Angefangen hat es damit, das Philippe Wampfler, ein Schweizer Deutschlehrer und Medienmensch, über irgendetwas im Zusammenhang mit dem Microsoft Office 365 schrieb, das an seiner Schule eingesetzt wird. Das ist so eine Art Google Drive, also eine Möglichkeit, online Text- und andere Dateien zu erstellen, zu verwalten und mit anderen gemeinsam zu bearbeiten.
Daraus wurde dann bald eine Diskussion um Dateiformate: .docx sei nicht wirklich offen; dann: aber für die Schüler und Schülerinnen schon, weil aus allen verwendeten Programmen heraus nach .docx exportiert werden könne. Philippes Aufgabe sei nicht zu missionieren, sondern (seine Schüler und Schülerinnen) zu befähigen:
Das ist eine alte Debatte. Die Argumente im Artikel sind aus der Perspektive von offenen Programmen aus verfasst, nicht aus der von Nutzer*innen. Meine Aufgabe ist nicht zu missionieren, sondern zu befähigen.
— Philippe Wampfler (@phwampfler) 26. Oktober 2018
Ähnlich sieht das Arne Paulsen:
Verstehe immer das Entweder- Oder nicht. Haben in der Schule MS Office und LibreOffice, SuS bringen PPT, DOCX, DOC, ODT, GoogleSlides und und und…
Ist nicht die Vielfalt der Formate der eigentliche Vorteil?
SuS nutzen, was sie beherrschen, mich interessiert der Inhalt.— Arne Paulsen (@die_reine_leere) 27. Oktober 2018
Dass es nur darum, was die Schüler und Schülerinnen mit denen ihnen vorgesetzten Programmen anstellen können, halte ich für eine zu eingeschränkte Sicht. Die Sicht begegnet mir in anderen Bereichen auch: dass Digitale wird alles transformieren und die Schule völlig umkrempeln – dass das mit Microsoft-Produkten geschehen soll, ist gar kein Thema. Netzpolitische Themen wie Netzneutralität sehe ich in der Twitter-Medienmenschen-Szene nie diskutiert. Die anderen schwören auf Apple-Produkte, wie toll, zu was die Schüler und Schülerinnen mit einem iPad alles befähigt werden!
Dabei habe ich gar nichts gegen Microsoft- oder Apple-Produkte. Ich mag mein Windows, und iPads sind schöne Geräte. Wer mit Word arbeiten möchte: unbedingt, gerne! Android oder IOS, alles willkommen, da begrüße ich die Freiheit, verschiedene Plattformen zu nutzen.
Aber die Frage, welches Dateiformat propagiert werden soll, ist eine andere, welches Progamm man benutzt, oder sollte eine andere sein. Wenn Arne oben schreibt, dass die Vielfalt der Formate ein Vorteil sei: Nein, eigentlich nicht. HTML ist ein einigermaßen einheitliches Format, und eben weil das so einheitlich ist, hat sich das WWW so schnell entwickelt. Schlimm genug, dass immer noch jeder Browser CSS oder HTML ein wenig anders interpretiert; es ist großartig, dass ich die eine HTML-Seite mit vielen verschiedenen Browsern ansehen kann – eben weil es ein weitgehend einheitliches Format ist.
Auch JavaScript ist ein einheitliches Format, eine Programmiersprache, die von Browsern interpretiert wird und auf den meisten Webseiten eingesetzt wird. Hier hat sich glücklicherweise das Microsoft-eigene Spezialanfertigung JScript nicht durchsetzen können: das hatte nur der Internet Explorer vollständig implementiert.
Mp3 ist nicht das beste Format, aber es ist ein einheitliches Format, das von vielen verschiedenen Programmen korrekt interpretiert wird: Es ist egal, ob man eine mp3-Datei im Browser anhört, mit WinAmp, iTunes, mit was auch immer. Eben dieses einheitliche Format hat zu Tauschbörsen, Rechtsprechung, neuen Geräten geführt. (Soll ich jemandem eine Real-Audio-Datei schicken? Ich habe noch welche, glaube ich.)
Klar: Sobald es um spezialisierte Anwendungen geht, sind Formate, die spezifisch zu einem konkreten Programm gehören, nicht wegzudenken. Tonschnitt-, Videoschnitt-, Bildbearbeitung, ordentliche Layoutprogramme. Da gibt es Formate fürs fertige Produkt, .jpg und .png und .svg etwa, wo ich auch wieder die freie Wahl bei Programmen habe, und die Formate, die Bearbeitungszustände speichern, produktspezifisch. Bei Office-Anwendungen muss das nicht sein.
Warum das wichtig ist: Die eine Englisch-Kollegin arbeit mit Pages, wird also ihre Dateien nie den Kollegen zur Verfügung stellen können. (Wobei: Auch hier ist ja gar nicht Pages das Problem, sondern das voreingestellte Pages-Dateiformat, mit dem letztlich nur Applenutzer arbeiten können.) Die andere Kollegin fragt nach Möglichkeiten, billig an Schullizenzen für Microsoft-Office zu kommen; sie arbeitet nun mal seit Jahren mit Microsoft Word und kann sich daher von .docx nicht lösen. Alles kein Problem, wenn nicht doch immer wieder der Wunsch aufkäme, Material zu tauschen, oder von mir erwartet werden würde.
Für die Mediendidaktik scheint mir die Lösung so auszusehen: Na, dann kaufen wir halt für alle Microsoft. (Deshalb halten ja Firmen, die parallel zu ihrer konkreten Software ein konkretes Format erzeugen, das Format nicht kompatibel: Damit sie ihre Programme verkaufen.) Dass man das aus Pragmatismus sagt, weil man sich lieber ein anderes Schlachtfeld aussuchen will, um dort zu scheitern: absolut verständlich. Aber das ohne Scham oder Problembewusstsein zu sagen, das verstehe ich gerade bei Medienbildnern nicht.
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