Vorrede
Manchmal greife ich ein Buch aus dem Regal, von dem ich sicher war, dass ich es nie wieder lesen würde, und lese es dann doch, und zwar extra. Einmal, um die Existenz solcher Bücher in meinem Regal zu rechtfertigen, aber vor allem, um mich dem allmächtigen Vergessen, dem Zahn der Zeit, der unerbitterlichen Herrschaft der Entropie, dem Verfall und dem Vergessen, trotzig entgegenzustellen. „Siehste, es geht doch!“

Dieses Buch stand in einem von mehreren verteilten kleinen Bücherregalen meiner Eltern. In denen stand das Sammelsurium dieser Generation: Buchclub, Alexander Solschenizyn, Agatha Christie, Hildegard Knef, Schiller, 24-bändiges Lexikon, Götter, Gräber und Gelehrte, Die drei Musketiere, Jules Verne, Der Koran, Karl Marx, Johannes Mario Simmel. Da war genug zum Entdecken. Dieses konkrete Buch, 55. – 59. Tausend 1952, Copyright 1937, mit einem Einkleber der „Hausbücherei Buch- u. Kunstdruckerei J P Himmer KG Augsburg Völkstraße 1″. Innen Spuren eines Klebebandes, mit dem entweder der ursprüngliche Papier- oder ein späterer Plastikumschlag das Buch einst geschützt hatten. Es dürfte Lektüre für den jüngsten Bruder meiner Mutter gewesen sein?
Ich hatte es als Kind, sicher in der Grundschulzeit, aus dem Regal gezogen, so wie ich mir die meisten Bücher zumindest mal zum Lesen ansah. Und ich hatte es gelesen, ganz und gerne, weil ich weiß, dass ich es auch mehrfach wiedergelesen hatte, oder zumindest einzelne Abschnitte daraus. Dass das Buch in Fraktur gesetzt war, störte mich wenig, daran gewöhnte ich mich schnell, nur bei kontextlosen Großbuchstaben musste ich gelegentlich raten, muss ich auch heute noch. Wie in Fraktur häufig, waren die Binde- und Silbentrennungsstriche als Doppelstrich gesetzt. So hatte ich das in der zweiten Klasse in der Schule auch noch als Option gelernt, und die ersten Jahre über habe ich meine Trennstriche dann auch genau so gesetzt, obwohl ich wohl wusste, dass das nicht mehr ganz üblich war.
An viel konnte ich mich bei dem Buch nicht erinnern: Da war etwas von einer Dreck- oder Schlamm-Masse, in der die jugendlichen Helden nach Schätzen suchten, ziemlich am Ende; und irgend etwas mit einem Stück Marzipan. Aber ich vertraute meinem kindlichen Ich genug, um diesem obskuren Buch eine Chance zu geben. Dem Dreck bin ich dann schon im dritten Kapitel begegnet, und in der Mitte des Buchs holen sie sich beim Bäcker „Abfall“, also Reste, und da ist eine zerbrochene Marzipanstange dabei, die einzige des Buchs.
Bembes macht sich selbständig ist eine Sammlung von nur sehr lose verbundenen Episoden um Bembes und seine zwei Freunde, die Brüder Hans und Reinhard, die alle in die sechste oder siebte Klasse der Schwabinger Gisela-Oberrealschule gehen – heute Gisela-Gymnasium, Bau und Gründung 1904. Tatsächlich steht im Text, dass sie in die zweite beziehungsweise dritte Klasse gehen, gemeint aber sicher: der Oberrealschule. Am Gymnasium wären das Quinta und Quarta, waren diese Bezeichnungen an der doch ebenfalls neunjährigen Oberrealschule nicht üblich? (Fußnote: Ich profitiere immer wieder davon, dass im Didaktikseminar an der Uni hauptsächlich um Geschichte der Didaktik gegangen war.)
Die Jungen wohnen aber nicht im städtischeren Schwabing, sondern in Oberwiesenfeld, Stadtrand und Truppenübungsplatz. Heute ist da unter anderem der Olympiapark. Früher war die Familie wohl noch weiter auf dem Land; Bembes vermisst die Natur sehr.
Und, hat es sich gelohnt?
Definitiv. Die ungläubige Verblüffung, die bei mir die schiere Kühnheit von Das bayerische Dekameron und Stalky & Co ausgelöst hat, fehlt, dennoch hat das Buch ein bisschen was von Oskar Maria Graf und Kiplings Schulgeschichten. Bei Kipling kommt natürlich noch mehr Militär und Empire und Schulsystem hinzu, seine Geschichten sind ausgefeilter, während das hier oft nur Vignetten sind.
Dennoch, das Buch präsentiert mir, ähnlich wie die anderen beiden Bücher, eine ganz neue Welt. Und das ist um so spannender, als es die vertraute Welt Münchens ist. Straßen, Orte, Ladengeschäfte werden genannt, die es heute noch gibt, oder zumindest ihre Spuren. Das Buch gibt einen Einblick in eine vergangene Welt, auch sprachlich: was für eine Fülle an Dialektausdrücken, an Situationen, an Gerichten. Gegessen werden: Kutteln (wie bei meiner Mutter in der Kindheit), Schwammerlsuppe und „Lungenhaschee vom Pferd“ („Kuheuter wäre ihm lieber gewesen, aber das gab es beim Metzger nicht immer.“) Zwetschgendatschi bringt man zum Backen in die Bäckerei unten, „Gesälz“ wird eingemacht. (Auf Mastodon erfahre ich: Sagt man im Alemannischen heute noch, “Breschdlengsgsälz” etwa ist Erdbeermarmelade.) Bei den Kuttelmetzgern am Wurststand (am Viktualienmarkt) kauft man für ein Zehnerl zwei Dünngeselchte. Beim Konditor kriegt man Warschauer Brot.
Beim Recherchieren, was dieses Gebäck ist, stößt man auf Anfragen von Leuten, die das aus ihrer Kindheit kennen und ein Rezept oder überhaupt genauere Angaben suchen: https://www.wer-weiss-was.de/t/warschauer-altes-restekuchenrezpt-gesucht/9192139/12 Sigi Sommer wird als Fundort für den Namen angegeben. Ich kann nur folgende Information anbieten:
Dann fragte er vorsichtig, ob es eine gute Konditorei sei, eine, die wo Kuchenabfälle und viel Gewürz und Rosinen ins Warschauer hineintut und nicht altes Hausbrot und gezuckerte Semmeln?
Eine gröbere Vorform der späteren Granatsplitter?
Die Figuren selbst sind oberflächlich gezeichnet, es gibt nicht viel Charakterisierung. Die Jungs sind meist präpubertär ohne viel Selbstreflexion. Aber Karikaturen wie bei Ludwig Thoma gibt es auch keine.
Autor und Rezeption
Es gibt zum Autor keinen Wikipediaeintrag, auf der Seite zum Nachnamen Ehrhart ist er immerhin mit Geburts- und Todesdaten angelegt: “Otto Ehrhart (auch Otto Ehrhart-Dachau; 1893–1945?), deutscher Schriftsteller, in Polen vermisst.”
In keinem der hier gesammelten Online-Antiquariate ist Bembes derzeit lieferbar, bei Amazon gibt es einen Eintrag und einen lobenden Kommentar dazu. Bei Goodreads ist das Buch nicht angelegt. (Also, aktuell, ich hole das bald nach.)
Am meisten erfährt man auf der Seite beim Literaturportal Bayern: https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=116440228 Nämlich: Ja, das Buch ist so autobiographisch, wie man meint, einschließlich des Endes. Und: So unbedeutend war Ehrhart als Schriftsteller gar nicht. Interessantes Leben. Auch die Kommentare lesen.
Der Inhalt
Hier sehr ausführlich, sonst gibt es nicht so viel zu dem Buch online. Ich habe jedes Kapitel aufgeführt, auch wenn ich zu manchen nicht viel zu schreiben habe.
Ein Schulausflug
Einführung der Hauptfiguren: Eine Schulklasse geht singend in die Natur, der Naturgeschichtsprofessor führt sie ins Dachauer Moos. Abseits der Hauptgruppe und keinesfalls mitsingend halten sich Bembes und seine zwei Freunde, die Brüder Hans und Reinhard. Frembezeichnung „die Bankerten“, Selbstbezeichnung „Morganaten“, nach dem verehrten Captain Morgan. Sie besorgen sich ein Alibi und klauen Kräheneier, Bembes nimmt eine ganz junge Krähe mit nach Hause.
Oberwiesenfeld
München war damals noch verhältnismäßig klein. Hinter der Adalbert- und Georgenstraße lagen bereits Wiesen. Die Äußere Schleißheimerstraße war schier unbebaut, vereinzelte Häusergruppen standen frei im offenen Gelände. […] Die Landschaft im Süden war wenig reizvoll. Einzeln verstreut in den ausgedehnten, der Stadt vorgelagerten Wiesen lagen alte Häuschen, kleine Gehöfte, in denen die Buben mit von den Bauplätzen gestohlenem Material Zelte und Hütten bauten, und in denen sie auch sonst allerlei Unfug zu treiben pflegten.
Wir erfahren: Bembes’ Vater ist Fabrikant mit einer Fabrik am Stadtrand. Bembes’ Zimmer ist voller Getier: ausgestöpfte Vögel, Schmetterlinge und Käfer, aber auch lebende Eidechsen, Sumpfschildkröten, Blindschleiche in Terrarien. Zwergwels, Goldfische, Wassersalamander, Raupenzucht, Brachvogel. Auch Technik gibt es: Laterna Magica, Dampfmaschine. Totenkopfflagge, Fechtsäbel, Luftgewehr, Beil.
Pepi
Die Krähe gewöhnt sich ans Haus.
Die Ringelnattern
Am ehesten noch eine Lausbubengeschichte. Das Dienstmädchen wird von ausgebüxten Ringelnattern erschreckt.
Die Schwabinger Schlacht
Die Oberwiesenfelder liegen mit den Schwabingern im Streit. Schuld sind natürlich immer die anderen. Jedenfalls kommt es zu einer großen Schlacht. Ich habe Das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner nie gelesen, kenne nur die Verfilmung mit Fuchsberger.
Jetzt drehte sich alles nur noch um den Krieg. „Mir nehmen unsere Luftdruckg’wehr mit“, entschied Reinhard, „und wenn der Fliegenkas mit seiner Pistolen schießt, schießen mir auch!“ Und Bembes meinte: „D’Georgenstraßler fürcht’ i alle miteinander net. Aber d’Belgrad- und d’Herzogstraßler, die sind net schlecht! Mir müss’n schau’n, daß mir z’erst d’Georgenstraßler verhau’n, wenn die amal lauf’n, verlier’n die anderen auch bald d’Schneid.“
Jede freie Minute wurde eifrig exerziert. Flaschen, Töpfe, und Blecheimer wurden stundenlang beworfen, bis sie beim besten Willen nimmer verwendbar waren. Wer ein übriges Zehnerl hatte, kaufte sich beim Althändler in der Schellingstraße einen ausrangierten Studentenschläger. Er wurde wieder kampftüchtig gemacht, indem man ihn mit der Spitze solange an den Randstein schlug, bis er wieder eine Schneid hatte. […]
Gegen ein Uhr sammelten sich die Oberwiesenfelder Kämpfer in der großen Schustergrube. Die Armee wurde in drei Gruppen eingeteilt, deren stärkste Bembes führte, während Hans und Reinhard die beiden anderen Abteilungen befehligten. Es waren kampflustige, schneidige Burschen darunter, vor allem die Morganaten, man sah aber auch einige, die sich am liebsten im letzten Augenblick noch verzogen hätten. Ein halbes Dutzend dieser Art drückte sich unschlüssig am Grubenrand herum, bis sie Bembes anschrie: „Wer Schiß hat, soll heimgeh’n, Feiglinge können mir keine brauch’n.” Worauf sich viere bedeppert empfahlen. Die andern schlossen sich der Hauptgruppe an. […]
Man beobachtete einstweilen, hinter den Weiden versteckt, den Feind. Die Georgenstraßler, an die dreißig Mann stark, drückten sich an der Josephskirche herum. Von den Herzogs- und Belgradstraßlern war noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich lagen sie in einem Neubau am Rande der Herzogstraße, denn dort konnte man ab und zu die eigenen und fremde Kundschafter ausmachen. Jetz kam die erste Meldung: „Die Georgenstraßler rücken aus!“ Und tatsächlich, da kamen sie daher, mit einer schönen blauen Fahne, und einer hatte sogar eine Trommel mit. „Die Fahne müssen mir kriegen!“ sagte der Reinhard. „Und d’Trommel nehmen mir ihnen a!“ der Hans.
Bembes war etwas wortkarg geworden. Die Verantwortung drückte. So ein richtiger Krieg war nichts Einfaches. Die Morganaten waren ja schon gut, aber auch die ander konnte man sich nicht ganz verlassen. Wenn er sich selber ansah, im kriegerischen Schmuck, mit Säbel und Luftdruckgewehr, mit dem Häuptlingsabzeichen aus Vorhanglitzen, die er sich selber angenäht, kam er sich recht würdig vor. Fad war nur, daß man als Häuptling am meisten abkriegte, weil einen jeder gleich kannte.
Plötzlich wurde er wach. Was die Georgenstraßler eben machten, war ein großer Fehler. Die gingen ja viel zu weit vor. So verloren sie jede Fühlung mit den andern. „Paß auf, Hans! Die krieg’n mir! Du gehst jetzt heimlich über die Rosenau an d’Josephskirchen vor, bis ihr im Rücken seid. Und du Reinhard, du gehst nachher, wenn die andern weit g’nug sin, offen gegen den Feind vor. Dann meint er, dös wär’ alles. Und auf einmal hamms dann den Hans mit seinen Leuten im G’nick. Und wenn d’Belgradstraßler vorbrechen und glauben, daß s’ mit euch leicht fertig werden täten, komm i mit dem Ganzen daher, wie der Sturm! Da könnt ihr euch drauf verlass’n!“
Das Verhör
Nachwehen der Schlacht: Die Polizei kommt und verhört.
Der Dieb
Bembes fällt in Ungnade und wird für einen Dieb gehalten, weil Gegenstände im Haus verschwinden. Stellt sich heraus, es ist die Krähe, die einen Hort angelegt hat. Als Wiedergutmachung gibt es ein Angebot: die Krähe weggeben und mit den Eltern in die Sommerfrische, oder sie behalten und nicht mitfahren. Unter Freudentränen bedankt sich Bembes bei den überraschten Eltern, dass er den Vogel behalten darf. (Die nächsten Episoden über ist Bembes dann alleine zu Hause, zusammen mit dem Dienstmädchen Anna.)
Ein Ferientag
Nur nebenbei: In Milbertshofen erbetteln sie in der Georgenschwaige „gegen das übliche Vaterunser“ bei Schwester Afra ein Stück Brot, was sie als besonders spannend empfinden.
Das Geld im Batz
Eine Geschichte ohne große Spannungskurve. Der Münchner Straßendreck wird an den Stadtrand gefahren und dort ausgekippt, und die Jungen wühlen sich gerne durch den frischen Dreck, um Münzen und andere Schätze zu finden.
Und richtig, drunten hinter der Schusterschen Gärtnerei bogen die hochgebauten, zweirädrigen Eisenkarren bereits um die Ecke, die den in den Straßenablaufsieben Münchens gesammelten Straßendreck – den „Batz“ – in ihren Behältern sammelten, um ihn in die Versitzgruben zu schütten. Einige dieser Karren standen schon da und entleerten ihren Inhalt platschend in die Tiefe.
Die Schustergrube war die Goldmine der Oberwiesenfelder. Sie kamen sich hier wie echte Goldwäscher vor. Nur daß das Geschäft viel dreckiger war. Sobald die Kutscher den Inhalt der Wagen, die grauflüssige, stinkende Masse über den Hang hinuntergeschüttet hatten, stürzten sich die Buben hinein und begannn, knietief im Dreck stehend, den Stoff zu durchwühlen.
„Wo is er denn her?“ fragte Bembes. „Aus der inneren Stadt!“ – „Au fein!“ – Das war Edelware.
Die Ranch am Mississippi
„Am Rande des Oberwiesenfeldes, weit draußem bei der Moosacher Fasanerie“ befindet sich ein Bau, den das Militär für Übungen nutzt, so eine Art Gebäudeattrappe, groß, mit Türen und offenen, unverglasten Fensterlöchern und zwei Stockwerken, aber keinen Zimmern oder Möbeln. Das, und weil die Offiziere des Schweren Reiterregiments im Fasching zuvor eine Cowboy-und-Indianer-Show mit viel Schießerei aufgeführt haben, bringt die Buben dazu, selbst so ein Programm aufzuführen. Es ist mehr ein Reenactment, ein Live-Rollenspiel, eine dramatische Aufführung. Mädchen werden angeworben, die die alleine zurückgelassenen „Squaws“ (Frauen der der weißen Farmer) in dem Gebäude spielen. Eine andere Gruppe gibt die Sklaven auf der Plantage vor der Farm, eine weitere die angreifenden Indianer, eine letzte die zur Rettung doch noch auftauchenden Farmer. Höhepunkt ist die Zündung von drei selbst gebastelten Schwarzpulverbomben („vom Geringer Seppl, der ein fast ausgelernter Schlosserlehrling beim Maffei war“).
Als Beleidigung für diejenigen, die am Anfang nicht mitmachen wollten (inzwischen ist die Mitspielergruppe auf eine erkleckliche Zahl gewachsen): „Ihr könnt’s uns jetzt hinten frisieren“ – gegen Zahlung eines Zehnerls werden sie aber noch aufgenommen.
Lieblingssatz: „Alarm! D’Sioux kemmen!“
Es war jetzt wunderschön, wie die Squaws hin und her liefen, die Hände rangen und schrien: „Oh Gott! Wie schrecklich! Verrat! Mir san verlor’n!“ Noch feiner war es dann, wie der Maillinger mit seinen Kundschaftern aufsprang und mit den Kapselrevolvern und Pflederern das Gefecht begann.
Gelernt: Was Pflederer sind:
Die Waffen, die man trug, waren nicht so gefährlich wie bei einer Schlacht. Man sah viel hölzerne Dolche mit Blut vom Feind an der Spitze, Kapselrevolver, Lassos, Speere, Pflederer. Das waren Patronenhülsen, in die man zuerst unten etwas Blättchenpulver legte, dann kamen ein paar Kapfeln darauf, auf die man ein rundes, dem Durchmesser entsprechendes Eisenstück legte, das jedoch genügend Spielraum haben mußte. Die Öffnung wurde mit einem handlangen Holzgriff verschloffen. Wenn man dann den Pflederer fest auf den Boden warf, ging die Geschichte los. Der Eisenbolzen schlug auf die Kapseln, und es haute das Holzstück weit hinaus.
Das Ende ist dann natürlich dramatischer als geplant, weil die Bomben deutlich heftiger explodieren als geplant.
Die Verschwörung
Die Buben verschwören sich gegen einen bösen Bäcker und Vermieter, der auf die Sozis und die „roten Brüder“ schimpft. Man kauft nicht mehr dort und sorgt für Ärger, indem man die Beutel mit dem bestellten Gebäck, die morgens an die Türgriffe der Wohnungen gehängt werden, vertauscht – so dass die feinen Leute das schlechtere, die armen das bessere Brot kriegen.
Dann holt Bembes einen Zwetschgendatschi vom Bäcker ab, vermutlich vom Dienstmädchen gemacht, abe rzum Backen dorthin gegeben. Die Bäckersfrau klagt ihm ihr Leid und will wissen, warum er denn nicht mehr zu ihnen komme, bis Bembes fast Mitleid kriegt; dabei siezt sie ihn: „Die besseren Leute sind ja viel vernünftiger in dieser Hinsicht, sonst würde ich das auch gar nicht zu Ihnen sagen. Aber was die Sozialdemokraten sind, das sind die reinsten Verbrecher, die uns am liebsten zu Tod hetzen täten.“ Dennoch, der Bäcker nimmt eine angekündigte Mieterhöhung zurück, und die Verschwörung, ein heimlicher Boykott, wird aufgehoben.
Der Schwere Reiter
Bembes kriegt mit, dass das Dienstmädchen Anna heiraten früher oder später die Familie verlassen will. Beide weinen viel. Die Aussicht auf Besuche in der Stadt, also München, wo es dann in der Konditorei von Annas Schwager immer ein Warschauerbrot für Bembes gebe, soll ihn beschwichtigen.
Soller: Eine Wirtschaft im Tal, wo viele Lukis verkehren.
Konditor Schmid in der Ledererstraße: dann Café Schmid, seit Ende 1998 Bar Centrale.
Der geheimnisvolle Schuppen
Die Buben plündern einen Schuppen, der zwar durch einen Zaun und ein Schild Schild „Warnung vor dem Hunde“ geschützt werden soll, aber das macht eher neugierig auf den Hund. Im Schuppen ausranhiertes Klinikmaterial, das am Anfang gruslig ist – Glasaugen, Präparate.
Neues Verb gelernt: “Und auch weil an der Ecke der Hohenzollernstraße ein neuer Eismann standelte.”
Zitat: „Bücher!“ – „Lateinische!“ – „So a Dreck!“
Die Straße
Über das Verhältnis von feinen Buben und Straßenbuben, und wer zu wem nach Hause darf. Die Eltern kommen aus der Sommerfrische zurück, die Schule beginnt wieder, insbesondere Französisch macht gar keinen Spaß.
Wir lernen: Wenn man Geld braucht, kann man „mit einem Stock bewaffnet nach Schleißheim hinausgehen und damit die vielen zwischen den Pflastersteinen steckengebliebenen Hufeisenstollen herausstechen“ und verkaufen. „Das gab immer ein paar Pfennige.“
Außerdem gelernt: Tafernwirtschaft. (Wikipedia.)
Auf dem Hasenmarkt
Wir lernen: Jeden Sonntag findet am Viktualienmarkt hinter der Kuttelhalle der Hasenmarkt statt. Dort verkauft Bembes seine Hasen und Meerschweinchen, weil es Winter wird und sie zu viel fressen, und kauft sich vom Erlös ein Paar weiße Mäuse, um Futter für seine verbliebenen Tiere zu züchten.
Ileana
Bembes lernt Ileana aus Rumänien kennen, schwarzhaarig, „von einer Sauberkeit, die er nicht für möglich gehalten hätte.“ Sauberkeit im Wortsinn, Bembes ist es peinlich, dass er doch ziemlich verdreckt ist. Er ist schwer verliebt, es kommt zu Stelldichein und Küssen.
Ein tapferer Junge
Pepi, die Krähe, fliegt davon, wird aber in einer Rettungsaktion zurückgebracht, die es in Zeitung schafft; Bembes’ Eulen sterben, weil er ihnen – unabsichtlich – vergiftete Mäuse verfüttert hat.
Fischen im Eis
Die Bankerten stehlen einen Karpfen aus einem Weiher, werden dabei erwischt, entkommen aber. Gelernt: Karpfen (oder allgemein Fische?) fängt man, indem man sie „prellt“ also mit einem Steinwurf oder auf ähnliche Weise betäubt.
Die Dampfmaschine
Die Münchner Schneeabladewagen fahren täglich vor die Wiesen der Stadt, um dort den Schnee zu deponieren. In dieser Schneelandschaft bauen sich die Bankerten eine Wohnung. Der Hauptteil der Geschichte ist ein Rückblick auf das vergangenen Weihnachten, wo Bembes eine in der Spielwarenabteilung von Obletter gesehene Dampfmaschine vorzeitig als Weihnachtsgeschenk entdeckt, ausprobiert und in die Luft jagt. Geld dafür hatte der Vater vom „Onkel Max aus Transvaal […], der sich Vater für sein Unterstützung während des Burenkrieges erkenntlich zeigen wollte.“
Die Dreckkanone
Bembes wird verpetzt und muss im Karzer nachsitzen, von dort aus Blick auf den Elisabethmarkt. Am Gruber wollen die Morganaten Rache nehmen und locken ihn mit einem gefälschten Liebesbrief in einen Hinterhalt zu einer Art Feme-Gerichtsverfahren. Zu dessen Eröffnung wird „das Enebene“ gesprochen – auch als Abzählreim verwendbar, „Ene, bene, subtrahene, divel, dabel, domino, eter, brocker, kasinocker, zinker, zanker, daß.“ Ziel der Verhandlung ist, dass der Gruber eine „Mannesprobe“ ablegen soll, deren Höhepunkt das Schießen aus einer aus einem Ofenrohr gebastelten Kanone ist. Die ist aber präpariert, so dass nicht vorne ein Kugel, sondern hinten viel Dreck und Batz herauskommt. Und so geschieht es auch. Mit dem Gruber gibt es in der Schule danach viel weniger Schwierigkeiten: Mobbing erfolgreich!
Anna geht fort
Annas Verlobter, der Schwere Reiter Xaver Hundsreuther, kommt zum Essen. Keine dramatischen Ereignisse, aber Trennungsschmerz.
Gewitter im Moos
Mehrere Seiten lyrische Beschreibung der Nordmünchner Schotterebene im erwachenden Frühling. Viele, viele Namen von Vögeln, Insekten, Pflanzen. Bembes wird von einem heftigen Gewitter überrascht und kommt spät und müde und tropfnass nach Hause, wo die Eltern sich schon große Sorgen gemacht haben. Die fehlende Handlung deutet schon an, dass hier kurz vor dem Ende retardiert wird.
Ein bunter Tag
Bembes und Hans und Reinhard (seine zwei besten Freunde, Brüder) treiben sich in der Natur herum, fangen und töten und essen Tiere, schauen einer Schlägerei zwischen Soldaten der Infanterie und Schweren Reiter zu, verdienen sich ein bisschen Geld beim Kegelaufstellen – kein zentraler Konflikt, keine steigende oder fallende Handlung. Am Ende am Rande die Nachricht, dass die Freunde vielleicht wegziehen müssen.
Die Welt ruft
Das Wegziehen der Freunde wirft Bembes aus der Bahn. Als er nach einer kleineren Erkrankung wieder gesund ist und wieder zur Schule soll, geht er einfach nicht hin, weil sie ihn langweilt, er schwänzt und verbringt die Tage im Dachauer Moos – Fische fangen und braten, beobachten, tagträumen. Er plant halbherzig, nach Italien durchzubrennen. Abends ist er immer zuhause, aber tagsüber stiehlt er sich Essen aus Gärtnereien, wird aber endlich erwischt und alles fliegt auf. Von der Schule wird er fliegen, die Eltern hat er enttäuscht. Schließlich verlässt er tatsächlich heimlich die Familie und schickt nach fünf Tagen eine Karte aus Ascona. „Ich bin jetzt ein Mann“ und „Meine nächste Adresse ist hauptpostlagernd Padua.“
Nachklang
Meine Eltern erzählen heute noch, glücklicherweise nicht zu oft, wie mein Zwillingsbruder und ich einmal abhauen wollten. Allerdings kamen wir nur aus der Wohnungs-, nicht aber aus der abgeschlossenen Haustür. Also mussten wir frühmorgens klingeln und wieder zurück, ohne eine echte Erklärung für diesen hanebüchenen Plan angeben zu können. War das Grundschulzeit und angeregt durch das Ende dieses Buchs, oder, wahrscheinlicher, doch eher zuvor zur Kindergartenzeit? Immerhin, mein Vater, Jahrgang 1937, dem Erscheinungsjahr des Buchs, ist als Teenager mal mit einem Spezl abgehauen und hat sich einige Wochen oder Monate herumgetrieben.
(Schwarzpulvererfahrungen habe ich uch gesammelt, allerdings ohne mich dabei an die Bembes-Geschichten zu erinnern, die waren damals, in der oberen Mittel- und frühen Oberstufe, schon wieder vergessen.)
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