Deutschland hinkt schon wieder hinterher mit den Computern. Also: erstens glaube ich, dass deutschlandweite Zahlen in der Regel zu naiv interpretiert werden. Dazu unterscheiden sich die Bundesländer zu sehr von einander, auch in den Ergebnissen der so gerne zitierten Tests. In Bayern hat jeder Schüler am Gymnasium in den Klassen 6 und 7 Informatikunterricht, wer den wissenschaftlichen Zweig wählt (also: Chemie in der 8. Jahrgangsstufe statt dritter Fremdsprache), auch noch in den Klassen 9 und 10. Das ist immer noch zu wenig. Aber damit allein liegt man schon über dem deutschen Durchschnitt, wenn man den Zahlen (Welt online) glauben darf: nur jeder dritte Schüler sieht den Computer einmal in der Woche im Einsatz. Dazu kommt, dass der Computer auch mal gelegentlich außerhalb des Informatikunterrichts eingesetzt werden dürfte. (An unserer Schule sowieso; wir haben das Glück, sehr gut ausgestattet zu sein. Auch wenn wir immer noch zu wenig damit machen.)
Dann: Schüler beklagen mangelndes Fachwissen der Lehrer. Hm. Ja. Da ist schon was dran. Aber nicht viel. Ich beklage auch mangelndes Fachwissen mancher Lehrer. Dem größten Teil meiner Schüler traue ich diese Einschätzung aber nicht zu, schätze aber, dass das wenige unter ihnen davon abhalten würde, solch eine Einschätzung abzugeben.
Dann: Ich habe mal die Computernutzung an einer amerikanischen High School erlebt. Das war allerdings schon vor 10 Jahren. Mantel des Schweigens Gnadensache, sozusagen. Es kommt schon auch auf das Wie der Nutzung an. Allerdings: selbst dämlichstes Space Invaders mit Fremdwörtern bringt Schülern bei, wo welche Tasten sitzen. Aber die Zeit kann besser genutzt werden.
Nachdem ich das alles losgeworden bin: Aber ja, natürlich könnte und muss man viel mehr mit Computern in der Schule machen. Schreiben mit dem Stift bringen wir ihnen ja auch bei.
Ich arbeite zwar mit jeder Klasse immer wieder mal mit dem Computer, ob Informatik, Deutsch oder Englisch, ob 5. oder 13. Klasse, aber ich mache das unter anderem aus einem Grund nicht noch öfter: Es ist so furchtbar anstrengend, den Schülern aller Alterstufen so viele Kleinigkeiten beizubringen. „Herr Rau, der Computer funktioniert nicht.“ Bis ein Schüler verstanden hat, dass a) der Computer ausgeschaltet sein oder keinen Strom haben kann, b) der Monitor ausgeschaltet sein oder keinen Strom haben kann, c) das Kabel zwischen Monitor und Computer nicht fest sitzt, d) das Kabel auch noch ein zweites Ende hat, das man auch überprüfen muss — da ist schon viel Zeit vergangen. Dann noch die unselige Feststelltaste. Dass man aus einem .odp-Dokument kein Bild machen kann, indem man an den Dateinamen ein .jpg anhängt. Dass man eine Datei mit verschiedenen Programmen öffnen kann. Dass all das wertvolles Wissen ist, das man behalten sollte.
Dieses Wissen bringen nicht alle Schüler der Unter-, aber auch der Oberstufe mit. Ich halte dieses Wissen (aber ich bin ja auch Informatiklehrer) für wichtiger als die Fähigkeit, ein Bild vom Handy mit wenigen Klicks nach Facebook zu transportieren, ohne zu wissen, was dabei eigentlich geschieht. Dieses Wissen sollten die Schüler in der Schule erlernen. Klar, schöner wäre es, wenn die Schüler das von zu Hause mitbrächten; dem ist aber nicht so, und das werden wir auch noch viele, viele Jahre nicht voraussetzen dürfen. Aber je mehr Computer in der Schule verwendet werden, desto vertrauter werden die Schüler mit dem Rechner. In Deutsch sollte es jedes Jahr machbar sein, dass Schüler ein längeres Textdokument mit Informationen zu einem Thema, der Lektüre etwa, erstellen. Formatiert. Nach dem Computer 1×1 kann dann auch das Web 2.0 kommen. Das gilt für Lehrer noch mehr, und da zieren sich manche Kollegen tatsächlich.
Bei Beehive steht eine Einschätzung der Situation, die mich überzeugt. Warum es bald wieder Initiativen geben wird, die Lehrer mit Computern vertraut machen sollen, das aber nicht erreichen werden.
Ich misstraue übrigens einfachen Lösungen. Am eingliedrigen Schulsystem wird das deutsche Bildungswesen genau so wenig genesen wie an Web2.0, wie am Sprachlabor oder am Computer oder an neuen Schulbüchern. Es sind eher viele Kleinigkeiten, an denen man ein bisschen arbeiten muss. Und dann gibt’s dann einen Synergieeffekt… was ist eigentlich mit der Synergie, davon habe ich lange nicht mehr gelesen. Gibt’s die noch, oder ist die so 20. Jahrhundert?
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