Mein amerikanischer Cousin Robert brachte meinem Zwillingsbruder und mir vor knapp vierzig Jahren ein Kartenspiel bei, das Spit hieß. Wikipedia erzählt einem mehr über dieses und verwandte Spiele, aber bei uns gab es zwei Varianten. Gespielt wurde von zwei bis vier Spielern; jeder Spieler hat dabei eine Reihe verschiedener Kartenstapel vor sich, mit einer offenen Karte oben und verdeckten Karten darunter, ähnlich einem Patience-Spiel. An die verdeckten Karten kommt man nur, indem man die offene Karte ausspielt; danach darf man die nächste Karte aufdecken.
Die Ausspielregel ist simpel: Mann kann auf eine auf den Ablagestapeln liegende Karte ausspielen, wenn die eigene Karte im Wert 1 höher oder 1 niedriger ist als die liegende Karte. Auf eine 5 kann man also eine 6 oder 7 legen, auf ein Ass einen König oder eine 2.
Der Clou: Die Spieler spielen gleichzeitig, sie warten also nicht, bis sie am Zug sind, sondern spielen, wann sie wollen und so schnell sie können – wenn sie können.
Dieses Spiel mochte ich immer sehr gerne, sicher auch, weil ich gut dabei war, aber auch, weil mir das Prinzip gefiel: Ein Kartenspiel, bei dem man nicht warten musste, bis man dran war.

Das nächste Spiel dieser Art, das ich kennenlernte, heißt FALLING (hier eine Version zum Ausdrucken und Ausschneiden). Die Spieler sind alle aus dem Flugzeug gefallen, wer als letzter unten aufkommt, gewinnt. Ein Geber gibt reihum in größerer Geschwindigkeit an alle Spieler offene Karten aus, auf die die Spieler angemessen mit ihren Handkarten reagieren müssen.

Vom selben Autor, James Ernest, gibt es das Kartenspiel BRAWL (Link). Damit simuliert man eine Prügelei zwischen zwei Figuren. Jeder Spieler hat ein Set von 35 Karten, es gibt – je nach Figur unterschiedlich zusammengestellt – Hit- und Block- und andere Karten, und auch hier legen die die Spieler gleichzeitg ihre Karten auf verschiedene Weise ab, um den Kampf zu gewinnen:
(Das wollte leider nie einer mit mit spielen. FALLING auch nicht.)
Captain Sonar ist kein Karten-, sondern ein Brettspiel. Es funktioniert so ähnlich wie Schiffeversenken, nur dass nicht ein Spieler gegen einen anderen Spieler spielt, sondern einer Viererteam gegen ein anderes Viererteam. Beide Teams sitzen einander gegenüber, einen kleinen Sichtschirm dazwischen, damit man nicht sieht, wo die Schiffe sind – wie das halt so ist beim Schiffeversenken. Zu jedem Team gehören: Captain, Funker, Bootsmann, Bordingenieuer. Und auch hier spielen beide Teams gleichzeitig, ohne sich an eine Zugreihenfolge zu halten. Damit allerdings ein Zug ausgeführt werden kann, müssen die zuständigen Crewmitglieder erst von den anderen bestimmte Informationen erfragen.
– Anders als bei Brett- und Kartenspielen kommt es bei Computerspielen häufig vor, dass sie nicht rundenbasiert sind. Eines ist mir neulich untergekommen, bei dem das besonders der Fall ist, ein Partyspiel für 2-8 Spieler, die jeweils die gleiche App auf ihren Smartphones installiert haben: Spaceteam.
Jeder Spieler ist dabei Teil einer Raumschiffmannschaft, und jeder Spieler sieht vor sich ein – zufällig ausgewähltes – Sortiment von beschrifteten Schaltern, Knöpfen, Schiebereglern. Dann fliegt das Schiff los, und um sicher zu navigieren, müssen diese Schalter und Knöpfe betätigt werden, und zwar rasch. Dazu kriegt ein Spieler als Text eingeblendet, was getan werden muss, zum Beispiel „Flux-Kompensator auf 7 stellen“. Der Flux-Kompensator gehört aber zu den Geräten, die von einem der anderen Spieler bedient werden, also muss man so lange hektisch brüllen: „Den Flux-Kompensator auf 7, um Gotteswillen, sofort den Flux-Kompensator auf 7!“, bis der andere das gemacht hat. Währenddessen kriegt jeder Spieler ähnliche Anweisungen und schreit sie hinaus, und man muss selber darauf achten, was gesagt wird, wenn man selber mit dem Bedienen dran ist.
(Es gibt auch noch ein Spinoff namens Spaceteam ESL – ESL steht für „English as a Second Language“, es ist also ein Lernspiel. Da steuert man immer noch ein Raumschiff, aber die Geräte heißen jetzt nicht Flux-Kompensator, sondern bestehen aus zu lernenden englischen Vokabeln.)
– Der Urvater von Spaceteam muss doch einfach ein Klassiker aus meiner Commodore-64-Vergangenheit sein, und zwar das großartige PSI-5 Trading Company.

Auch bei diesem Spiel geht es um hektisches Krisenmanagement während eines Raumflugs. Auch hier gibt es verschiedene Crewmitglieder – Maschinenraum, Navigation, Waffen, Radar. Allerdings gibt es nur einen Spieler, den Captain, alle anderen Crewmitglieder erhalten von diesem Anweisungen oder arbeiten mehr oder weniger selbstständig, wobei es für jede Position unterschiedliche KIs zur Auswahl gibt. Man muss mit seiner Ladung pünktlich am Ziel sein, ohne dass diese von Tribbles gefressen oder Raumpiraten gestohlen wird, man muss Angriffe abwehren und Ausweichmanöver fliegen und die Radarabteilung ans Scannen erinnern und dem Schützen sagen, welches Ziel er auswählen soll, und dem Maschinenraum, welches defekte Gerät zuerst repariert werden soll und das alles gleichzeitig und andauernd. Sehr lustig.
Ergänzung: Meine Schüler haben mich hingewiesen auf „Keep talking and nobody explodes“, das so ähnlich funktioniert wie Spaceteam: Ein Spieler sieht eine Bombe mit bis zu 11 Modulen daran – Knöpfe, Schalter, Drähte und so weiter. Die anderen Spieler haben ein Handbuch zur Bombenentschärfung und müssen sich vom ersten Spieler die Bombe und deren Module beschreiben lassen, damit sie diesem wiederum anhand des Handbuchs sagen können, welche Einstellungen er vornehmen oder welche Drähte er durchschneiden muss, um die Bombe zu entschärfen. Webseite zum Spiel, und hier ein sehr schönes Let’s-Play-Video:
Das müsste man doch alles für den Englischunterricht nutzen!
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