Bob Blume fragt, wie „in der eigenen Schulzeit gutes Lernen, d.h. was an Projekten, Stunden und gemeinsamen Arbeiten in Erinnerung geblieben ist.“
Schöne Erinnerungen an Schule habe ich sehr viele. Schöne Erinnerungen an Unterricht auch. Meine mündliche Beteiligung war wohl ordentlich, obwohl ich das Gefühl hatte, mich nicht viel zu melden und eher passiv zu folgen. Das heißt wohl, dass ich lediglich mich für meine Verhältnisse zurückgehalten haben mag. Aber ich habe aufgepasst (auch wenn ich nebenbei gemalt oder gelesen habe, aber das hat dem keinen Abbruch getan) und ich habe meine Hausaufgaben gemacht – zwar immer wieder erst in der Straßenbahn, oder kurz vorher von einem Mitschüler abgeschrieben, aber auf jeden Fall habe ich in den Minuten vor jeder Stunde das Heft aufgeschlagen und geschaut, was wir gemacht haben. Erst in der Oberstufe habe ich sehr viel häufiger blau gemacht, als ich das von Schülern heute akzeptieren würde. Aber damals war das auch unkompliziert, es gab keine strenge Anwesenheitskontrolle, kein lästiges Nachfragen, man ging halt einfachs ins Café und holte den Stoff irgendwie nach. Und in der Oberstufe strickte der halbe Kurs im Unterricht – bei den meisten Kollegen würde das heute zum Aufstand führen.
Mit dieser Methode musste ich zu Hause kaum etwas tun. Ich kann mich in der Unterstufe (oder garin der Grundschule?) an Matheaufgaben erinnern, über denen ich lange rätselte, weil ich nicht wusste, worauf sie hinauswollten, aber das gab es später nicht mehr. Auch fürs Abitur musste ich kaum lernen – die schriftlichen Prüfungsfächer Deutsch, Englisch und Mathematik erforderten keine nennenswerte Vorbereitung, für Religion las ich interessiert die Sekundärliteratur.
Erst an der Uni musste ich plötzlich anfangen zu lernen. Und zwar einmal am Schluss, zum Staatsexamen (wo es zum ersten Mal unangenehm war, also Arbeit) und einmal am Anfang, bei den Grundlagen der englischen Sprachwissenschaft. Ich erinnere mich mit Vergnügen daran, wie ich am Mittagstisch sitze, einzelne Laute forme und dazu „Plosiv“, „Affrikate“, „Frikativ“ sage, und labio-dental und alveolar und stimmhaft und so weiter. Das war reines Auswendiglernen, und sehr befriedigend:
Danach kriegten wir eine Liste von Begriffen, die wir zur Zwischenprüfung kennen sollten, und die kannte ich dann auch bis zur Zwischenprüfung.
Das war ebenfalls reines Auswendiglernen und ebenfalls sehr befriedigend: Der Knackpunkt ist halt der, dass man beim Lernen von Begriffen wissen muss, ob man etwas verstanden hat oder nicht. Den Schülern, die das selbst herausfinden können, kann man auch einfach ein Buch oder ein Internet vorsetzen.
Zurück zur Schule. Ich fand das schon als Schüler toll, dass ich da einfach hingehen konnte, Gelegenheit bekam, meine privaten Kontakte zu pflegen, und außerdem lief da ein Programm mit spannenden Informationen, das ich jederzeit anzapfen konnte, um mein Wissen zu erweitern. In den Gesellschaftswissenschaften nutzte ich das wenig, in den Sprachen und Naturwissenschaften und in Mathematik um so mehr. Man trifft Freunde, kann ein Buch unter der Bank lesen, und man erfährt alles über Redoxreaktionen. Natürlich fand ich das klasse.
Als anstrengend habe ich Schule nicht empfunden – wie anstrengend ist es schon, sich Hausaufgaben abzuschreiben, ein Heft sauber zu führen und kurz hinein zu schauen? Aber ich hatte vor allem das Glück, dass ich gerne Englisch las (viele Comics, später Rollenspielzeug), dass ich eine Chemiekasten zu Hause hatte, dass ich schon früh aus der Bibliothek Bücher mit Denksportaufgaben und physikalischen Experimenten auslieh. Das heißt: Auch wenn meine Eltern nicht viel lasen und kein Abitur hatten, Bildung war wichtig und ich bekam viele Lerngelegenheiten auch zu Hause. Das macht viel aus.
Stunden mit besonderer Lernlust… Kurvendiskussionen waren toll, aber nicht das Lernen, sondern einfach das Durchführen. Stochastik ebenso. Ich kann mich an Gedichtübersetzungen erinnern (Robert Frost, vom Englischen ins Deutsche), die machten Spaß. In Physik habe ich irgendwann aufgegeben und mich mit 3ern und 4ern durchgemogelt, in Geschichte und Erdkunde ebenso. Hier habe ich mal weitere Erinnerungen aufgeschrieben. Referate gab es sehr wenig.
Ich kann mich nicht erinnern, die Unterrichtsinhalt je hinterfragt zu haben. „Warum müssen wir das lernen?“, war keine Frage, die sich mir stellte – ich lernte es, weil es mich interessierte oder zu meinem Vorwissen passte, oder ich lernte es halt nicht. Ein Grundvertrauen war da, oder eine allgemeine Neugier, oder Desinteresse. Eine Resolution gegen Werther als Schullektüre (1968/69) hätte es nicht gegeben. Aber auf die Frage „Brauchen wir das für die Klausur?“ wäre ich auch nie gekommen.
Was keinen Spaß gemacht hat: Nachmittags zum Sport in eine abseits gelegene Schwimmhalle oder zu einem Sportplatz zu radeln. Bundesjugendspiele, als ich noch jung genug war, richtig mitzumachen. Einen Verweis wegegn Schwätzens zu kriegen (als total ungerecht empfunden). Pausenbrote.
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