Auf dem letzten Flohmarkt habe ich für einen Euro das hier gefunden:

Und das Geld ist es mehr als wert. „This is Greendale“ ist eine kleine Publikation von 45 Seiten, erschienen 1948, und zwar zum zehnjährigen Jubiläum der Kleinstadt Greendale.
Its people and life / Its hopes and ambitions / Its happenings and triumphs
Its eventful past / Its interesting present / Its challenging future
Am Anfang wird in einem epischen Gedicht („This is Greendale“) die Entstehungsgeschichte von Greendale erzählt (8 Seiten, viele Fotos). Das Gedicht ist reimlos, aber mit regelmäßigem Metrum, und sehr episch. Darauf folgt, neben weiteren Fotos, ein fünfseitiger Artikel zur Gründung der Stadt („The Story of Greendale“). Danach kommen vier Seiten „Greendale and the Future“, geschrieben von einem der Stadtplaner und Architekten.
Die ganze zweite Hälfte der Broschüre machen Gratulationsanzeigen von verschiedenen Geschäften und Institutionen in Greendale und Milwaukee aus: Greendale Drug Store Inc. („Visit Our Modern Soda Grill“), Greendale Poultry Farm („FRESH EGGS FROM ME TO YOU“), Loomis Center Garage („When Your Engine or Generator Goes / Plop – Come to Our Shop“). Greendale Barber Shop, Beer Depot, Grill, Radio Sales and Service Shop, Sewage Treatment Plant und viele viele mehr.
Gegründet wurde die Stadt zusammen mit zwei weiteren „Greenbelt Towns“ 1938 in Wisconsin, südwestlich der Stadt Milwaukee. Auftraggeber war die Regierung. Drei Ziele waren mit der Gründung verbunden: 1. Eine neue Art von Vorstadtsiedlung zu schaffen, die die Vorteile vom Leben in der Stadt und dem auf dem Land verbinden sollte. 2. Hochwertigen Wohnraum zu schaffen für mittlere Einkommen und damit die Innenstadt von Milwaukee zu entlasten. 3. Arbeit zu schaffen für Tausende von Arbeitern, die die Stadt errichten sollten.
Denn 1936, als die Planungen begannen, herrschte immer noch die große Depression, die erst der Zweite Weltkrieg wirklich beenden sollte. Die ersten Maßnahmen von Präsident Franklin D. Roosevelts „New Deal“ zur Überwindung der Depression griffen allerdings schon mehr oder weniger, darunter eben auch sozialer Wohnungsbau in der Art von Greendale.
Greendale bestand 1938 aus 572 Wohneinheiten in 366 Gebäuden, davon 52 Wohneinheiten mit einem Schlafzimmer, 230 mit 2, 272 mit 3 und 18 mit 4 Schlafzimmern. Gartengröße, Baumaterial, öffentliche Gebäude, Schule, Kläranlage, Beleuchtung – alles wird erklärt. Einziehen durfte man unter bestimmten Bedingungen, je nach Familiengröße musste zum Beispiel das Jahresgehalt zwischen 2000 und 3500 Dollar liegen. Die Miete für die kleinsten Wohnungen war 34, für die größten 46 Dollar.
Die Funktion des Waldgürtels um Greendale wird erklärt, die spezielle Anlage der Fußwege, die es ermöglicht, zur Schule zu gelangen ohne über Straßen gehen zu müssen; die Sackgassenbauweise, die zu schnelles Fahren verhindert.
1948 lebten 2810 Menschen in Greendale, in 635 Familien. Will jemand wissen, wieviele Familienoberhäupter Angestellte waren, Arbeiter, Studenten, Pensionisten, im Gaststättengewerbe? Steht alles drin, und noch viel mehr.
Wunderbar charmant.
Da muss man sich doch fragen, was heute aus Greendale geworden ist. Google und Google Earth geben die Antwort:
Greendale heute
Koordinaten für Google Earth: 42°56’26“ N und 87°59’45“
Einwohnerzahl heute: 14405 (also fünfmal soviel wie 1948).
Was ist aus den Plänen für die Zukunft geworden, die die Broschüre 1948 vorstellte? Das schreit doch geradezu nach einer kombinierten Facharbeit Erdkunde/Englisch, finde ich.
Besonderer Bonus: „Greendale“ ist ein häufiger Name für amerikanische Kleinstädte. Neil Young hat ein Konzept-Album namens „Greendale“ gemacht, über eine fiktive Kleinstadt dieses Namens und die Geschichten darin. Und einen Film gibt es dazu auch, und noch viel mehr. (Kollege Z. kennt sich da besser aus.) Auf dieser Seite kann man sich einen Stadtplan von Neil Youngs Greendale anschauen und beginnen, das Städtchen zu erforschen.
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