Ich habe eine Kollegin, die gerne mit Computerfragen, meist geht es um Software, zu mir kommt, und die mich lobt, weil ich so geduldig bin und nachvollziehbar erklären kann. Dabei hat sie einen Mann, der sich beruflich mit Computern auskennt, aber da funktioniert das Helfen gar nicht, sagt sie, es führe sogar möglicherweise zu Missstimmung.
Auch in den Fällen, wenn Frau Rau etwas am Computer erklärt bekommen möchte, gehen wir behutsam vor, wenn ich der Erklärende bin. Zugegeben, ich neige beim Erklären zu einer Sache: Wenn man mich lässt, fange ich ganz am Anfang an. In Blogeinträgen (z.B. „Was ich gerne als Grundwissen zu Computern für alle hätte„) kann sich niemand wehren, aber im Gespräch verstehe ich, wenn das möglicherweise irritiert. Aber so kriege ich Sachen gerne selber erklärt. Ohne Grundlagen geht doch das gar nicht?
In der Schule geht es ja auch um Wissen. Wer mag, darf auch Kompetenzen sagen. Wissen kann in verschiedenen Repräsentationsformen dargestellt werden, nach einem Modell: symbolisch, ikonisch, enaktiv. Enaktiv heißt: durch Handlung repräsentiert, ikonisch durch Abbildung, symbolisch durch abstraktere Symbole, insbesondere Sprache. Wenn man etwas handelnd durchführt, etwa in einem Rollenspiel oder durch das Aufnehmen und Bewegen von Gegenständen, ist das enaktiv; wenn man die Abbildung von etwas gezeigt kriegt, ist das ikonisch (oder vielleicht: semi-enaktiv, wenn man jemand beim Handeln zuschaut); wenn man etwas mit Wörtern oder abstrakteren Diagrammen erklärt bekommt, ist das symbolische Repräsentation.
In der Schule neigt man zur symbolischen Repräsentation von Wissen, vermute ich. Es ist aber nicht so, dass eine Repräsentationsform besser ist als andere, man sollte immer möglichst viele einsetzen. (Das ist etwas anderes als das mit den Lerntypen, eine überholte und verworfene Theorie.)
Der Anlass für diese Überlegungen: Frau Rau und ich machen gerade einen Tanzkurs. Der macht Spaß, und wir lernen viel. Die beliebtesten und erwarteten Repräsentationsformen sind dabei semi-enaktiv (jemand macht handelnd etwas vor) und enaktiv (man führt Handlung selber aus). Daneben gibt es natürlich Erklärungen (symbolisch), die ikonische Ebene spielt keine Rolle (das wäre etwa ein Schaubild zur Körperhaltung). All das deckt sich mit meiner bisherigen Tanzkurserfahrung, und das bietet sich auch an bei den doch weitgehend psychomotorischen Lernzielen.
Allerdings bin ich eine Minderheit insofern, als ich symbolische Repräsentation von Wissen schätze, gerne abstrakt. „Ich denke gar nicht darüber nach“, „ich mache einfach das mit Händen und Füßen, was sich anbietet und passend anfühlt“ trifft sicher die Erfahrung der Mehrheit, ist aber nicht meine. Ich muss mir jeden Schritt mühsam erkämpfen.
Mich stört ja schon, wenn beim Einzählen – gar nicht mal im Tanzkurs, sondern bereits beim Musikmachen – gezählt wird: „Eins – zwei – eins, zwei, drei, vier“ – was wird da eigentlich gezählt? Müsste man nicht „Eins – drei – eins, zwei, drei, vier“ sagen und damit die Viertelschläge meinen? Beim Lindy Hop zählt man Viertelschläge, Figuren sind häufig 6 oder 8 davon lang. Als Zählhilfe wird bei einer bestimmten Figur „1, 2, 1-2-3“ angeboten, eminent hilfreich, aber dennoch ist das keine Zählung, die den sonstigen Schlägen entspricht. Tatsächlich sind das sieben Viertelnoten. Macht mich wirr.
Ich brauche außerdem Namen, um gut lernen zu können. Die sind aber in der Praxis für die meisten Lernenden (und damit wohl für die Lehre) nicht sehr wichtig. „Man macht das, und dann das, und dann das“, und zeigt das, und zeigt das wiederholt, was schon wichtig ist, aber die Namen werden nur ein- oder zweimal genannt. Und wenn man darüber spricht, sagt man: „das, was wir eben gemacht haben“ oder „das, was wir heute gelernt haben“, „das, was wir beim ersten Mal gelernt haben.“ Einer der zwei Begriffe, die ich mir gemerkt habe, ist „Promenade“, und vielleicht nur, weil ich das Wort schon bei Samba oder Cha-Cha-Cha nicht mag. Es klingt in meinen Ohren so viel piefiger als der Rest beim ja ohnehin den bürgerlichen Konventionen nahestehenden Tanzen.
Also: open position, closed position, tuck turn, send out, j-hook (vielleicht), und der eine, der beim Swing-Subreddit unter „What are your favourite ‚Cheesy‘ moves?“ diskutiert wird und von dem ich nicht sicher weiß, wie er heißt, auch weil die Namen nicht ganz so festgezurrt sind.
Auf der Web-Suche nach „Tanzschuldidaktik“ habe ich wenig gefunden, nur einige wenige Seiten, die betonen, dass „nach neuesten Erkenntnissen“ der Tanzdidaktik gelehrt wird, welche immer das eben auch sind. Wenig zählen (zu verkopft), mehr klatschen (enaktiv). Bei einer Seite habe ich dabei das gute alte Berliner Modell wiedergefunden, wie schön! Aber natürlich hat der Mensch eine Lehrer-Vergangenheit. Vielleicht muss man auch nach „Tanzpädagogik“ suchen, da gibt es mehr Treffer.
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