Das Berliner Modell ist ein zumindest in Deutschland sehr bekanntes didaktisches Konzept aus den 1960er Jahren (glaube ich), mehrfach weiterentwickelt, das letztlich relativ neutral angibt, auf welche Faktoren Lehrer und Lehrerinnen beim Gestalten und Vorbereiten von Unterricht achten sollten:
(Quelle: Oeclan@Wikipedia, CC-BY-SA 3.0 unported)
Die Faktoren beeinflussen sich dabei gegenseitig. Das sind allerdings, denke ich, alles Entscheidungen, die die Lehrkräfte treffen – Schüler und Schülerinnen haben traditionell wenig Mitgestaltungsmöglichkeiten, was Inhalte und Methoden, Medien und Ziele betrifft. Bei den Inhalten darf manchmal die ganze Klasse mitreden („Welche Lektüre sollen wir lesen?“), bei den Zielen verstehe ich völlig, dass diese Entscheidung den Lehrkräften überlassen bleibt – und von denen hängen ja auch Methoden und Medien ab, ja. Und doch: Wäre es nicht schön, wenn Schüler und Schülerinnen selbst Methoden und Medien wählen könnten, vielleicht sogar Inhalte, und zwar nicht klassenweise, sondern individuell?
Sollte das nicht am einfachsten für die Medien gelten? Die Werkzeuge, die man im Unterricht nutzt? Ich habe mir schon mal in einem alten Blogeintrag Gedanken dazu gemacht und zitiere mich hier selber:
Es läuft für mich wohl auf die Frage hinaus: Wer hat die Kontrolle über die verwendeten Medien? Medien, das sind, wenn ich mal Geräte und Formen mischen darf: Tafel, Rechner/Beamer, Landkarte. Poster an der Wand. Schulbuch, Atlas. Wohl auch Realien, also Mitbringsel. Filmaufnahmen, Audioaufnahmen, Tageslichtprojektor. Zählt das selbst geführte Schulheft dazu?
Kontrolle haben die Schüler üblicherweise und innerhalb gewisser Grenzen allenfalls über…, nicht viel. Also, wenn sie am Rechner (oder Tablet) sitzen, dann schon. Und Poster im Klassenzimmer oder das Periodensystem, die werden in der Regel nicht plötzlich abgedeckt; wenn Schüler dieses Material auch nicht kontrollieren, so können sie sich doch auf deren Vorhandensein verlassen. Alles andere steht üblicherweise unter der Herrschaft der Lehrkraft.
Nun haben die Schüler und Schülerinnen oft ein Universalwerkzeug in der Tasche oder vor sich: einen Computer. Im Rahmen des Berliner Modells müsste man Medien eigentlich differenzierter beschreiben; nicht der Computer ist hier das Medium, sondern die spezielle Konfiguration des Computers – das heißt, das verwendete Programm. Erhalten die SuS eine Aufgabe, und dürfen sie selber entscheiden, mit welchen Werkzeugen – also auch: mit welchen Programmen – sie an der Lösung arbeiten?
Ich denke, das findet noch wenig statt.
Bei uns an der Schule ist das auch deshalb problematisch, weil wir – wie wohl viele Schulen – ein System nutzen, bei dem die Schüler und Schülerinnen keinen vollständigen Zugang zum Betriebssystem haben. Das ist auch sinnvoll. Allerdings ist auch der Zugang zu installierter Software beschränkt; standardmäßig ist nur bestimmte Software (Office-Paket, Browser) freigeschaltet, sollen die SuS ein Geometrie-Programm nutzen, eine Software-Entwicklungsumgebung, ein Bildbearbeitungs- oder Audioschnittprogramm, dann muss ich als Lehrer an meinem Rechner: Ein Progrqamm starten, dort die Klasse reservieren, dort der Klasse die Software zuweisen, und dann taucht innerhalb von ein bis zwei Minuten auf den meisten Rechnern in der Klasse die Software auf; mitunter bei ein oder zwei Rechnern auch gar nicht.
Mit diesem System arbeite ich sehr ungern. Spontan geht gar nichts, wenn es zwischendrin heißt, „Können Sie uns Paint freischalten“, weil einer Bildbearbeitung machen will, muss ich alles stehen und liegen lassen und vorne an meinen Lehrerrechner gehen und die Prozedur vornehmen. Auf den Rechnern in der Bibliothek haben die Schüler und Schülerinnen überhaupt keine Möglichkeit, an diese Programme zu kommen. Wenn es nach mir ginge, würde ich nicht nur Browser und Libre Office grundsätzlich freischalten, sondern viel mehr.
Aber: Alle Schulen machen das so; das machen wir schon immer so; wir zahlen schließlich viel Geld für dieses Feature. Auch diese unsinnigen Argumente werden vorgebracht; tatsächlich gibt es aber gute Gründe für eine derartige Regelung: Wenn die Schüler und Schülerinnen Programme zu Verfügung haben, dann vielleicht auch attraktive, und dann arbeiteten sie eher damit als mit dem Programm, mit dem sie arbeiten sollen. „Fremdbeschäftigung“ heißt das, manche in meiner 6. Klasse malen gerne auf Papier, und manche in meiner 7. Klasse zeichnen im Computerraum gerne mit Libre Office Draw, statt mit Scratch das zu tun, was sie sollen.
Wie soll man das nur kontrollieren? Ich halte es für zumutbar für Lehrkräfte, das im Auge zu behalten. Eigentlich: selbstverständlich. Und wenn man möchte, dass Schüler und Schülerinnen selbstständig Werkzeuge auswählen, ist das unabdingbar. Im Moment habe ich das Problem nur im Computerraum, Laptop- und Tablet-Klassen kennen das wohl noch unmittelbarer. Da freuen sich viele Lehrer und Lehrerinnen, wenn die Geräte der Schüler und Schülerinnen so eingestellt sind, dass jeweils nur bestimmte Software läuft.
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