Tagebuchwoche, Anfang Februar 2023

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Party gegeben: Also keine Party, sondern Einladung zum Abendessen mit vielen Gästen. Das war schon lange nicht mehr der Fall, zuletzt ein großes Thanksgiving-Mittagessen mit der Familie, eine ganz andere Sache.

Party gewesen: Ein Traum ging in Erfüllung – ich werde auf einer Party gefragt, wieso das Alphabet ausgerechnet mit A-B-C beginnt. Ich reduziere und vereinfache, so viel wie ich mag – die Ägypter und die Phönizier, ursprünglich war das A ein Glottis-Verschlusslaut und das C ein G (siehe Hebräisch, Griechisch und Latein C. für Gaius), so dass die ersten vier Buchstaben alle Verschlusslaute waren. Dass die Frage von einer Sechsjährigen kam – geschenkt; so eine Chance kommt nicht wieder.

Small talk kann ich inzwischen ja ein bisschen, wenn auch nicht wirklich elegant. Aber ein echtes Gesprächsthema, das immer geht, ist die Schule, und zwar einmal der Informatikunterricht, wie der aussieht und warum es den gibt oder nicht gibt. Und dann vor allem der aktuelle Lehrkräftemangel. Eine Frage, die der geschätzte Kollege beim Essen stellte, gab ich an andere Leute weiter: warum wollen die jungen Leute nicht mehr als Lehrer oder Lehrerin in die Schule gehen?

Fußnote: Insbesondere die jungen Männer. So sah 1971 ein Kollegium aus, das meines alten Gymnasiums, Bild aus dem Web gezogen früher mal, als man über Bilder im Web noch nicht so nachdachte, und aufgehoben:

87% Männer, heute sind das 35%. Ende Exkurs.

Lehrer sein macht mir immer noch Spaß. Man verdient nicht schlecht, kriegt ordentlich Pension, kann weite Teile der Zeit selber einteilen und hat das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Ich kann das empfehlen, trotz allem. Das müsste doch attraktiv sein? Oder ist es so, dass schlicht weg im Lehramt ebenso junge Leute fehlen wie in anderen Berufen auch?

Eine richtige Antwort hatte niemand. Hypothesen: Lehramt gilt als langweilig, weil man vermeintlich jedes Jahr das gleiche macht. Und: Lehrkräfte vor der Klasse vermitteln zu sehr den Eindruck, dass das anstrengend ist und keinen Spaß macht – wird zu viel gejammert im Klassenzimmer?


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12 Antworten zu „Tagebuchwoche, Anfang Februar 2023“

  1. Sabine

    Spaß an der Arbeit wird ja so unterschätzt; dafür gibt es als Lehrkraft schon viele Möglichkeiten, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen legen einem nicht allzu viele Steine in den Weg. Ich persönlich schätze ja die Möglichkeiten, Kreativität auszuleben und immer wieder was Neues zu machen – anders als man gemeinhin denkt. Und den Kindern und Jugendlichen beim Großwerden zuschauen zu dürfen ist auch wirklich schön.

    Mit einem Lehramtsstudium legt man sich halt recht fest, und das auf viele Jahre des Studiums und der Ausbildung. Und vermutlich sind damit keine sozialen Lorbeeren abzustauben im Freundeskreis, das kann schon viele abhalten. Ich wäre nicht Lehrerin geworden, wenn ich das Examen nicht nebenher so der Vollständigkeit halber hätte machen können. Erst im eher aus Mangel an besseren Ideen angetretenen Referendariat habe ich gemerkt, dass mir das Unterrichten richtig Spaß macht.

  2. Vroni

    Ich stelle mal die These auf, dass die richtigen Seiteneinsteigermöglichkeiten fehlen. Ich war immer im pädagogischen Bereich tätig und immer, wenn sich diese Option bot, wäre ich entweder deutlich schlechter als bei anderen Optionen gefahren oder hätte deutlich schlechtere Konditionen als andere Lehrer gehabt.

    Allerdings kann ich aus aktueller beruflicher Sicht auch bestätigen, dass sich der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel einfach über so gut wie alle Branchen zieht.

  3. Man kommt über de Seiteneinstieg schwer rein, das stimmt, und das trägt zum Mangel bei. Vielleicht erklärt das andererseits auch die sinkende Attraktivität, dass man auch nicht mehr so leicht wieder rauskommt? Möchte man sich nicht mehr so auf einen klar definierten Beruf für den Rest des Lebens festlegen? Bei den Lehrkräften, die man als Vorbild hat, ist das ja so.

  4. Pony Express

    Wenn man Außenstehenden davon erzählt, dass man mal wieder beinahe eine helikopternde Tigerin aus der Sprechstunde rausgeschmissen hätte, dann erhält man oft als Reaktion „Warum tust du dir das an?“ Die Frage, ob man sich „etwas antut“, steht für mich dabei weniger im Mittelpunkt als die Frage, warum der oder die Außenstehende meint, das sei schlimmer als das, was er oder sie in ihrer Berufstätigkeit zu ertragen hat. Und: im fortgeschrittenen Berufsalter ist es doch auch nicht so leicht die Stelle zu wechseln, wenn man nicht gerade in einem absoluten Mangelbereich arbeitet.

    Was möglicherweise dahinter steht ist die Angst oder die Empfindung, dass eine Lehrkraft eben nicht nur als Experte, sondern auch als Person in den Mittelpunkt der (nicht unbedingt erwünschten) Aufmerksamkeit geraten kann, weil weder Lernende noch deren Eltern zwischen beidem unterscheiden und sich noch dazu ein Urteil anmaßen, weil sie ja alle selbst mal in der Schule waren oder noch in der Schule sind. Anders als beispielsweise bei Ärzten (alle waren schon mal krank) ist der Weg und die Hemmschwelle bei vielen Zeitgenossinnen bzw. Zeitgenossen offenbar im Fall der Lehrkräfte kürzer und niedriger.

    Im Fall der eingangs erwähnten Großkratze, musste ich leider erklären, dass ich nicht ihr weisungsgebundener Angestellter bin und sie mit dem Verweis auf den Beschwerdeweg unzufrieden entlassen. Vielleicht ist es für die Lehrkräfte an der Zeit sich mal zur Wehr zu setzen, und zwar so, dass deutlich wird, dass man sich eben nicht von jedem Bettvorleger „etwas antun“ lässt.

  5. Norman

    zu wenig Studienplätze
    Numerus Clausus
    und, und, und …

  6. Karin

    Pony Express, ich bin völlig d‘accord, allerdings wäre es vielleicht auch sinnvoll, wenn der Arbeitgeber auf diese Situation vorbereiten würde und zwar schon in der Ausbildung.
    Ich bin übrigens strikt gegen Quereinsteiger, zum einen, weil ich damit bisher überwiegend ganz schlechte Erfahrungen gemacht habe (auch das mag an mangelnder Vorbereitung selbiger auf den Beruf liegen), zum anderen, weil genau dadurch der ohnehin häufig verbreitete Eindruck, Lehrer „könne“ jeder, gestärkt wird.
    Zurück zur Ausgangsfrage: der selbe Staat, der in den 25 Jahren meiner Dienstzeit sukzessive die Anforderungen erhöht und die Leistungen gesenkt hat (Nur ein Beispiel: Urlaubsgeld), sollte sich evtl dann doch mal fragen, ob da ggf ein Zusammenhang besteht mit der mangelnden Attraktivität des Berufs. Ich bin tatsächlich nach wie vor an den meisten Tagen wirklich gern Lehrerin, ob ich den Beruf weiterempfehlen würde, weiß ich allerdings nicht.

  7. Meise unterm Pony

    Tatsächlich ist häufiger die Rede davon, dass der Lehrberuf entweder ein Beruf für soziale Aufsteiger war bzw. ist oder eben innerhalb von Familien gewissermaßen vererbt wird, weil schon die Eltern oder ein Elternteil einen ähnlichen Beruf ausgeübt haben bzw. hat. Fragt man herum, ist häufiger zu hören, die oder der Betreffende sei der oder die erste in der Familie mit Abitur (auf mich treffen gewissermaßen alle diese Kriterien zu).

    Die Sache mit der Bezahlung ist zwar nicht sekundär, aber irgendwann sollte man als Erwachsener vielleicht doch realistisch werden und sich im Klaren sein, dass man mit eigener Arbeit kaum reich wird, dazu sollte man 1. erben und 2. Geld und andere für sich arbeiten lassen. Im Verhältnis zum Einkommensdurchschnitt jedenfalls gehören Gymnasiallehrkräfte auch jetzt noch zu den Besserverdienenden trotz der Kürzungen und der Verlängerung der Dienstzeit, die so bei Dienstbeginn nicht abgesprochen war und eine Folge des umlagefinanzierten Rentensystems ist, in das Beamte bekanntlich gar nicht einzahlen, weil das für den Staat billiger ist.

    Für mich bleiben also gesellschaftlicher Status und Berufszufriedenheit der aktiven Lehrkräfte als wesentliche Ursachen für den Mangel insbesondere an männlichen Arbeitskräften (siehe Foto). Der Dienstherr hat heute einen entsprechenden Flyer zum Quereinstieg in Umlauf gebracht, der einerseits das indirekt zu bestätigen scheint (Tenor: wir bieten wenig Geld für viel Idealismus), andererseits von einer erschütternden Hilf- und Ahnungslosigkeit bezüglich der Situation an der postcoronaren Basis zeugt. Mehr Geld überzeugt dann vielleicht schon Quereinsteiger, mich nicht. Soweit die Nachrichten aus der Mimosengärtnerei.

  8. Ponyfrisur

    Nachtrag: Die Broschüre sucht u.a. nach Deutschlehrkräften (!). Das muss man sich erst mal vorstellen. Wer vor zwanzig oder mehr Jahren Deutsch Lehramt studierte, lebte vom Prinzip Hoffnung und gehörte zu den Besten des Jahrgangs (Magister- und Diplom-Studierende eingeschlossen). Wer nicht so gut oder hartnäckig war, musste sich umorientieren und „irgendwas mit Medien“ machen oder gleich in andere Berufsfelder abwandern. Heute wird verhaftet, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist? Neben dem Geburtenrückgang spielt wohl auch die digital bedingte Entwertung der Buchwissenschaften eine wichtige Rolle.

  9. Karin

    Lehrer als Aufsteigerberuf, volle Zustimmung. Bin in meiner Familie auch die erste „Studierte“.
    Das Einkommen eines Lehrers hat vor sagen wir mal 30 Jahren oder so locker für ein hübsches Einfamilienhaus in nicht allzu schlechter Gegend gereicht. Zudem war das öffentliche Ansehen deutlich größer und die Arbeitsbedingungen dadurch auch entspannter. Wenn diese Anreize wegfallen, muss sich der Arbeitgeber (aka Staat) halt mal was überlegen, wie er das kompensieren könnte. Wie immer wird das aber nicht kostenneutral gehen. Entweder ist Bildung das wichtigste Kapital eines rohstoffarmen Landes – oder nicht.
    Dieses Thema macht mich wirklich wütend, allein, wenn ich daran denke, wie viele wirklich begabte Referendar*innen ich in den letzten Jahren in eine mehr als ungewisse Zukunft ziehen lassen musste. Wenn sich die Politik das leisten kann, soll sie jetzt nicht über Lehrermangel jammern. Und vielleicht mal andere Gegenmaßnahmen als Arbeitszeitkonten oder das Verbot von Teilzeit bzw. Sabbaticals in Erwägung ziehen.

  10. Packesel

    Nachdem ich mal gesehen hab, wie ein Kollege, dessen Fach mit Zahlen statt mit Buchstaben arbeitet, eine Ex mal eben in der Pause korrigiert hat, um sie danach herausgeben zu können und eben dieser Kollege sonst auch nur in hallengroßen Räumen ohne Schreibmöbel unterrichtet, wäre das Erste eine ordentliche (empirisch belegte) Faktorierung der tatsächlichen Belastungen. Die Fächerkombination D/E stünde wohl an der Spitze, eine Kombination Nebenfach X/Leibesübungen wäre am Ende der Skala und dann auch anders zu bezahlen. Die heute übliche Unterscheidung wissenschaftlicher / nicht-wissenschaftlicher Unterricht und das damit erhöhte Stundendeputat sind schlicht lächerlich, bieten aber zahlreiche Freiräume um sich schulintern wichtig zu machen.

    Dann müsste die Klassengröße gedeckelt werden, ab Jgst. 10 auf etwa 20 Schülerinnen und Schüler. Würden z.B. die Zielformate der Abiturprüfung (Deutsch-Aufsätze) reformiert und in den Umfangsanforderungen gekürzt werden, könnte man vielleicht über 25 Lernende reden.

    Sonderveranstaltungen, die über die vier Stunden unbezahlte Unterrichtsmehrarbeit hinausgehen, sollten als Arbeitszeit gelten und vergütet werden und zwar nach einem höheren Satz als die Regelarbeitszeit, wie das bei Überstunden in anderen Berufsfeldern auch üblich ist. Dann wäre auch dem Prinzip Selbstausbeutung zumindest ein Riegel vorgeschoben.

    Der Dienstherr stellt sich endlich vor seine Beamten, statt den Wählerinnen und Wählern weiszumachen, Schule sei so etwas wie eine Bildungsboutique, aus deren Angebot man sich den passenden Bildungsabschluss unter konsequenter Steigerung außerlehrplanmäßigen Tralalas ohne eine eigene Anstrengung aussuchen kann.

    Dazu bräuchte man aber einen Berufsverband, der diesen Namen auch verdient, statt Grundschulmegaphone, die regelmäßig auch für weiterführende Schulen zu sprechen vorgeben und einem kooptierten Verein, dessen Expertise darin besteht, die „althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ mit einer zukunftstorientierten Nachwuchs- und Bildungspolitik zu verwechseln.

    Sollte ich hier etwas revolutionär Neues geschrieben haben, bitte ich um Vergebung. Es handelt sich um eine Tirade, die ich vor zehn Jahren geschrieben habe, die gerade passt.

    „Rant“-Ende.

  11. Lotti

    Habe gerade das Praxissemester absolviert (hier in NRW das erste halbe Jahr Referendariat, dass nun unbezahlt in den Master verlegt wird; der anschließende Vorbereitungsdienst dauert nur noch 18 Monate). Wir, zwei motivierende Studierende (ein jung eine schon Mitte vierzig), werden am ersten Tag mehrfach so begrüßt: „Warum tut ihr euch das an?“. Oder mit: „Das würde ich mir wirklich noch mal überlegen.“
    Eigenwerbung geht anders.

  12. Das kann ich mir leider sehr gut vorstellen, Lotti. Nur in einem Teil der Fälle ist das vielleicht wirklich echte Überzeugung, im anderen launiger Kommentar, weil man sich Jammern angewöhnt hat – aber ganz schlechte Eigenwerbung, ja.

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