Warum mich Leistungsüberprüfung weniger interessiert, als sie das sollte

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Unterrichten macht Spaß. Man erklärt oder stellt Aufgaben oder lässt Aufgaben wählen, schaut zu und unterstützt, stellt Fragen und kriegt Antworten, beantwoprtet Fragen. What’s not to like? Den Schülern und Schülerinnen gefällt das im Idealfall, der Lehrkraft auch, und alle denken, man hat etwas geleistet. Das hat man meist auch, aber um sicher zu gehen, dass das wirklich stimmt, bietet sich die Leistungsüberprüfung an.

Eine Studie hat ergeben, dass Schüler und Schülerinnen beim Verzicht auf unangekündigte Leistungserhebungen bessere Noten kriegen. Angekündigt wird sie allerdings anders, nämlich mit „fördern den Lernerfolg“ und „lernen besser“. Das war auch die Ausgangshypothese bei der Erstellung. Ich bin da skeptischer. Leistungsbewertung ist so eine empfindliche Sache, Noten werden – gerne mal aus schulpädagogischer Seite – wegen ihrer Unzuverlässigkeit kritsiert, und jetzt sollen sie Indikator für Leistung ein? Also nicht einmal standardisierte Tests? Dass die Noten bei angekündigten Prüfungen besser werden, dafür gibt es verschiedene alternative Erklärungen, die man überprüfen sollte.

(Details zur Studie: 19 Klassen eines Hamburger Gymnasium, Jahrgangsstufe 8 bis 11. Fächer: Wirtschaft, Geographie, Politik&Gesellschaft. Es ging jeweils um 1 unangekündigten Test im ersten Halbjahr und 1 angekündigten Test im zweiten Halbjahr. Die Tests im zweiten Halbjahr hatten signifikant bessere Noten. Weitere Tests scheint es in diesen Klassen nicht gegeben zu haben, das wird aus der Beschreibung nicht ganz klar. Es ging auch nicht um unangekündigte mündliche Leistungserhebungen. In Hamburg sind unangekündigte Prüfungen dieser Art zumindest laut der Studie ansonsten nicht zulässig, es gibt insbesondere also auch keine Tradition wie in Bayern – das muss man berücksichtigen bei dem Ergebnis, dass solche Tests die Schüler und Schülerinnen belasten. )

Ich verzichte – wie übrigens viele Lehrkräfte – seit ein paar Jahren auf unangekündigte schriftliche Prüfungen, wie sie in Bayern Tradition und in manchen anderen Bundesländern verpönt sind. Das fällt mir leicht, da ich ohnehin so nahe wie möglich am Minimum der festgelegten Leistungserhebungen fahre. Es wird ohnehin zu viel geprüft, und diese Prüfungen machen mir Arbeit; wieso sollte ich mehr machen als nötig? In Deutsch und Englisch wird das vorgeschriebene Soll an schriftlichen Prüfungen durch die angekündigten großen Leistungnachweise erreicht, bleibt also nur das Fach Informatik, in dem sich mir die Frage überhaupt stellt. Die Schüler und Schülerinnen wollen angekündigte Prüfungen, die Eltern, die Schulleitung, das Kultusministerium, also mache ich das. Die Frage, ob zusätzliche unangekündigte – oder auch angekündigte – schriftliche Leistungserhebungen sinnvoll wären, ist eine, die sich mir in der Praxis gar nicht stellt. In der Theorie interessiert mich das schon, ich hätte gerne Erkenntnisse aus vertrauenswürdigen Quellen, misstraue aber den üblichen Verdächtigen. Dass die Kinder und Jugendlichen weniger gestresst sind, ist sicher gut; die Hauptquelle für Stress ist das aber hoffentlich nicht.

Exkursmöglichkeiten:

  • Prüfungen als Strafmaßnahme: Geht natürlich gar nicht, funktioniert wahrscheinlich auch nicht, braucht man auch nicht.
  • Warum sollen Schüler und Schülerinnen überhaupt etwas leisten in der Schule? Eine legitime Frage, kann man stellen.
  • Alternative Leistungsüberprüfungen. Da gibt es sehr viele schöne Möglichkeiten, erlaubte und nicht erlaubte. Aber es gibt auch Kreativitätssimulatoren: Das sind digitale Werkzeuge, mit denen man mit ein paar Klicks Produkte erzeugen kann, die sehr schön aussehen. Und man bildet sich danach ein, man hätte etwas geleistet.
  • Die Zuverlässigkeit von Noten in schriftlichen und mündlichen Prüfungen, angekündigt und nicht angekündigt. Ich bin da skeptisch, aber noch skeptischer bei Alternativen.
  • Wäre es nicht besser, wenn ich mehr Zeit hätte, um überhaupt überlegen zu können, ob ich mehr prüfen will?

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Kommentare

2 Antworten zu „Warum mich Leistungsüberprüfung weniger interessiert, als sie das sollte“

  1. Karin

    Ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag. Eine der besten (vielleicht sogar die einzig gute) Nebenerscheinungen des Distanz– bzw. Wechselunterrichts war für mich der weitgehende Wegfall von Leistungserhebungen. Auch, weil diese in Korrekturfächern Arbeit machen, vor allem aber, weil das Unterrichten so viel mehr Spaß gemacht hat (ich behaupte frech: mir UND den Schülern).
    Unangekündigte Leistungsnachweise kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit gar nicht (pst, ich habe kein bayrisches Abitur), fand ich immer völlig schräg und bin sehr froh um die Option diese jetzt weglassen zu können.

  2. Ja, der Wegfall von Leistungserhebungen war sehr schön. Ich glaube nicht, dass meine Schüler und Schülerinnen da weniger gelernt haben. Ich bin mit unangekündigten leistungnachweisen aufgewachsen, insofern haben sie mir nie so ein Schreck eingejagt wie bei der Sozialisierung in anderen Bundesländern, gilt auch für Respizienz und Zentralabitur und anderes.

    Ich glaube andererseits auch nicht, dass die eine schriftliche Note im Halbjahr beim einen angekündigten Test viel aussagt über die Leistung im Halbjahr. Und mündliche Noten schon gleich gar nicht. Auf diese schriftliche Prüfung lernt man, und sonst hält man es je nach Temperament. *Wenn* man brauchbare Noten will, dann gerne mit angekündigten Tests, aber diese nur über den Stoff, der mindestens sechs Wochen her ist. Aber brauchbare Noten sind ja nicht unbedingt das Ziel.

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