fehler zu verbessern – was Herausgeberschaft erfordern würde, alleine oder in einem Team.
  • Möglichkeit zu Anmerkungen zu Begriffen, die modernen jungen Lesern nicht vertraut sind.
  • Möglichkeit zu ergänzendem Material: Arbeitsvorschläge, Hinweise, Interpretationsangebote.

Quellen gibt es viele, insbesondere https://www.projekt-gutenberg.org oder Wikisource. Aber die passen alle von der Rechtschreibung nicht. Außerdem gibt es viele Seiten wie https://zulu-ebooks.com/ – sehr schön für die private Lektüre, für die Schule gibt es ein paar Probleme: Kurze Texte gibt es manchmal nur in großen Sammlungen, was SuS vielleicht nicht entgegen kommt; die Rechtschreibung ist nicht aktuell; und das Branding ist halt nicht das meine.

Heißt also: Entweder leben mit einem Sammelsurium verschiedener Ausgaben in alter Rechtschreibung, oder selber machen.

Für Letzteres bräuchte man: Ein Wiki oder WordPress oder ein editierbares Online-Dokument mit dem Text. Einen epub-Export aus dieser Quelle heraus. Eine Möglichkeit zur Annotierung und eventuellen Ergänzung – durch ein Team, aber die endgültige Fassung würde eine redaktion übernehmen. Das könnte zum Beispiel eine WordPress-Installation mit Fußnoten-Plugin und konfiguriertem epub-Export sein; Vorschläge für Annotationen kämen per Kommentar. Oder ein kommentierbares Google-Drive-Dokument (oder was auch immer), das epub-Export gleich anbietet.

Gibt es schon so ein Projekt? Oder ist das ganze eh sinnlos, weil ja doch niemand mit dem Produkt zufrieden wäre oder eine unverbindliche Ausgabe scheut, so dass dann noch jeder mit Sigil oder dem calibre-Editor eigene Ausgaben erstellt? Bisher habe ich ab der 10. Klasse die meisten gemeinfreien Lektüren digital zur Verfügung gestellt, in selbst erstellten Ausgaben. Versdrama geht übrigens ganz, ganz schwierig, insbesondere wenn man Versnummern behalten will.

Wie das aussehen könnte, zeigen diese Fassungen von

– ich müsste dann Kommentare sammeln und nach und nach eventuell in Fußnoten umwandeln. Mich stört nur daran, dass ich Kommentare nur für einen festen Kreis oder für alle freigeben kann. – Bei WordPress kenne ich nur holprige Plugins, aber da könnte ich Kommentare moderieren. Auch LibreOffice exportiert übrigens nach epub, neuere Word-Versionen als meine wahrscheinlich ebenfalls.

Von GoogleDrive aus können interessierte Leserinnen und Leser (zumindest im großen Browser, weniger bei App) den Export nach epub ausprobieren; funktioniert gut.


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11 Antworten zu „Digitale Schullektüren (OER oder CC)“

  1. Mal mit den Leuten von Wikimedia Deutschland sprechen? Auch wenn Wikisource einen anderen Fokus hat, sollte das als Ausgangspunkt möglich sein? Als Arbeitswiki könnte sich Wikibooks anbieten. Jedenfalls ist dort Geld und der Wille vorhanden OER zu fördern.

    LG
    Poupou

  2. Ist die Rechtschreibung so wichtig?
    Der altmodische Hauptschulblues

  3. Wikimedia: Werde darüber nachdenken. Das hängt auch von Haupschulblues‘ Frage ab: ich weiß es nicht. Ich bin ja auch altmodisch, hänge nicht an der Schreibung des 20. Jahrhunderts, aber sie stört mich auch nicht. Intuitiv hätte ich gesagt, dass Konsequenz bei der Lektüre gilt, Rechtschreibfehler bei das/dass/daß und so weiter zu vermeiden, aber vielleicht stimmt das gar nicht. Alter Rechtschreibung bei Schülern und Schülerinnen begegnet mir nur noch sehr, sehr selten.

  4. John

    Wäre auf jeden Fall eine gute Initiative! Ein Format, dass von pandoc (https://pandoc.org/) unterstützt wird, wäre ideal, so dass Konversionen in beliebige andere Formate einfach möglich sind.

    Allerdings hört sich das ein bisschen wie eine Konkurrenz zu Gutenberg-DE an. Das Problem ist, dass die Textversionen auf Gutenberg-DE nicht lizenzfrei sind, sondern nur eine private Nutzung erlauben. Jede Alternative wird immer mit dem Problem zu kämpfen haben, dass geklärt werden muss, wo das Material herkommt (also nicht von Gutenberg-DE). Zumindest so lange, bis ein Gericht mal feststellt, dass die Gutenberg-DE Textversionen nicht die nötige Schöpfungshöhe für ein eigenes Urheberrecht besitzen…

  5. […] Rau möchte gerne «Digitale Schullektüren (OER oder CC)». Seine […]

  6. Ah, stimmt, das kommt dazu: Wenn ich bei jemand Wildfremden (=mir) ein ePub herunterlade und an meine Klasse verteile, kann ich nicht sicher genug sein, dass die Rechtslage wirklich geklärt ist, anders als bei einem größeren Verlag oder Wikisource. Wikipedia ansprechen vielleicht wirklich am besten, oder gleich Wikisource nehmen, und Seitenzahlen und Rechtschreibung be damned. Sind vielleicht auch wirklich nicht wichtig. Andererseits: „Auf rein gefegter Bank vor dem Hause neben der Thüre saß die Großmutter, schönes Brod schneidend“ fällt vielleicht auch modernisiert schwer genug.

  7. Poupou

    Die Ansprechpartnerin für solche Themen, jedenfalls für einen ersten Aufschlag, könnte bei Wikimedia Heike Gleibs sein.
    Wikisource und Wikipedia sind ja beides Projekte aus dem Wikimedia-Universum.

    Die Mitarbeiter dort sollten Erfahrungen haben, was sich da eignet und was nicht usw.
    LG
    Poupou

  8. Habe Wikimedia zumindest mal angeschrieben!

  9. Aginor

    > H. G. Wells, Die Zeitmaschine (gedacht eher so, dass man das in Englisch liest und in Deutsch den Film anschaut)

    Welche der beiden Filmadaptionen bevorzugen Sie?
    Ich bin persönlich ein Fan der älteren (1960), aber die neuere (von 2002, auch schon 20 Jahre, sowas…) hat zugegebenermaßen auch ein paar interessante Elemente, und es könnte schon sein dass sie die SuS ein bisschen mehr abholt, einfach weil sie nicht aus Uropas Zeiten stammt und die SuS dann vielleicht nicht die ganze Zeit über die Effekte lachen müssen.

    Ich finde es interessant, die beiden Adaptionen zu vergleichen.
    Kann mir vorstellen dass das auch für/mit SuS interessant wäre.

    Gruß
    Aginor

  10. Ich kenne die Neuverfilmung nur vom Hörensagen. Hat mich nie interessiert, die alte ist ein Klassiker. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen, sie aber doch leidlich gut (weil oft gesehen) und in guter Erinnerung. Heutigen Schüler und Schülerinnen ist sie sicher zu langsam und die Tricks schrecken sie ab. Es gibt ein paar, die gab es früher schon, die ohne schnelle Schnitten und Spezialeffekte zurechtkommen, denen die Skelette von Harryhausen reichen, oder die Poesie/Symbolik der Schaufensterpuppe in der Zeitmaschine. Aber je nach Zweck ist die neue Verfilmung besser. Oder getrennte Gruppen…

  11. Ergänzung: Damit das hier nicht ganz verschwindet, habe ich eine Seite mit meinem Überlegungen dazu erstellt:
    https://www.herr-rau.de/wordpress/digitale-schullektueren
    Dort auch Downloads usw.

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