Mal für eine Mark gebraucht gekauft: Herausgegeben vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, erschienen zur Weltausstellung in Brüssel 1958 (Auflage 50.000). Da gab es im Deutschen Pavillon eine Bibliothek, und dies ist der Katalog dazu. 158 Seiten.
Die Bibliothek ist unterteilt in Kapitel: Welt und Mensch unserer Zeit; Kultur; Religion und Kirchen; Philosophie; Staat und Gesellschaft; Weltgeschichte; Deutsche Geschichte; Weltliteratur; Deutsche Literatur; Kunst; Musik; Theater; Naturwissenschaften; Deutschland, seine Nachbarn und die Welt; Nachschlagewerke.
Das Vorwort betont, dass es im Titel um den „geistig interessierten“ Deutschen geht und nicht um den „gebildeten“, wie auch der alte Bildungsbegriff als nicht mehr zeitgemäß und vielleicht auch nicht verwirklichbar abgelehnt wird.
Hier die erste Seite:
Man sollte vielleicht mal eine Bibliothek des geistig interessierten Schülers zusammenstellen, vielleicht begrenzt auf 50 Bände. Natürlich müssten geistig interessierte Lehrer die dann ebenso lesen.
Ich fang mal an:
- Richard P. Feynman, „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr Feynman!“ Abenteuer eines neugierigen Physikers
- Bert Brecht, Kalendergeschichten
- Gotthold Ephraim Lessing, „Die Erziehung des Menschengeschlechts“
- Wolf Schneider, Deutsch für Kenner
- …
Andererseits gibt es so etwas Ähnliches schon: Im aktuell auslaufenden Lehrplan steht für den Leistungskurs Deutsch im Lehrplan eine Liste mit weiterführenden Lektüreempfehlungen. Vielleicht sollte man damit arbeiten, diese Liste etwas kürzen und vor allem den Schülern bekannt machen. Außerdem fehlen die Naturwissenschaften in dieser Liste ohnehin; sie gilt nur für Deutsch.
Man merkt schon, ich hätte doch gerne wieder einen Kanon.
Aus dem Lehrplan für den Leistungskurs Deutsch: Lektüreempfehlungen
Grundlagentexte zur Literaturtheorie und Sprache
Aufklärung und Sturm und Drang:
- Aristoteles: Poetik (Tragödie)
- Johann Christoph Gottsched: Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen
- Gotthold Ephraim Lessing: Briefe, die neueste Literatur betreffend (17. Brief)
- Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie (75. Stück u.a.)
- Johann Georg Sulzer: Vorrede zur ersten Ausgabe der Allgemeinen Theorie der Schönen Künste
- Johann Wolfgang Goethe: Zum Schäkespears Tag, 14.10.1771
- Friedrich Schiller: Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet
Klassik:
- Johann Gottfried Herder: Briefe zur Beförderung der Humanität; 27. und 28. Brief
- Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen
- Friedrich Schiller: Ankündigung der Monatsschrift „Die Horen“
- Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise (Auszüge)
- Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater
Romantik:
- Wilhelm Heinrich Wackenroder: Von zwei wunderbaren Sprachen und deren geheimnisvoller Kraft (aus: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders)
- Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken
- Friedrich Schlegel: Athenäum-Fragment 116
- Novalis: Fragmente aus Blütenstaub; Athenäum 1798
- Heinrich Heine: Die romantische Schule
Realistische Strömungen im 19. Jahrhundert:
- Georg Büchner: Briefe; „Kunstgespräch“ aus „Lenz“
- Friedrich Hebbel: Mein Wort über das Drama
- Adalbert Stifter: Vorrede zu „Bunte Steine“
- Theodor Fontane: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848
- Arno Holz: Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze
Jahrhundertwende und Expressionismus:
- Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik
- Hermann Bahr: Die Überwindung des Naturalismus
- Hugo von Hofmannsthal: Die Briefe des Zurückgekehrten, Der Vierte (26. Mai 1901)
- Kasimir Edschmid: Über den Expressionismus in der Literatur und die neue Dichtung (z.B. über den expressionistischen Dichter)
Weimarer Republik:
- Bertolt Brecht: Anmerkungen zur Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“
- Walter Benjamin: Was ist das Epische Theater?
- Oskar Loerke: Das alte Wagnis des Gedichts
- Joseph Roth: Schluß mit der „Neuen Sachlichkeit“
- Heinrich Mann: Dichtkunst und Politik
Zwischen 1933 und 1945:
- Thomas Mann: Brief an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn (Neujahr 1937)
- Erich Kästner: Über das Verbrennen von Büchern
- Bertolt Brecht: Arbeitsjournal (Auszüge)
- Thomas Mann, Frank Thieß, Walter von Molo: Ein Streitgespräch über die äußere und innere Emigration
Nachkriegszeit und Gegenwart:
- Jean Paul Sartre: Was ist Literatur?
- Heinrich Böll: Bekenntnis zur Trümmerliteratur
- Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme
- Friedrich Dürrenmatt: Das Theater als moralische Anstalt heute
- Max Frisch: Büchner-Preis-Rede 1958
- Ingeborg Bachmann: Literatur als Utopie (5. Frankfurter Poetik-Vorlesung)
- Peter Handke: Ist der Begriff „Engagement“ auf die Literatur anwendbar?
- Franz Fühmann: Der Sturz des Engels
- Christa Wolf: Projektionsraum Romantik. Ein Gespräch
- Theodor W. Adorno: Zur Dialektik des Engagements
- Gottfried Benn: Probleme der Lyrik. Vortrag in der Universität Marburg
- Hilde Domin: Wozu Lyrik heute?
- Reiner Kunze: Konsequenzen des Ästhetischen. Münchner Poetik-Vorlesungen
Sprache:
- Platon: Kratylos
- Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen
- Johann Gottfried Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache
- Heinrich von Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden
- Wilhelm von Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (in: Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java)
- Hugo von Hofmannsthal: Ein Brief („Chandos-Brief“)
- Harald Weinrich: Können Wörter lügen? (aus: Linguistik der Lüge)
- Heinrich Böll: Die Sprache als Hort der Freiheit
- Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen
- Benjamin Lee Whorf: Sprache, Denken, Wirklichkeit
- Dieter E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache
Grundlagentexte zur Philosophie
„Im Deutschunterricht auf der Oberstufe soll den Schülern der innere Zusammenhang von Philosophie, Kultur und Literatur sowie die Relevanz des zeitgenössischen Denkens für die Literatur, aber auch für ihr eigenes Denken und Schreiben bewußt werden. Zur Vertiefung inhaltlicher Aspekte einzelner Themenbereiche des Literaturunterrichts sowie im Zusammenhang mit der Erörterung anspruchsvollerer Themen wird daher die Lektüre von Auszügen u.a. aus folgenden Werken empfohlen:“
- Platon: Phaidon
- Aristoteles: Nikomachische Ethik
- Seneca: Briefe an Lucilius
- Marc Aurel: Selbstbetrachtungen
- René Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie
- Baruch Spinoza: Über die Verbesserung des Verstandes
- Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie
- Jean Jacques Rousseau: Abhandlung über Ursprung und Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen
- Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher
- Imanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft
- Imanuel Kant: Kritik der Urteilskraft
- Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit
- Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur
- Johann Gottlieb Fichte: Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters
- Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
- Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes
- Leopold von Ranke: Über die Epochen der neueren Geschichte
- Ludwig Büchner: Kraft und Stoff
- Jakob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen
- Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft
- Wilhelm Dilthey: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften
- Karl Mannheim: Ideologie und Utopie
- Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur
- José Ortega y Gasset: Der Aufstand der Massen
- Gottfried Benn: Kunst und Macht
- Herbert Marcuse: Über den affirmativen Charakter der Kultur
- José Ortega y Gasset: Betrachtungen über die Technik
- Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde
- Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
- Karl Jaspers: Von der Wahrheit
- Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung
- Jean Paul Sartre: Bewußtsein und Selbsterkenntnis
- Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung
- Carl Friedrich von Weizsäcker: Zum Weltbild der Physik
- H.-G. Gadamer: Vom Zirkel des Verstehens
- Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit
- Helmut Schelsky: Auf der Suche nach der Wirklichkeit
- Helmut Plessner: Conditio humana
- Werner Heisenberg: Über die Verantwortung des Forschers
- Erich Fromm: Haben oder Sein
- Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung
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