Lehnerich, der (und Fundwörter beim Aufräumen im Blog)

(9 Kommentare.)

Neulich beim Lesen gefunden:

„Wenn Er bei Tage so hier säße, würde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die Häuser lehnt, damit er nicht umfällt vor Faulheit.“

Clemens Brentano, „Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl“

Was für ein schönes Wort! Die Idee des Herumlehnens, etwa an Laternenmasten, als Ausdruck von Nichtsnutzigkeit gibt es wohl allgemein, etwa bei Tom Waits:

It’s fast women, slow horses,
I’m reliable sources
and I’m holding up a lamp post
if you want to know

Tom Waits, „Jitterbug Boy“

In einem Lied, das in der Version von George Formby bekannt ist, hier auch vom Ukulele Orchestra of Great Britain (Youtube), ist das sogar klar verdächtig:

I’m leaning on a lamp, maybe you think, I look a tramp
Or you may think I’m hanging ‚round to steal a motor-car

Noel Gay, „Leaning on a Lamp-post“ (bekannt in der Version von George Formby)

Texas Jim weist auf Mastodon auf das schwäbische „Loiner“ hin, von „loina (lehnen, herumlehnen)“.

Auch schon das Herumstehen alleine, ohne sich dabei anzulehnen, ist unbürgerlich. Wikipedia kennt einen historischen Eckensteher. Man muss dabei allerdings unterscheiden zwischen „Standing at the Crossroads“ (siehe Elmore James, Youtube, basierend auf „Cross Road Blues“ von Robert Johnson: hochdramatisch) und „Standing At the Corner (watching all the girls go by)“ (Frank Loesser, bei Youtube in einer Version von Dean Martin: typische Eckensteherei).

Got no time for the corner boys
Down in the street makin‘ all that noise

Tom Waits, „Jersey Girl“

Ergänzung via Buddenbohm & Söhne: Der Song „Eckensteher“ von Nils Koppruch und Fink, Text hier.

Fundsachen aus alten Blogeinträgen

Ich räume gerade mein Blog auf: Anlass ist das Umstellen alter Beiträge auf Gutenberg-Blocks, das ist so eine WordPress-Formatierungssache, hat Vor- und Nachteile, aber zumindest ist es vereinheitlichtlicht es meinen Code. Die frühen Beiträge waren ja noch Movable Type, dann importiert nach und umgestellt auf WordPress, und dort am Anfang weitgehend selbst geschriebenes HTML. Da habe ich mir zum Beispiel angewöhnt, viel mit Listeneinträgen zu arbeiten, also dem <li>-Element, und darin verschachtelt <blockquote> oder <img>, außerdem Tabellen zur Spaltenformatierung benutzt, da und dort manuelles CSS zur Aufhübschung, mal <pre> und mal <code>, und dieser Wirrwarr ist für zukünftiges Design schwierig, und an Smartphonedarstellung habe ich damals auch nicht gedacht. Dazu historische embeds von Audio und Video. Erinnert sich noch jemand an .flv, Flash-Videos? Mit den Blocks versuche ich alles einheitlich zu halten, manche Beiträge habe ich aber im Urzustand gelassen: Schau an, so hat man das damals in HTML geschrieben.

Dabei habe ich auch alte Entwürfe gesichtet. Der eine mit Ideen für ein Audio-Schulprojekt aus dem Jahr 2005, wo es um die Schwierigkeiten von Hardware geht, wenn Schüler oder Schülerinnen Audiointerviews machen, ist inzwischen ziemlich veraltet. Anderes weckt Erinnerungen.

Aber ein paar angefangene Notizen zu Wörtern habe ich auch gefunden, und nachdem wohl doch nie eigene Blogeinträge daraus werden, sammle ich sie hier und lösche die Entwürfe:

Scherze aus dem Referendariat

Die Gabe der Bilokation, Nichtverfügen über: Scherzhaft in meinen Kreisen, wenn man zum Beispiel für zwei Vertretungsstunden gleichzeitig eingeteilt ist. Erst spät herausgefunden, dass das ein klassisches Wunder ist, wie es mit Heiligen in Verbindung gebracht wird.

Stuhlgang: Das muss man immer sagen, wenn man Stühle per Hand transportiert, gerne auch in größeren Mengen. Kommt in meinen Kreisen erstaunlich oft vor, aber nicht mehr so oft wie früher.

Tabu

„Tabu“ ist heute ein Wort wie viele andere. Im Kindergarten war das noch anders. Der Tisch der Kindergärtnerinnen, im EIngangsbereich zum größten Raum, war nämlich tabu. Und da war das tatsächlich noch etwas Magisches. Ich kannte das Wort nicht, konnte es auch mit keinem anderen mir bekannten Wort in Verbindung bringen, wie das doch sonst fast immer möglich ist. Vielleicht war es auch komisch, weil es als Adjektiv verwendet wurde. Heute fällt es mir fast nur noch als Substantiv auf („das ist ein Tabu“).


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9 Antworten zu „Lehnerich, der (und Fundwörter beim Aufräumen im Blog)“

  1. […] Lehneriche und Eckensteher. Bei Eckensteher muss ich noch zwingend Nils Koppruch anlegen, leider finde ich das […]

  2. Von Herman’s Hermits kenne ich nur die größten Hits, das Lied auch dort zu finden hat mich dann doch überrascht, vielen Dank.

  3. Poupou

    Da musste ich doch spontan an die Lungereien denken, die seit vielen Jahren in Neukölln eröffnen: https://taz.de/Im-Reich-des-Lungerns/!381768/

    Außerdem an Kästner, bei dem sich Kinder gegenseitig als Eckensteher und Possierschwengel beschimpfen (ich glaube Pünktchen und Anton, oder doch Emil?)

    Liebe Grüße
    Poupou

  4. Ich musste das länger lesen, als man meint, bis ich das mit den neu eröffneten Lungereien kapiert habe. Sehr schön! „Poussierstengel“ klingt sehr nach Emil, schon mal, weil ich das Wort schon sehr lange nicht mehr gehört habe; ich habe das aber weder dort noch bei Pünktchen und Anton gefunden. Google-Büchersuche gibt eine Fundstelle bei Kalle Blomquist (ist ja auch detektivisch) von Astrid Lindgren, aber keine für Eckensteher dort.

  5. Poupou

    Oh, dann muss ich wohl auch noch mal in das Bücherregal tauchen, glaube nicht, dass ich das erfunden, dazu habe ich es zu rhythmisch im Leseohr.

    Liebe Grüße!

  6. Alle Achtung, dass du das mit dem Umsetzen in „Blocks“ schaffst. (Setz doch mal einen Link auf so einen „historischen“ Beitrag!) Meine Blogs befinden sich technisch noch in der Vor-Gutenberg-Ära, doch mache ich mir schon Gedanken, wie das „Theme“ des 24 Jahre alten Digital Diarys zukunftssicher umgebaut werden könnte (Post dazu unterm Namenslink).

    Lehnerich – was für ein Wort! Vom Inhalt her entspricht es wohl dem „Gammler“, ein beliebtes Schimpfwort Ende der 60ger für alle, die langhaarig in den Parks „herum gammelten“, Gitarre spielten und auch mal den Joint kreisen ließen.

  7. Seltsam, ich habe den Kommentar nicht doppelt geschrieben, er wird mir nach Absenden aber doppelt angezeigt!

  8. Doppelter Kommentar: Danke für den Hinweis, auch wenn ich noch nicht weiß, was es damit auf sich hat. Vielleicht ein Verschlucker, vielleicht das neue Theme. (Neue Kommentare landen immer in der Warteschlange, wenn Name/Adresse in dieser Form noch nicht bei den Kommentaren gespeichert.)

    Gutenberg: Mir wäre lieber ohne, aber wenn es da ist, nutze ich es. Tatsächlicher Vorteil: Neuere Themes kann man damit leichter anpassen als früher. Ansonsten: Man kann einzelne Blöcke auch auf HTML stellen, oder den gesamten Beitrag in einem HTML-Editor bearbeiten. Das ist dann fast wie im alten Editor, mit zwei gravierenden Unterschieden: a) auch für Absätze und Zeilenumbrüche sieht und braucht man HTML-Markierung, also p und br, und b) die Blöcke sind allesamt am Anfang und Ende markiert mit zum Beispiel !– wp:paragraph –. Diese HTML-Ansicht hilft mir manchmal immer noch, Fehler zu identifizieren. Dein Design sieht ja eh noch taufrisch aus, auch auf dem Handy.

    Link zu ganz ursprünglich formatierten Einträgen: Die sehen auf der Vorderseite meist genau so aus. Aber ich habe viel mehr mit Zeilenumbrüchen gearbeitet, also br, ein Gestaltungsmittel, das ich jetzt kaum mehr verwende. Zwischenüberschriften waren oft einfach gefettete Absätze, heute benutze ich die Überschriften-Hierarchie. Sehr viel CSS, keine CSS-Klassen. Und früher habe ich Tweets ordentlich embedded, mit dem von Twitter gestellten Einbettungscode, später dann einfach die Tweetdresszeile eingetragen und WordPress den Rest machen lassen. (Das erste hatte den Vorteil, und hat ihn immer noch, dass der Tweet-Text mit gespeichert und etwa dann angezeigt wird, wenn das Original gelöscht wird oder Twitter nicht mehr ist.)

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