Am Anfang der Woche in der Süddeutschen ein Interview mit einem Lehrer, wer’s lesen will. manche sinnvolle Sachen stehen drin, die zur Arbeitszeit sind es allerdings weniger. („Chemie- und Sportlehrer“.)
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Gestern wurde also das Zensurgesetz beschlossen. Selbst die Tagesschau hat Unwissenheit demonstriert, indem sie behauptete, wer nach dem Stoppschild weiter auf die gestoppte Seite klicke, mache sich strafbar. Darum geht es nicht. Da gibt es kein „weiter“, auf das man klicken kann, darum geht es ja.
Dazu, wie sehr das Stoppschild Kinder schützt:

(Quelle)
Dazu, wie bald Urheberrechtsverstöße, Glückspiel und Killerspiele als Nächstes zensiert werden:
Köln (ots) – Der CDU-Bundestagsabgeordnete und baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl will über die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet hinausgehen und hat auch die Sperrung von Killerspielen ins Gespräch gebracht. „Wir prüfen das ernsthaft“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitag-Ausgabe). „Wir gehen nach Winnenden nicht zur Tagesordnung über. Wenn es einen Nachweis gibt, dass sich Killerspiele negativ auf das Verhalten Jugendlicher auswirken, dann kann das Internet kein rechtsfreier Raum sein.“ (Kölner Stadt-Anzeiger, inzwischen auch Focus)
Das ist von gestern abend, ähnliche Vorstöße hat es schon mehrere gegeben. Ich mache gerade im Deutsch-Unterricht beim Erörtern etwas Logik: Der letzte Satz ist ein tolles Beispiel für pseudologische Aussagen, werde den in der nächsten Stunde meinen Schülern vorsetzen.
Am Vormittag hatte ich mit meinem Leistungskurs das Thema diskutiert. Nachdem wir gerade als Erörterungsthema Urheberrecht haben, war es auch angemessen, etwas über Zensur zu sagen – was der Unterschied ist zwischen Zensur und Verbot und Indizierung und und FSK und so weiter. Und dass laut GG Artikel 5 keine Zensur stattfindet.
Das Problem verstehe ich schon: Wenn in einem Land etwas legal ist und in einem anderen nicht – Glücksspiel also, oder Bücher, die in den USA bereits in der public domain sind und in Europa noch nicht (viele frühe Wodehouse-Titel), oder volksverhetzende Literatur (in den USA ist die Meinungsfreiheit höher gestellt als in Deutschland, das Zitierrecht übrigens auch), oder Angriffe auf das Türkentum oder Erinnerungen an das Tian’anmen-Massaker – wie soll man dann damit umgehen? Jeder Staat hat das Recht, seinen Bürgern das vorzuenthalten, was er beschließt? Vermutlich. Aber erstens: Nicht ohne die Judikative. Und zweitens: Bei der Kinderpornographie greift dieses Argument natürlich überhaupt nicht.
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Und noch etwas aus der Schule: Ein KMS vom 4.6.2009 regelt die Gewährung von Freiplätzen bei Klassenfahrten neu. Freiplätze dürfen nur noch genommen werden, wenn sie a) angeboten werden, ohne dass man darum gebeten hat und b) diese Freiplätze nicht den Lehrern zugute kommen, sondern auf die Gesamtkosten umgelegt werden, so dass es für die Schüler billig wird. Im Klartext: Schüler und Eltern dürfen auch nicht indirekt oder irgendwie einen Teil der Lehrerkosten übernehmen. Die muss das Land Bayern ganz alleine zahlen. Ich wüsste allerdings nicht, dass dafür Geld da ist. Es wird also entweder weniger Fahrten geben oder die Lehrer werden wieder unrechtmäßigerweise dazu gezwungen, ihre Fahrtkosten selber zu zahlen. Das hatten wir doch schon.
Wer im Moment allerdings schon eine Fahrt anderweitig geplant hat, darf die noch durchführen. Denn: „Derzeit finden sich noch anderslautende Regelungen in den Bekanntmachungen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zu Schul-/Studienfahrten und Fachexkursionen vom 12.02.2007 (dort Ziff. 2.2) und zu Schülerwanderungen vom 12.02.2007 (dort Ziff. 2.6).“
— Wie öffentlich sind diese KMS (Schreiben vom Kultusministerium) eigentlich? Online findet sich da und dort gelegentlich eines, aber eine Sammlung dazu kenne ich nicht. Dabei stehen da oft bindende Anweisungen drin. Ich habe meine aktuellen Informationen aus der Schule, mache aber nur öffentlich, was ohnehin im Web steht: Für die bayerischen Realschulen gibt es diese Informationen (Nachrichten des/der Ministerialbeauftragten Oberbayern West, auch als Feed), im entsprechenden Bayerischen Gymnasialnetz ist nichts dergleichen
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England hat ja seit einigen Wochen einen Skandal wegen unkontrollierten und exzessiven Spesenanforderung von Abgeordneten. Für die abstrusesten Dinge, zum Beispiel eine Insel mit Häuschen für die Enten im privaten Teich des Zweitwohnsitzes. Beim Guardian haben interessierte web-kundige Bürger die Möglichkeit, in einem Gemeinschaftsprojekt zur Zeit 134.039 Seiten mit Spesenforderungen durchzuforsten. Jeder schnappt sich ein paar Seiten und schaut, ob etwas Interessantes darin steht. 54.402 Seiten sind im Moment noch zu sichten. Nachtrag: Die Seitenzahlen wachsen täglich.
Step 1: Find a document
Step 2: Decide what kind of thing it is and whether its interesting
Step 3: Copy out any individual entries
Step 4: Make any specific observations about why a claim deserves further scrutiny
Examples of things to look out for: food bills, repeated claims for less than £250 (the limit for claims not backed up by a receipt), and rejected claims.
Hat etwas von Schnüffelei – aber hey, öffentlich ist öffentlich. Wäre das nicht ein interessantes Projekt für einen Leistungskurs? Ein paar Dokumente habe ich mir angeschaut. Etwa 2/3 jeder Seite sind geschwärzt, also zensiert: Kritik dieser Vorgehensweise beim Guardian.
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