Treffen sich vier Identitäten in der Schule

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Eine Lehrkraft erzählte mir schon Ende letzter Woche, dass ihr Englisch-Kurs ein Referat über Chaucer halten musste. Das Referat war wohl nicht schlecht, und in den Quellen tauchte auch ich auf – weil ich in meinem Blog mal Chaucer vorgestellt und eingesprochen habe. Und heute hätten sie das noch einmal angehört, oder den Rest meines Textes. Das schafft halt doch gleich eine persönliche Beziehung zum Stoff – was etwas völlig anderes ist als wenn ich etwa in meinem Kurs selber Chaucer vorlesen würde: das wäre langweilig.

Eine andere Lehrkraft schüttelte heute noch einmal den Kopf über etwas, das letzte Woche passiert ist – sie spazierte mit Besuch aus einem anderen Bundesland durch München, und der Besuch meinte wohl regelmäßig: „Hier geht Frau Rau zur Arbeit“ und „Hier geht Frau Rau joggen“ und „Hier kauft Frau Rau ihr Fleisch“ – der Besuch verfolgt schon seit zehn Jahren das Blog von Frau Rau und weiß alles über uns. Für mich ist das völlig normal, aber die Lehrkraft an meiner Schule war etwas verwundert.

Heute war ich im W-Seminar einer anderen Lehrkraft zu Gast: Das Leitfach ist Geographie, das Thema war das Kartoffelkombinat. Das ist die gemeinnützige Genossenschaft, in der ich Genosse bin (Blogeintrag) – solidarische Landwirtschaft, gemeinsam erstandener und gepachteter Grund und Boden, Anbau mit geteiltem Risiko, Zusammenarbeit mit Partnerbetrieben. Und das nicht so weit weg von der Schule, manche Schüler und Schülerinnen wohnen in der Nähe. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollten Interview-Techniken und -Mitschrift üben; ich hatte mich vorbereitet , konnte aber trotzdem nicht alle Fragen beantworten.

Im Informatikunterricht arbeiteten wir heut mit dem schönen Programm Orinoco. In der Schule ist eine alte Version installiert, es gibt seit letztem Jahr eine Online-Version, und ein Schüler hatte sich zuhause die aktuellste Version installiert. Nur funktionierte da etwas nicht, und wir suchten kurz den Fehler und kamen zu dem Schluss: da ist ein Bug im Programm. Also schrieb ich das schnell auf Twitter an den Orinoco-Autor (eine Lehrkraft, die ich von Fortbildungen kenne), der antwortete kurz darauf, ja, sei bekannt, nur noch nicht aktualisiert. Eine Viertelstunde später hatte er die korrigierte Version hochgeladen. Das alles auf dem Smartphone in der Twitter-App, projiziert mit der Dokumentenkamera und dem Beamer. So ganz nebenbei, aber für alle sichtbar, ich habe auch kurz gesagt, was ich da mache. Ein Like gekriegt, live aus der Klasse, aber sonst weiß ich nicht, ob sie angemessen beeindruckt waren. Hallo? Bug finden, Autor melden, Antwort kriegen, Update serviert kriegen, alles nebenbei und fix mit Twitter. (Der Zweck war natürlich schon auch: zu zeigen, dass Social Media nicht böse sein muss.)


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2 Antworten zu „Treffen sich vier Identitäten in der Schule“

  1. Wie schön so ein Arbeitsalltag sein kann!

    „und weiß alles über uns“: Deswegen habe ich aufgehört, tagebuchzubloggen. Frau H. und eine Professorin, ehemalige Ehrenamtliche an der ehemaligen Schule, haben mir den Kopf gewaschen, sprich, mich überzeugt.
    Ich weiß auch, was Frau K***** macht, wo sie arbeitet, was sie arbeitet, wo ihre Wege sie hinführen. Ich habe sie auch schon getroffen, ohne sie anzusprechen. Das war beim Puck, vergangenes Jahr.
    Das will ich für mich nicht.
    Nichtsdestoweniger lese ich gerne ihre Beiträge jeden Morgen.

  2. Potato Pony

    Das W-Seminar hat heute nachmittag tapfer durchgehalten und den als Miteigentümer (Genosse) des Kartoffelkombinats vorgestellten Herr Rau gelöchert. Vielen Dank auch auf diesem Weg! Vielleicht kann ich mich mal wieder mit einer Telefonunterrichtsaktion revanchieren. Die Fragen waren teilweise etwas detailliert und ich bin gespannt auf die Zusammenfassungen. Erst dann werde ich wissen, wieviel sie wirklich kapiert haben. Es gibt aber auch den Hoferben eines Ackerbau-Großbetriebs und Nachbarn des Kombinats und eine Tochter mit organisatorischem Sozialtafel-Hintergrund in diesem Seminar, also Leute, die schon etwas eigenen Hintergrund mitbringen. Sehr schön war die Frage einer kürzlich rückgewanderten Deutsch-Schwedin nach dem sozialistischen Background der Genossenschaft, weil es doch ein „Kombinat“ ist. Habe ich da ein Vorurteil, wenn ich glaube, dass Skandinavier unsere Ironie nicht verstehen?

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