Jan-Martin Klinge hat geschrieben, dass er in der Schule entscheidet; Dejan Mihajlovic widerspricht und macht daraus eine Blogparade; Tom Mittelbach nimmt daran teil und wer das nicht so sieht wie er, „wird regiert von einer tief sitzenden Angst“. Dass es andere Gründe gibt, zieht er – zumindest in seiner Formulierung – nicht in Betracht.
Der Hauptgrund, warum man Klassen wenig entscheiden lässt, ist meiner Meinung nach vielmehr der, dass das effizienter ist. Privat entscheide ich selber ungern, bin alles andere als ein Alphamännchen. Aber wenn halt, zefix, niemand sonst entscheidet, dann kann ich einspringen – das habe ich im Referendariat gelernt. Im Studium standen wir nach dem Kino noch laneg herum und konnten uns nicht entscheiden, ob wir jetzt noch in ein Café gehen sollten, und wenn ja, welches, oder doch eine Kneipe, oder zu einem nach Hause… das habe ich keineswegs als unangenehm empfunden. Im Studium. Im Referendariat hatte ich dann keine Zeit – oder keine Geduld – mehr für dieses Herumstehen, und wenn es mir zu viel wurde, habe ich entschieden oder auf eine Entscheidung gedrängt.
Ich rate jedem Lehrer, im Unterricht klarzumachen, dass er oder sie der Chef ist. Wer das anders handhaben will: gerne, es gibt viele Arten, ein guter Lehrer zu sein. Aber im gegenwärtigen System bin ich nun mal auch formal und rechtlich der Chef, diese Rolle nicht anzunehmen, halte ich für albern und unehrlich. Andere Systeme als das gegenwärtige sind denkbar, aber um die geht es hier nicht.
Dejan fasst den Begriff der Partizipation weit: „Echte Mitbestimmung an Schulen bedeutet, dass Schüler*innen bei allen das Zusammenleben betreffenden Ereignissen und Entscheidungsprozessen miteinbezogen werden.“ Das stößt bei mir erst einmal auf Widerspruch, der aber nicht gerechtfertigt ist: Das Miteinbeziehen kann die Form von (reiner) Information sind, von Mitsprache, aber eben auch von Mitentscheidung. Und dann gebe ich ihm völlig recht: Bei allen Entscheidungen, die das Zusammenleben aller an der Schule betreffen, ist das Minimum das transparente Vorgehen und die Information der Beteiligten, und bei manchen Entscheidungen ist Mitsprache oder Mitentscheidung sinnvoll.
Am wenigsten Spielraum sehe ich bei den fachlichen Inhalten: Da gibt es den Lehrplan, und den kennt nur die Lehrkraft und sie ist verantwortlich für dessen Erfüllung. Bei Schullektüren lasse ich mir Vorschläge der Klasse machen und entscheide dann selber, oder entscheide, welche Vorschläge die Klasse zur Auswahl erhält. Das mache ich auch von vornherein klar. Notengebung: da halte ich wenig von Mitsprache oder gar Mitentscheidung, aber Information sollte es mehr geben als bisher. (Ob man damit die völlig überzogen wahrgenommene Wichtigkeit von Noten zurückdrehen kann: anderes Thema.)
Sehr viel ungenutzten Spielraum sehe ich bei der Hausordnung und Veranstaltungen. Vielleicht fällt mir das auch leichter, weil das außerhalb meines Unterrichts liegt; die Schulleitung – in deren Bereich das fällt – hat sicher wieder ganz andere pädagogische und sonstige Interessen als ich. Jedenfalls hätte ich da sehr gerne sehr viel mehr Beteiligung der Schülerinnen und Schüler. Nur: ebendiese wollen das nicht. Verstehe ich auch – als Schüler habe ich Schule als sehr willkommene Dienstleistung empfunden, und hätte es als Zumutung empfunden, wenn ich mich in irgendeiner Form über den Unterricht hinaus hätte einbringen müssen. Dejan zitiert Jan-Martin: „Die Wahl zu haben, überfordert sie, macht sie unglücklich.“ Ich glaube, das stimmt. Ich würde sie aber gerne dazu kriegen, wählen zu wollen und mitzuentscheiden. Wie das geht, weiß ich aber nicht. Und ich bin mir nicht mal sicher, dass das nötig ist, um später aus ihnen bessere Demokraten zu machen. Vielleicht. Ich versuche, im kommenden Schuljahr die Augen aufzuhalten, was geht. Für den Anfang wäre ich schon mit besseren Informationsstrukturen an meiner Schule zufrieden – vor allem innerhalb der Schülerschaft gibt es da nichts. Und so etwas wie eine Presse bräuchte es vielleicht.
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