Heute war wieder Abistreich. „Der wird anders als in den letzten Jahren“, habe ich Schüler vorher sagen hören. Nu. Ich wartete eher skeptisch in der vierten Stunde mit meiner Klasse darauf, dass es endlich losging. Wir begannen gar nicht erst mit dem Unterricht, und das war vielleicht schade.
Denn es fing ganz gut an. Wir wurden nicht alle mit vorgehaltenen Wasserpistolen auf den Sportplatz geschickt. Stattdessen kam eine launige Durchsage. Dann erst mal nichts. Vermutlich sollte dann der Unterricht weiterlaufen, damit der einige Minuten später von der nächsten Durchsage unterbrochen wurde. Aber natürlich lief da gar kein Unterricht. (Vielleicht hätte die erste Durchsage lauten sollen: „Fangen Sie ruhig schon mal an mit Unterricht, der Abistreich dauert noch etwas.“ Dann hätte man vielleicht wirklich etwas unterbrechen können.)
Die Durchsagen selber waren gemischt. Ein paar launige Scherze. Ein paar Insider-Witze, die in manchen Klassen Schulterzucken auslösen. Aber ein paar gingen in die richtige Richtung. Herr X solle jetzt mal allen Schülern etwas Nettes sagen. Herr Z solle vor dem Schulgebäude Kippen aufsammeln. Mehr davon! Mit meiner Klasse haben wir nach neuen Ideen gesucht. „Herr Rau möge mal alle elektrischen Geräte, die er dabei hat, auf sein Pult legen.“ Oder: „Jeder Lehrer erzählt jetzt mal seiner Klasse seinen Lieblingswitz.“ So eine Art Simon Says über die Schulsprechanlage.
Danach kamen eine Handvoll Abiturienten in die Klassen. Die, die zu mir kamen, kannte ich nicht, sie stellten sich nicht vor, wir warteten, dass irgend etwas passiert. Vermutlich dachten die, dass da noch irgendwo Unterricht läuft. Dann gingen sie wieder. Nicht ganz durchdacht.
Dann kam ein Abiturient, um mit uns das Alle-die-wo-Spiel zu spielen. Neunte Klasse, ein bisschen spät dafür, aber alle machten mit. Das Alle-die-wo-Spiel kennen die meisten Schüler von Klassensprechertagen und ähnlichen Veranstaltungen: Man sitzt im Stuhlkreis, ein Stuhl weniger als Schüler, ein Schüler steht in der Mitte. Der sagt dann: „Alle, die wo…. “ zum Beispiel: „Jeans anhaben.“ Und dann stehen alle, die wo Jeans anhaben, auf und wechseln schnell den Sitzplatz. Währenddessen versucht auch der in der Mitte einen Platz zu ergattern, bis am Schluss ein anderer in der Mitte steht – und die nächste Frage stellt.
Der Witz am Spiel ist natürlich auch der, interessante Fragen zu stellen. Wer am morgen nicht geduscht hat. Wer schon mal geschummelt hat. Wer schon mal… nur der gute Geschmack setzt hier Grenzen. (Beliebte Metafrage: Alle die wo beim Alle-die-wo-Spielen heute schon mal geschwindelt haben.) Man stellt und beantwortet da manchmal auch Fragen, die man sonst umgehen würde. Beispiele aus der Klasse will ich nicht bringen, aber ich weiß jetzt mehr über meine Schüler, als ich eigentlich wissen will.
So oder so zog sich das Spiel hin, und keiner wusste, was Weiteres geplant war. Irgendwann kam dann auch eine Durchsage, dass jetzt alle in den Pausenhof kommen sollen. Zu diesem Zeitpunkt verschwanden die ersten Schülergruppen nach Hause, viele gingen aber auch in den Hof, und die humorvoll-fröhlich-dynamischen Lehrer gingen mit, um dort an üblichen Spielchen teilzunehmen und wasserpistolenbewerten Schülern auszuweichen. Ich blieb mit den anderen Grantlern im Lehrerzimmer, Kaffee trinken.
Fazit: Gute Ansätze. Und immerhin wurde die Kette der Jahr für Jahr gleichen Abistreiche unterbrochen. Vielleicht baut der folgende Jahrgang darauf auf.
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