Ja, auch ich schaue am Ende des Schuljahres Filme. Zuerst haben wir uns die Strandszene aus Jaws angeschaut, knapp 5 Minuten, findet man schnell im Web. Dann haben die Schülerinnen und Schülern gesammelt, was ihnen aufgefallen ist. Im Deutschunterricht sollen die Schüler ja das genaue Hinschauen üben, das Abstrahieren von Einzelbeobachtungen, und das Deutung ganzer Texte – ob es sich um Gedichte, Verträge, Gesetze, Kurzgeschichten oder Filme handelt. Und jetzt eben mit Jaws.
Danach sahen wir uns diese Analyse zur Strandszene an:
Und danach wiederum verglichen wir die Positionierung der Elemente im Bild beim schnell geschnittenenen Mad Max: Fury Road
mit anderen Möglichkeiten, hier wieder im Videoessay:
Was sich da eigentlich hätte anschließen müssen: Ein Arbeitsauftrag, Fotos zu machen zu einer gegebenen kurzen Geschichte unter Verwendung dieser Quadrant-Methode. Aber nicht zum Ende des Schuljahrs.
Und dann gab es
Die 100 ikonistischen Einstellungen aller Zeit. Nu, über die Hyperbel mag man streiten, und über die konkrete Auswahl und die auswählende Institution auch – aber Tatsache ist, dass ich als enkulturierter Filmeschauer einen Großteil dieser Einstellungen kenne. Zum Teil, weil ich die Filme gesehen habe, zum Teil, weil die so berühmt sind, dass man sie auch kennt, ohne den Film gesehen zu haben: Sie sind kanonisch. (Aus Panzerkreuzer Potemkin fehlt allerdings die Treppenszene, dafür gibt es einen anderen Ausschnitt).
Meine Schülerinnen und Schüler… einen Großteil der Filme und Einstellungen kannten sie wohl nicht. Aber eine halbe Sekunde 2001: A Space Odyssey hat gereicht, dass ein Schüler das erkannt hat, und wir reden hier nicht von einem fliegenden Knochen oder einer Raumstation. Das beweist, dass eine einzelne Einstellung ikonisch sein kann. Ein anderer Schüler hat Easy Rider erkannt, und das im Jahr 2015. Bei The Sound of Music musste ich dann kurz anhalten und Erklärungen abgeben, wie ich auch sonst immer wieder mal pausiert und die angeforderten Zwischenrufe eingeholt habe. Ein oder zweimal haben die Schülerinnen auch mehr gewusst als ich.
Zum Schluss sahen wir uns die 100 Einstellungen noch einmal an, diesmal mit eingeblendeten Titeln.
Ist dieses Filmwissen nutzloses Wissen? Nein. Nutzlos wäre es, wenn man jeweils nur den Film benennen könnte. Aber ein Filmfreund weiß auch, warum diese Einstellung ikonisch wurde, warum der Film in diese Liste aufgenommen wurde.
Gibt es eine Liste der hundert (oder zehn) ikonischsten Anfänge von Romanen, oder Schlusssätze? Sicher. Freuen würde ich mich über die zehn wichtigsten Metaphern der Literaturgeschichte. Oder Symbole. (Höre ich da „Chiasmen“? Es gibt keine wichtigen Chiasmen.)
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