Ausgangspunkt: Die Vermutung, dass ich immer weniger Arbeitszeit auf Unterrichtsvorbereitung verwende. Anlass: Twitter: Ergebnis: Erst einmal viel Rechnerei, wodurch ich mich weit vom ursprünglichen Thema entferne.
Verbeamtete und angestellte Lehrkräfte an allgemeinbildenen Schulen arbeiten ja alle gleich viel, jedenfalls innerhalb eines Bundeslandes, und unabhängig von der Schulart. In Bayern sind das 40 Wochenstunden, weil das so ist bei Beamten, und bei angestellten Lehrkräften im öffentlichen Dienst gilt das explizit analog.
Mit 40 Wochenstunden und 6 Wochen Urlaub und 1 Woche voller Feiertage (es sind wohl eher ein, zwei Tage mehr, aber ich rechne ja auch nur grob) kommt man auf 1800 Stunden Arbeitszeit pro Jahr. Reine Unterrichtszeit habe ich pro Schulwoche 17,25 Zeitstunden; das heißt pro Jahr und mit abgezogenen Feiertagen etwa 633 Stunden. Ich verbringe demnach einen Großteil meiner pflichtmäßigen Arbeitszeit, nämlich 1167 Stunden oder 65%, mit anderen Arbeiten als dem Im-Unterricht-Sein.
Diese anderen Arbeiten sind:
- Unterrichtsvorbereitung (auch: Nachbereitung und Hausaufgaben)
- Korrekturen (Prüfungen und im Fach Deutsch: Übungsaufsätze)
- Erstellen von Prüfungen
- Sitzungen
- wöchentliche Aufsichten, Vertretungen, Bereitschaft
- Elterngespräche
- Mitgestaltung des Schullebens, Besuch von (nicht verpflichtenden) Veranstaltungen, Unterstützung der Schulleitung
- Vorbereitung und Durchführung von Fahrten und Exkursionen
- Fortbildung
- Gespräche mit Kollegen, auch zwischen Tür und Angel und beim Kaffee an der Kollegiumstheke – auch das gehört zur Arbeitszeit, wie in jedem anderen Beruf auch
- Dokumentation (am Gymnasium relativ wenig, an der Mittelstunde sehr viel)
Bezahlt werde ich nicht für Unterricht (im Fall von Teilzeit allerdings proportional dazu), sondern dafür, dass ich in 40 Stunden pro Woche einen bunten Strauß dieser Arbeiten unterbringe. Dienstpflicht ist das jeweils alles, aber manches mehr als andere, insbesondere natürlich der Unterricht und die Aufsichten.
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Exkurs 1: Wenn ich mehr von den anderen Punkten habe, habe ich weniger Zeit für Unterrichtsvorbereitung oder Korrektur. Eigentlich müsste man sich bei jeder Konferenz die Hände reiben: wieder zwei Stunden weniger, die man mit Unterrichtsvorbereitung verbringen muss. Allgemein: Einige dieser Arbeiten sind fixer Aufwand, auf den ich wenig Einfluss habe, andere disponibler Aufwand, der sich entsprechend reduziert, wenn der andere mehr wird. Der disponible Aufwand ist, der bei man sich am ehesten drücken kann, oder andersherum: bei dem man reduzieren kann, wenn es nötig ist. (Wenn das auch nicht mehr geht, dann muss man eine Überlastungsanzeige stellen.)
Exkurs 2: Nicht alle Lehrkräfte und alle Fächer sind gleich. Wer weniger Korrekturen hat, verwendet dafür mehr Zeit auf Unterrichtsvorbereitung oder Gestaltung des Schullebens. Das ist in der Theorie sinnvoll. Aber man kann es sich auch gemütlich machen, und manche Fächer haben mehr Zeit für Fortbildungen oder Gestaltung des Schullebens als andere.
Exkurs 3: Viele Kollegen oder Kolleginnen sehen nur Unterricht, Vorbereitung und Korrektur als ihre Arbeit und möchten möglichst wenig von all dem anderen. Ich sehe das anders, Bürokratie hat ihren Sinn, auch die Gestaltung des Schullebens ist wichtig. Es muss halt genug Zeit übrig bleiben für das Kerngeschäft.
Exkurs 4: Es gibt Unterschiede bei den Schularten. An Gymnasien gibt es in Bayern eine Unterrichtsverpflichtung von 23 Stunden, an der Realschule 24, an der Mittelschule 27, an der Grundschule 28 Stunden. (Fachlehrkräfte und nichtwissenschaftlicher Unterricht lasse ich mal weg.) Das heißt, dass Unterricht an diesen Schulen einen jeweils größeren Anteil an der gesamten Arbeit hat oder haben sollte – weniger Korrekturen, Unterrichtsvorbereitung, Konferenzen, Dokumentation, Elternarbeit. Bei Korrekturen kann ich mir das vorstellen, beim Rest weniger.
Exkurs 5: Wenn ich eine Anrechnungsstunde kriege, also eine Unterrichtsstunde pro Woche weniger Unterricht habe, weil ich etwa die Schulhomepage betreue, entspricht das rechnerisch 110 Minuten pro Unterrichtswoche. Wenn ich in jeder Woche arbeite (außer 6 Wochen Urlaub und Feiertage), sind das gut 90 Minuten pro Woche. In Schularten mit höherer Unterrichtspflichtzeit entsprechend weniger. – Bei der Berechnung habe ich berücksichtigt, dass man ja auch mit 100% Anrechnungsstunden immer noch Konferenzen und andere fixe Arbeit hätte, ich habe also nicht einfach 23 Anrechnungsstunden gleich 40 Wochenstunden gesetzt.
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1167 Stunden außerhalb des Unterrichts. Ich will herausfinden, wie viele davon ich nachmittags am Schreibtisch sitzen muss. Dazu zähle ich erst einmal die fixen Arbeitsstunden zusammen.
Regelmäßige Arbeiten in der Schule am Vormittag: 5 Stunden pro Woche. (Aufsichten und Bereitschaft, Sprechstunde, alphabetisches Sortieren und Abgabefertigmachen von Prüfungen, Laufen im Schulgebäude zwischen den Räumen, Klassenbucharbeiten, Kopiergerät bedienen, notwendige Kommunikation mit Kollegen und Kolleginnen, diensttägliches Kommunikationsportal, regelmäßiges Bedienen der Dienst-Email.) Konferenzen (Fachsitzungen, Gesamtkonferenzen; einige weitere Konferenzen muss ich als in der Anrechnungsstunde für die Fachbetreuung enthalten betrachten): 34 Stunden pro Jahr. Protokolle, insbesondere die fisseligen Zeugnisprotokolle mit den vielen Sonderwünschen, und Lektüre der zwölfseitigen Anleitung dazu (6 Stunden pro Jahr). Elternsprechabende (8 Stunden). Das sind 233 Stunden.
Bleiben 934 mehr oder weniger disponible Zeitstunden. Mehr oder weniger, weil es für die Anzahl der Prüfungen und in Deutsch Übungsaufsätze Vorgaben gibt, für alles andere nicht – Fortbildung, Gestaltung des Schullebens, Unterrichtsvorbereitung, Exkursionen. Meine Kernerkenntnis: Es bleiben mir am Gymnasium 20,5 Stunden pro Woche – außer Sommerferien und Feiertage – an eher nachmittäglicher disponibler Arbeit. Wahrscheinlich in den anderen Ferien etwas weniger, je nach Fach, und außerhalb der Ferien etwas mehr.
(Weggelassen habe ich Abiturklassen: Die erfordern in manchen Fächern viel Korrekturarbeit, dafür fällt aber auch viel Unterricht aus, wenn die Schüler und Schülerinnen erst einmal weg sind. Das macht das Berechnen etwas schwer.)
Verbringe ich wirklich 20,5 Stunden pro Woche mit Unterrichtsvorbereitung, Korrektur, Schulleben, Fortbildung, Fahrten? Fortbildung ist ja eigentlich in bestimmtem Umfang verpflichtend (pro Jahr drei Tage), wird aber als disponibel angesehen. Ich komme pro Jahr sicher auf drei Tage. Schulleben: Ich bin in zwei Arbeitsgruppen und treffe mich da regelmäßig, gehe auf Adventsmarkt und Abifeier, aber nicht auf Konzerte oder in den Schulgottesdienst. Fahrten: Mache ich tatsächlich nur noch sehr wenig, habe aber alles außer Skilager schon hinter mir. Korrekturen: Ich schreibe so wenig Prüfungen wie möglich, allerdings ist eine bestimmte Menge vorgeschrieben. Sollte ich mehr schreiben lassen, “weil man dann besser ausgleichen kann?“
Ab jetzt wird das Berechnen schwer, weil sich diese disponible Arbeit nach Fach und Jahrgangsstufe unterscheidet, insbesondere die Korrektur. Einer Vollzeitlehrkraft mit dem Fach Deutsch versucht man nicht mehr als zwei Deutschklassen zu geben. Je Jahrgangsstufe sind unterschiedlich viele Aufsatzprüfungen vorgeschrieben, das macht insgesamt zumeist etwa: 6, jeweils mit einem Übungsaufsatz davor, macht 12 Klassensätze solcher Aufsätze pro Jahr. Pro Klassensatz brauche ich im Schnitt 20,5 Stunden, und da bin ich schon äußerst rasch und oberflächlich. Wer mag, kann ja sorgfältiger korrigieren und dafür weniger vorbereiten. Früher war ich schneller, aber das lässt nach; das Erstellen der Prüfungen ist jeweilsinkludiert. Das heißt, wenn ich Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Herbst und Fasching jeweils ein bis zwei Aufsätze zum Korrigieren mitnehme, decke ich 8 Aufsätze ab und meine errechnete Pflichtarbeitszeit für die Ferien damit auch. Das kommt auch hin, wobei ich es in den letzten Jahren sogar immer häufiger schaffe, während der Unterrichtsphasen zu korrigieren, was aber für die Berechnung keine Rolle spielt. Bleiben noch 80 Stunden weitere Aufsatzkorrektur während der Unterrichtswochen.
Aktueller Berechnungsstand also: In den Ferien korrigiere ich Aufsätze und erfülle damit mein Soll, außerhalb der Ferien korrigiere ich auch, und es bleiben mir dann noch 18,6 Stunden disponible Arbeit pro Unterrrichtswoche. Für Unterrichtsvorbereitung in allen Fächern und für sämtliche Korrekturen in den Nicht-Deutsch-Fächern, für Fortbildung und Mitwirkung in Arbeitskreisen. Das sind auf 5 Tage verteilt 3,7 Stunden pro Tag der Unterrichtswoche am nachmittäglichen Schreibtisch (Freitagnachmittag und Samstag sind frei). Wenn ich mich von Arbeitskreisen und Fortbildungen fern hielte – schlecht für die Beurteilung – sind das pro Unterrichtstunde noch einmal eine gute Dreiviertelstunde.
Ob man mehr oder weniger Zeit dafür haben sollte, ist eine politische Entscheidung. Wie viel Zeit man tatsächlich darauf verwendet, das müsste man erfassen; da gibt es sicher auch Unterschiede.
Ein Unsicherheitsfaktor: Viele Lehrkräfte auf Twitter sind besonders aktiv und haben zusätzliche Aufgaben, die durch Anrechnungsstunden abgegolten werden. In anderen Bundesländern heißen die anders. Ich denke zum Beispiel an Systembetreuung. Ich bin formal davon ausgegangen, dass diese Arbeit in der dafür zugewiesenen Zeit machbar ist; wenn man länger braucht, reduziert sich die disponible Zeit; wenn man weniger dafür braucht, ermöglicht das der Lehrkraft, mehr disponible Zeit etwa für die Schulentwicklung einzusetzen. Dass das in beiden Fällen nicht immer der Fall sein wird, stimmt natürlich.
Stimmen meine Berechnungen? Möglicherweise nicht, ich habe zwischendrin mehrfach den Überblick verloren. Man kann das wohl auch nur mühsam nachvollziehen. Wenn ich wieder zuhause am großen Rechner bin, erstelle ich eine Tabellenblatt, in dem ich das eintrage, und in das dann auch andere Lehrkräfte ihre Daten eintragen können – aber gerne kann mir jemand zuvorkommen, und vielleicht gibt es das ja auch schon. Es gibt sicher große Unterschiede bei Schularten und Fächern. Und da kann man dann auch Punkte ergänzen, die zur Arbeitszeit gehören und die ich vergessen habe, etwa: Büromaterial einkaufen. Immer daran denken: Jede Stunde mehr ist eine Stunde weniger. (Hanns Dieter Hüsch paraphrasierend.)
Nachtrag: Tabelle mit aktuellen Zahlen ergänzt. Zwischenergebnis: 35% Unterricht, 15% fixe Arbeiten, 50% Korrekturen/Schulleben/Unterrichtsvorbereitung. Die Tabelle ist frei bearbeitbar:
https://docs.google.com/spreadsheets/d/1-IP6AEhxS8qk4pgIOexmsM9V6m8zxgoQBJO9wK9MK3U/edit?usp=sharing
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