Ich weiß zwar nicht, was das bedeutet, aber ich kann ja mal einen Blogeintrag darüber schreiben. Vielleicht weiß ich danach mehr. Es wird a bissele was für Nerds werden, Verzeihung.
Superrationalität bei Hoftstadter
Neulich, vor vier Wochen vielleicht, las ich bei Twitter einen Beitrag, ich glaube, es war eine Abstimmung. Da musste man für eine von 4 Optionen stimmen, ohne die bisherigen Stimmabgaben zu kennen, und Ziel war, eine ganz bestimmte gegebene Reihenfolge am Ende zu haben, also A B C D von mir aus. Wie soll man stimmen, wenn das das Ergebnis sein sollte, und man den aktuellen Stand der Stimmen doch gar nicht kennt und auch nicht weiß, wie die Spieler nach einem abstimmen werden? (Leider weiß ich nicht mehr, was das für ein Tweet war.)
Ich weiß nicht, ob die Antwort offensichtlich ist; ich kannte sie jedenfalls schon, weil ich über das Prinzip schon mal in einem Aufsatz gelesen hatte: In Metamagicum stellt Douglas R. Hofstadter ein ähnliches Problem vor, das Platonia-Dilemma, in gewisser Weise eine Variante meines alten Freundes, des Gefangenendilemmas. Nach einer Form davon erhalten zwanzig räumlich getrennte Spieler, die nicht miteinander kommunizieren können, eine Anweisung: Wenn nur einer von ihnen ein Antworttelegramm schreibt, erhält dieser eine 1 Million Geld. Antworten mehr oder antwortet keiner, gibt es nichts. Wie soll man sich da als Spieler verhalten?
Hofstadter schrieb das für seine Kolumne im Scientific American, und es gab dann auch einen Wettbewerb: Unter allen Einsendern einer Postkarte sollte eine Million Dollar verteilt werden. Wenn nur eine schreibt, kriegt die das ganze Geld; wenn zwei schreiben, jeder eine halbe Million, und so weiter. Und man kan sogar mehr als eine Postkarte schicken, um seine Chancen zu erhöhen! Genau genommen: Es reicht eine Postkarte, auf die schreibt man halt, wie viele Postkarten man eigentlich gerne gesendet hätte. Wie soll man sich als Spieler unter diesen Umständen verhalten?
Hofstadter führt dazu den Begriff der Superrationalität ein. Der Begriff ist, entnehme ich Wikipedia, nicht allgemein akzeptiert in der Spieltheorie; davon verstehe ich nichts. Ein rationaler Spieler, so Hofstadter, versucht einen Gewinnn zu maximieren – würde eine große Zahl auf die Postkarte schreiben, um möglichst viel vom Kuchen zu kriegen und so oder so besser fahren würde als mit einer kleineren Zahl; ein rationaler Spieler würde das Telegramm im Szenario zuvor abschicken, um nur so Chancen auf den Gewinn zu haben.
Ein superrationaler Spieler dagegen würde im Telegramm-Szenario würfeln, um mit einer Wahrscheinlich von 1/20 das Telegramm zu schicken, weil das die sinnvollste Lösung ist, wenn alle Spieler sich gleich verhalten, weil alle gleich intelligent sind, und sich so superrational verhalten würden.
Im Wettbewerb-Szenario würde ein superrationaler Spieler ermitteln, wie viele Menschen wohl den Scientific American lesen, sagen wir: n, und würde mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/n eine einzelne Postkarte losschicken. (Tatsächlich kommt das meiner Meinung nach auf die Aufgabenstellung an; egal.)
Und ein superrationaler Spieler würde auch bei der Abstimmung zwischen A, B, C und D den Zufall entscheiden lassen und sich an diese Entscheidung halten, wie jeder andere superrationale Spieler auch. Die Wahrscheinlichkeiten müssten so sein, dass A wahrscheinlicher ist als B und so weiter – ich glaube, es ging sogar um bestimmte Werte, die herauskommen sollten, aber dazu müsste ich den Tweet finden.
Das leuchtetete mir alles sofort ein, als ich das Buch damals las, so zur Bundeswehrzeit, kurz vor dem Studium. Das Wort hatte ich vergessen, und auch bei meiner wirklich sehr spärlichen Kant-Lektüre vor ein paar Jahren fiel es mir nicht ein, aber auf, weil Kant es tatsächlich deutlich sagt, wenn auch nicht in diesen Worten: Der kategorische Imperativ funktioniert nur in einer superrationalen Gesellschaft.
Funkerjargon und Ethernet-Verbindungen
Ethernet: Das ist die Technologie hinter den LAN-Kabeln, mit denen man zu Hause den Computer und den Drucker und sonstwas mit dem Router verbindet. Ein Vorgänger davon hieß ALOHA, das war ein Protokoll (also eine Regelung), um per Funk Rechner miteinander zu verbinden, und zwar auf Hawaii.
Bei Funk gibt es ja ein Problem, wenn man nur einen Kanal zum Senden und Empfangen hat. Dann muss man ausmachen, wie man das regelt, und das heißt dann Protokoll. Wenn alle dazwischenquasseln, versteht keiner was. Deswegen muss man da so Sachen sagen wie OVER und ROGER. Wikipedia erklärt diese procedure words schön, OVER heißt zum Beispiel: „Ich bin jetzt fertig und warte auf Antwort, du musst jetzt noch was sagen,“ während OUT heißt: „Ich bin fertig und geh jetzt vielleicht sogar weg, keine Antwort erwartet.“ Bei Computerspielern gibt es dann noch so etwas wie AFK (away from keyboard), vielleicht ähnliche Geschichte.
Bei Rechnern, die miteinander über ein Funknetz oder eben auch über ein gemeinsames Kabel verbunden sind, gibt es ähnliche Probleme: Die müssen auch ausmachen, wer jetzt dran ist und den gemeinsamen Kanal belegt. Eine Möglichkeit dazu heißt „Token Ring“, das ist wie bei Der Herr der Fliegen: Es gibt ein Muschelhorn, und nur wer das Muschelhorn hat, darf etwas sagen, und das Muschelhorn reicht man der Reihe nach herum, damit jeder mal etwas sagen kann. Spätere Entwicklungen haben zu einem anderen Prinzip geführt, das etwas absurder klingt, aber wohl effizienter ist: Ja, jeder darf im Prinzip gleichzeitig reden/funken/das Kabel benutzen, und wenn das versehentlich zwei gleichzeitig machen, gibt das eine Kollision. Das Prinzip heißt CSMA/CD: Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection (Wikipedia). Multiple Access: Es dürfen alle gleichzeitig. Carrier Sense: Man achtet darauf, ob der Kanal gerade frei ist oder nicht (verkürzt dargestellt). Collision Detection: Wenn es trotzdem zu einer Kollision gibt, also einem Konflikt, Durcheinanderreden, dann kriegt man das mit. Wie das geht, ist erst einmal egal.
Was macht man jetzt als Sender, wenn man versucht hat zu senden, aber eine Kollision mitgekriegt hat, sprich: die Sendung ist nicht angekommen, sondern gestört worden? Das Protokoll sagt: Na ja, man wartet ein bisschen, und dann versucht man es noch einmal.
Wenn aber alle beteiligten Rechner sich gleich verhalten, und das werden sie, weil sie einem Protokoll folgen, dann würden sie alle einfach zum Beispiel eine Sekunde warten und dann wieder gleichzeitig senden. Der nächste Konflikt ist damit, wait for it, vorprogrammiert. Was also tun? Superrational sein, wenn ich den Begriff metaphorisch verwenden darf und richtig verstehe: Jeder Sender wartet eine innerhalb gewisser Grenzen zufällige Zeitspanne und versucht dann, neu zu senden/den Kanal zu belegen. Ta da!
(Heute sieht Ethernet ein bisschen anders aus, aber das waren die Anfänge.)
Und warum das ganze? (Jetzt die Pointe.)
Die bayerische Lernplattform Mebis ist gerade massiv überlaufen. Nicht hoffnungslos überlaufen, mehr so wie bei dem Zitat von Yogi Berra, einem amerikanischen Baseballspieler der für seine „Yogi-isms“ (Beispiele) bekannt war – überraschende, widersprüchliche Aussagen, von denen ich nicht weiß, wie ernst gemeint sie waren. Etwa hier, von einem Restaurant sprechend: „Da geht keiner mehr hin, weil es da immer so voll ist.“ So ähnlich stelle ich mir das bei Mebis vor.
Ich glaube, da täte allen etwas Superrationalität gut. Oder zumindest der Gedanke: Was du gerade rational zu tun im Begriff ist, das machen gerade alle anderen auch, deshalb ist es superrational, das nicht zu tun (oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit).
Also:
- Wenn nichts läuft: Den Tag freigeben! Ein paar zufällige Stunden, wenn man davon ausgeht, dass alle Spieler superrational sind, wenn man dagegen von vielen rein rationalen Spielern ausgeht: Lieber den ganzen Tag. (Im täglichen Mebis-Wetterbericht habe ich das empfohlen. Allerdings kriege ich mit, wie die Kollegen trotzdem mit Mebis arbeiten. Ist ja auch rational… schön, wenn’s geht… aber nicht superrational.)
Bitte nicht Videos aus der Mebis-Mediathek in einen Kurs einbauen und die Schüler anschauen lassen. Das kostet Ressourcen. Streaming aus der Mediathek scheint kein Problem zu sein, da aus den Mediatheken gestreamt wird, wo die Filme tatsächlich liegen. Dennoch versuche ich die Schüler und Schülerinnen und Lehrkräfte möglichst raus aus Mebis zu halten. (Aber alle wollen sie jetzt auch noch damit spielen. Verstehe ich ja.)- Mit einer Notstruktur zufrieden sein.
- 1 mal pro Woche pro Fach muss reichen, und nicht mal jedes Fach muss etwas machen. Ich kommuniziere mit meinen Schülern und Schülerinnen einzeln über Mail, über Mebis nur eine Nachricht, und das war’s.
- Ja, man muss halt einen Tag nichtszun aushalten. Das ist machbar. Die meisten Lehrkräfte (nicht alle, you know who you are) und Schüler und Schülerinnen wollen arbeiten, aber man muss auch mal Selbstständigkeit aushalten.
- Wie schön, dass es auch für Kunst und Religion Aufträge gibt. Sinnvolle Aufträge, rational voll begründbar, schön gemacht. (…)
- „Tatsächlich wird ein großer Vorteil von Mebis, nämlichen das Einbinden von vielen interaktiven Übungen oder externen Tools wie learningApps durch die völlige under-performance [ …] zunichte gemacht.“ Scheiß auf das Einbinden von vielen interaktiven Übungen oder externen Tools. Meine Güte. (Nicht meine Schule.)
Anders als bei den Hofstadter-Beispielen oben, wo echte Superrationalität gefragt ist, bräuchte es die hier gar nicht, weil hier theoretisch Kommunikation unter den Beteiligten möglich ist. Aber sie ist halt doch eingeschränkt. Dennoch: Entweder absprechen oder selbstdenken, aber dann superrational.
(Vermutlich voll falsch verstanden, den Begriff, ich habe nicht mal die Wikipediaseite dazu gelesen. Erklärungen und Einwände gerne hier.)
Nachtrag: Es ist übrigens auch superrational, zuhause zu bleiben, auch wenn man fast ganz sicher gerade nicht vom Virus infiziert ist.
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