
Eines der besten Bücher meiner letzten dreißig Lesejahre. Immer noch.
Vor zwanzig Jahren habe ich es zum letzten Mal gelesen, zwei- oder dreimal. An vieles konnte ich mich noch erinnern, anderes hatte ich vergessen.
Ich wusste noch sehr gut, dass ich Gatsby erst nach diesem Buch gelesen hatte, und dass meine Lektüre sehr davon beeinflusst war: „So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past“ – dieser Schlusssatz spielt eine große Rolle bei John Irving. Und deshalb kann ich Gatsby nur so lesen, wie er im Buch mir und anderen vor-gelesen wurde.
Vergessen hatte ich allerdings, dass ich Lucia di Lammermoor auch dem Hotel New Hampshire verdanke. Das ist die Oper, die ich vermutlich am besten kenne, wenn auch nicht wirklich gut. Aber ich habe mehrere Aufnahmen davon und kann mich noch an die Langspielplatte aus dem Plattenschrank meiner Eltern erinnern. Die kann ich eigentlich nur wegen John Irving herausgesucht haben aus den vielen anderen Platten.
Zum Buch selber: Damals ein großer Bestseller. Den hatte man natürlich gelesen. Eine Achterbahnfahrt, grotesk, poetisch, traurig, sentimental, bizarr, märchenhaft. Sicher nicht fehlerfrei, aber was mich heute stört, hat mir damals nichts ausgemacht. Ich habe viel gegrinst beim Lesen und oft hatte ich Angst, weiterzulesen, weil mir die Personen ans Herz gewachsen waren und Irving ziemlich abrupte Wendungen zuzutrauen sind. Was heißt abrupt: Er deutet sie auch gerne mal vorher an, was die Sache nicht leichter macht.
Fast sprichwörtlich waren: „Keep passing the open windows.“ „Blood and Schlagobers.“ „Sorrow floats.“ Und der Mann im weißen Dinner Jacket.
Einfluss hat das Buch auch auf meine Salinger-Rezeption gehabt. Der Catcher in the Rye gefällt mir hervorragend, aber meine Favoriten sind die Geschichten um die Glass-Familie – „Franny and Zooey“, „Raise High the Roofbeam, Carpenters“, „Seymour: An Introduction“. (Seymour ist derjenige, der in „A Nice Day for Bananafish“ nicht mehr an den offenen Fenstern vorbeigehen konnte.) Beide Familien sind kinderreich, verschroben, gequält, sehr liebevoll im Umgang miteinander. Die Glass-Kinder verbrachten ihre Jugend als Showbusiness-Kuriositäten, die Berry-Familie von John Irving wird in späteren Jahren zum Medien-Liebling. In beiden Familien heißt ein Kind Franny.
Die Glass-Kinder: Seymour, Franny, Zooey, Buddy. Die Berry-Kinder: Frank, Franny, John, Lilly, Egg. Vielleicht will ja mal jemand eine Facharbeit daraus machen? Jedenfalls steht Salinger als nächstes auf meiner Wiederlesenliste.
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