Vor ein paar Tagen war ich auf einem Meetup in München, das Christoph Aufmhoff organisiert hat: der 1. EduMuc Stammtisch. Veranstaltungsort und Gastgeber war Google mit seinem Community Event Space am Arnulfpark – Googlebier, Häppchen, sehr feine Location. Ziel des Meetups: Kontakt zwischen allen herstellen, die sich für Digitales in der Schule interessieren. Eltern, Lehrer, Schüler, Dienstleister. Tatsächlich waren dann nur eine gute Handvoll Lehrer da, was sicher auch an dem Termin in den Osterferien lag; der Großteil waren andere Bildungsinteressierte – Anbieter von Hardware, Anbieter von Software, Anbieter von Inhalten.
Zuerst stellte Kai Wörner von der Realschule am Europakanal in einem Vortrag die Schule und seinen Umgang mit den iPad-Klassen dort vor. Kurzfassung: Diese Schüler und Schülerinnen bringen eigene iPads mit, die Schule empfiehlt einige Apps, die sie kaufen sollen; und damit wird viel und sinnvoll gearbeitet. Dazu etwas Deutschbuch-Bashing (wobei gute Deutschlehrer eh notorisch wenig mit einem Buch arbeiten), Kritik an Hausaufgaben, „4.0“ und die übliche falsche Verwendung von „Dekonstruieren“. Dafür eine schöne und überzeugende Erklärung, warum Tablet-Klassen auch nicht besser bei Prüfungen abschneiden als andere Klassen: Prüfungen bleiben herkömmlich und prüfen gar nicht die Fähigkeiten ab, die Tabletklassen erworben haben – kein Recherchieren, Zusammenbauen, Sammeln, Kooperieren.
Dann stellte Simon Köhl das Projekt serlo.org vor – im weitesten Sinn eine Lernplattform, gemeinnützig, kostenlos, werbefrei, offen; mit schulischen Inhalten aufbereitet für ein Selbststudium. Videos, Aufgaben, Lösungen, Erklärungen. Schon recht groß, aber bislang vor allem Mathematik als Inhalt. Was ich von Mathematik gesehen habe, sieht sehr gut aus. – Allerdings gibt es gerade viele neue OER-Plattformen, über die ich nicht den geringsten Überblick habe..
Simon war kurzfristig eingesprungen für Christine Debold, deren Vortrag als Lehrerin und städtische Medienpädagogin leider ausfallen musste und auf nächstes Mal verschoben wurde. Für diesen Termin ist auch André Spang als Vortragender angekündigt; ich werde wohl nicht da sein, da gleichzeitig ein anderes Meetup stattfindet – Ukulele geht vor, von wegen lebenslanges Lernen und so.
(Apropos, was heißt lebenslanges Lernen denn genau? Nach dem lernpsychologischen Lernbegriff kann man nicht nicht lernen, und wird so oder so lebenslang lernen. Es kann also nur darum gehen, was und wie man zu lernen hat – also entweder darum, sich neue Aspekte der Welt zu erschließen, um sie auch gestalten zu können, oder vielleicht auch nur: verfügbar zu bleiben für die Arbeitswelt.)
Digitale Bildung ist ein Thema, das gerade viel umtreibt. Immer lesenswert sind Maik Riecken, Lehrer und Medienbildungsexperte am Niedersächsischen Institut für schulische Qualitätsentwicklung, der kürzliche über seine Erfahrungen mit Digitalem schrieb, Andreas Kalt, der differenziert über Turbo-Digitalisierung schreibt, und Dejan Mihajlovic, der „zeitgemäße Bildung“ statt „digitale Bildung“ als Begriff vorschlägt.
Kein Thema beim Meetup waren: das Fach Informatik, Systembetreuung, Lehrerausbildung. Das sind die Themen, die mich besonders interessieren. Trotzdem, ein produktives und lohnendes Meetup.
– Etwas unorganisch hier ein paar Thesen zur digitalen Bildung:
(1) Ein Pflichtfach Informatik ist nötig. Ich glaube nicht, dass das besonders viel mit digitaler Bildung zu tun hat, sicher nur wenig mit digitalem Lernen, aber viel mit zeitgemäßer Bildung. Wer nichts von Informatik versteht, versteht die Welt schlechter.
(2) Lehrer, die privat nur minimal mit einem Computer arbeiten, werden auch in der Schule nie groß mit digitalen Mitteln arbeiten. „Minimal“ heißt: Erstellen von Arbeitsblättern und Prüfungen mit MS Word, und einmal pro Woche E-Mail, dazu WhatsApp mit Freunden oder Kindern. Wie man daran etwas ändert, weiß ich nicht. Mit dem Alter hat das jedenfalls wenig zu tun.
(3) Veränderungen müssen von oben kommen. Und: Schulen brauchen eigene Systembetreuer, und zwar keine Lehrer.
(4) Schulbücher müssen digital werden. Mit oder ohne Schulbuchverlage, das wird sich zeigen.
(5) Natürlich gibt es ganz tolles Material zum Selberlernen im Web. Das Problem ist nur, dass Schülerinnen und Schüler häufig nicht das lernen wollen, was sie gerade lernen sollen. (Das Fernziel, dann ganz auf nicht-individuelle Lehrpläne zu verzichten, interessiert mich im Moment gar nicht.) Den meisten Schülern und Schülerinnen reicht das, was sie in der Schule kriegen. Und wer das in der Schule nicht versteht, der wird auch mit Material im Web nicht besser zurecht kommen. Deswegen halte ich Bildungsmaterial, das sich unmittelbar an Schülerinnen und Schüler wendet, für nicht sehr ergiebig. Aus Büchern konnte man immer schon etwas lernen, wenn man wollte; ich glaube nicht, dass das mit Videos so viel besser gehen wird.
(6) Schüler und Schülerinnen müssten mehr Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Im Moment sind die Lehrer dafür verantwortlich und werden dafür verantwortlich gemacht. Hausaufgaben gibt es immer weniger, also auch weniger eigene Arbeit; Facharbeiten werden immer kleinschrittiger betreut, selbstständige benotete Aufsätze zu Hause wurden abgeschafft; Anwesenheiten immer penibler überwacht – wobei häufiges Blaumachen dann doch wenig Konsequenzen hat.
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