Peter David

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Am 24. Mai, las ich eine Woche später, starb Peter A. David, PAD, 68 Jahre, einer der ganz wenig Superheldencomic-Autoren, von denen ich mir einbildete, sie am Stil zu erkennen. Vielleicht war es aber auch nur so, dass ich sehr oft dann, wenn mir ein Heft witzig, originell, erzähltechnisch interessant, intellektuell oder kritisch vorkam und ich nach dem Autor sah, auf seinen Namen stieß.

Hefte, die mir in Erinnerung geblieben sind:

  • „The Death of Jean DeWolff.“ Peter Parker, the Spectacular Spider-Man #107–110, sein Breakout und ein Meilenstein.
  • „Eye Witness!“ Peter Parker The Spectacular Spider-Man #121, J. Jonah Jameson, Peter Parker, Mary-Jane Watson erzählen drei Fassungen des gleichen vereitelten Banküberfalls. Mit jeweils verschiedenen Zeichnern.
  • „The Commuter Cometh!“ Amazing Spider-Man #267, worin es Peter Parker in die Suburbs verschlägt, wo es keine Hochhäuser gibt, an denen er sein Netz aufhängen kann.
  • Ein Heft, das dann doch gar nicht von ihm ist, sondern von David Micheline, auch sehr gut: „(Mid) American Gothic“, Amazing Spider-Man #302: Ein Familienvater ist von einem radioaktiven Hasen („jackrabbit“) gebissen worden und hat superstarke Hinterbeine bekommen, mit denen er superschnell rasen kann. Ansonsten bleibt er verwundbar und ganz normal, und er entscheidet sich deshalb gegen eine Superheldenkarriere als „Bunny Man“ oder was auch immer. Ich wiederhole, nicht von PAD, aber auch gut.
  • The Incredible Hulk: Er schrieb die Hefte #331 bis #467, und einige weitere, zwölf Jahre lang. Um sein Meisterwerk zu erklären, muss ich etwas ausholen: Bekanntlich verwandelt sich Bruce Banner mitunter in den mächtigen Hulk. Am Anfang war der Hulk aber grau (Druckerprobleme), durchaus sprachmächtig und nicht unintelligent (aber eben unkontrolliert), und die Verwandlung setzte regelmäßig nachts ein. Nach ein paar Heften entstand die kanonische Form: grün, nur weniger ungrammatischer Sätze mächtig, und die Verwandlung geschah immer dann, wenn Banner sich aufregte: das ist das ikonische „you wouldn’t like me when I’m angry“ aus der Fernsehserie. Mit dem Verwandeln wurde immer wieder mal gespielt, aber im Prinzip blieb das so, bis in Heft 324 Al Milgrom den grauen Hulk wieder hervorkramte. Aber erst Peter David gab ihm jurz darauf Persönlichkeit und machte ihn zu Mr. Fixit, einem schnodderigen Rausschmeißer in Las Vegas. Und später griff PAD Heft 312 von Bill Mantlo auf, in dem Banners Wut-Probleme mit dem Leiden unter einem gewalttätigen Vater in der Kindheit in Verbindung gebracht werden: PAD schrieb Heft 377, das fast ganz in Banners Kopf spielte, und zwar in Form einer Gruppentherapiesitzung, geleitet von Doc Samson, einem Psychiater und Teilzeitsuperhelden (grüne Haare, Pferdeschwanz, ebenfalls Gammastrahlen; 1971 in langweiligerer Form erfunden). Teilnehmende der Sitzung waren Bruce Banner, der grauen und der grünen Hulk; Doc Samson hatte eine multiple Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Am Ende der Sitzung erscheint eine weitere, für den Verlauf der weiteren Hefte dominante Form, scherzhaft „Professor Hulk“ genannt; er war artikuliert, intelligent, im Körper des Hulk und ohne Interesse, wieder zu Banner zu werden. Unvergesslich Heft 390 mit ihm in bunny slippers.

PAD brachte Themen wie Todesstrafe, häusliche Gewalt, Abtreibung und AIDS in Comics, als das noch nicht üblich und einfach möglich war. Er glaubte nie, dass Comics unpolitisch sein sollen oder sein können. (Kolumne zu „Social Activism In Peter David’s The Incredible Hulk“).

Kennengelernt habe ich PAD vor allem über sein Blog, das ich spätestens ab dem Jahr 2003 las; die Wayback Machine kennt peterdavid.net seit 2003. PAD war ein Blogger, so ein richtiger, früher und wie früher; er begann das mit der Software Greymatter, und deshalb lief auch das Blog von Frau Rau zuerst damit, und ich lernte CSS anhand des Quelltextlesens seines Blogs. Ich halte es für durchaus möglich, dass sich Designreste davon noch im heutigen Blog von Frau Rau finden.

Später bloggte er nur spärlich, aus gesundheitlichen Gründen vor allem. Ich verlor ihn aus den Augen. Davor schrieb er viel, es gab oft hundert Kommentare, die ich auch alle verfolgte. Es ging um Politik, er bloggte live Diskussionen bei Präsidentschaftswahlen mit. Es gab auch Zweitveröffentlichung älterer Kolumnen oder Texte, etwa „Take Your Daughter to Work Day“, der fiktive Aufsatz von Michelle Weizel, 4. Klasse, für ihre Lehrerin Mrs Rosetti. Michelles Vater hatte sie für einen Tag zur Arbeit mitgenommen – wie alle Eltern der Schüler der Klasse – und Michelle musste einen Aufsatz darüber schreiben. Nun ist Mr Weizel von Beruf allerdings Superheld:

His super-hero name is Wild Weasel. I think it’s a silly name myself. I told him so once. He told me that he had to call himself that because it was so close to his own name, and when you have an own name that could be made into a super name real easy, you’re supposed to do it. He says it’s a rule or something. I don’t know. In the comics, Clark Kent doesn’t sound like Superman and Peter Parker doesn’t sound like Spider-Man, and people seem to like them just fine. Daddy said I’ll understand when I get older.

Hier eine Kolumne anlässlich der Reaktionen auf einen Tod in einem seiner Comics: eine Figur, eigens dafür geschaffen, am Ende legal auf dem elektrischen Stuhl getötet, und viele Leser wollten das in einenm Comic nicht sehen. Hier ein Eintrag anlässlich der Kritik an einem erfunden Ortsnamen, der mich selber zu einem langen Blogeintrag über schräge US-Ortsnamen inspirierte. Aber die Seiten laden langsam und ich finde nicht mehr alles.

Nachtrag: Er starb nicht einsam, aber verarmt; chronisch krank, und das Gesundheitssystem hat ihn fallen lassen.


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Kommentare

2 Antworten zu „Peter David“

  1. Norman

    Wer wird nicht zum Hulk bei Druckerproblemen?

  2. […] hatte ja keine Ahnung. Herr Rau würdigt den Superheldencomiczeichner Peter David. (der unter anderem The Incredible Hulk in eine Gruppentheorie schickte und dessen Blog-Code […]

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