Lehrpläne, historische, Fragen an, Teil 1

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(Aus Verlegenheit gepostet, weil ich in den Sommerferien historische Lehrpläne ab den 1970er Jahren gewälzt habe und gerade sonst nicht szus chreiben habe.)

Haben sich meine Lehrkräfte an die damals gültigen Lehrpläne gehalten?

Ich frage mich das, weil ich in der 11. Klasse und in der 12. Klasse im Leistungskurs das gleiche Drama gelesen habe. Könnte heute nicht mehr so passieren. Aber zumindest das war korrekt, in 11 musste man wählen aus Iphigenie, Maria Stuart, Don Carlos, Wallenstein; für 12 und 13 war an längeren Ganzschriften vorgeschrieben: ein Drama aus demSturm und Drang (Goethe oder Schiller), einmal Klassik (Schiller), Iphigenie, Faust I (Faust II nur in Auswahl), ein Drama von Kleist opder Grillparzer oder Büchner oder Hebbel oder Hauptmann, eine Novelle von Eichendorff oder Keller oder Stifter oder Hauptmann, eine Novelle von Hofmannsthal oder Thomas Mann, zwei Romane (mindestens einer mit moderner Erzähltechnik), ein modernes Drama, eine griechische Tragödie, einmal Shakespeare, ein Werk der modernen ausländischen Literatur. – Gilt so seit 1964 und insbesondere noch 1977. Ob es danach bis zu meinem Eintritt in die Kursphase 1985 anderswo dokumentierte Streichungen gegeben hat, weiß ich nicht, ich kann mich an keine griechische Tragödie erinnern und an kein modernes fremdsprachiges Werk, der Rest war sicher da. Es ist viel mehr, als man heute liest.

Mit welchen Absichten haben Lehrkräfte die Inhalte, für die sie sich im Unterricht entschieden haben, ausgewählt?

Daran arbeite ich noch.

Waren die Lektüren, die wir gelesen haben, originell oder stammten sie aus einer Liste?

Siehe oben. In Deutsch waren sie zum Großteil eine Auswahl aus einem kleinen vorgeschriebenen Korpus, insgesamt aber schon kreativ ausgenutzt; in Englisch war nicht viel vorgegeben, wir haben deutlich mehr gelesen als das Minimum.

Ist das Gymnasium leichter geworden, genauer: steht im Lehrplan nicht mehr so viel zu Lernendes? (Die Unterscheidung von Lernzielen und Kompetenzen schenke ich mir dabei – ich habe bei der Lehrplansichtung gemerkt, dass auch frühere Lehrpläne schon zeitgemäß waren und allenfalls die Realität sich der Zeitgemäßheit widersetzt hat.)

Die Anzahl der Englisch-Vokabeln in den Jahrgangsstufen 5 bis 7 ist jedenfalls nicht gesunken:

  • 1979: in 5 und 6 zusammen 900 produktiv, 300 rezeptiv; in 7 noch einmal 200 produktiv und 300 rezeptiv (bei 6+6+4 Stunden)
  • 1992: 800 + 700 + 500 Einheiten, keine Unterscheidung zwischen produktiv und rezeptiv (bei 6+4+4 Stunden, glaube ich)
  • 2003 und danach: keine Angaben mehr, aber 2017: 7. Jahrgangsstufe 658 zu lernende Vokabeln im Schulbuch (bei 4 Stunden)

Unerwartete Erkenntnisse:

  1. Zumindest für Deutsch und Englisch stammt die vorhergehende Lehrplangeneration von 1964. Frau Rau ist bis zur 11. Klasse in Englisch durchgehend noch nach dieser unterrichtet worden.
  2. Die curriculare Lehrplangeneration von 1975ff und ihre Überarbeitungen wurden nicht für alle Fächer gleichzeitig eingeführt, manche waren früher dran, andere später. Auch wurde zuerst die Kollegstufe eingeführt und aktualisiert, bevor danach die Lehrpläne ab der 5. Jahrgangstufe erschienen.
  3. Die Lehrpläne wurden nicht von der 5. Jahrgangsstufe an nach und nach aufgebaut, sondern erschienen zumindest teilweise gleich für zwei Jahre auf einmal: Deutsch 5/6, Deutsch 7/8, Englisch 5/6 erschienen jeweils auf einmal und galten dann sofort – ich selber bin in der 5. Klasse noch nach dem Lehrplan von 1964 unterrichtet worden (mit einem Buch aus dem Jahr 1971), aber der 6. dann nach dem Lehrplan von 1979 (und demselben Buch; es war für zwei Jahre gedacht). Seit 1992 versucht das Kultusministerium das zu vermeiden, so ein Wechsel mittendrin kam zwar dann doch zweimal vor, aber nur wegen plötzlich eingeführter Einführung und danach Abschaffung des achtjährigen Gymnasiums.
  4. Ich hatte vergessen, dass zu meiner Jugend die Realschule in der Regel erst ab der 7. Jahrgangsstufe begann. Zu meiner Schulzeit ging man nach der 4. Klasse ins Gymnasium oder auf die Orientierungsstufe der Hauptschule, wechselte dann nach der 5. Klasse in die 5. des Gymnasiums oder entschied sich nach der 6. Klasse für Realschule oder Hauptschule. Da wurde also zumindest teilweise länger gelernt. Am Anfang des Jahrtausends wurde das geändert, so dass alle gleich nach der 5. Jahrgangsstufe getrennt wurden; erst das entwertete die Hauptschule in einem bis dahin nicht gekannten Maß – bis dahin hatte es relativ leistungswillige und leistungsfähige und nicht demotivierte Klassen in 5 und 6 gegeben.
  5. Die ganze Lernzieltheorie, die man im Studium gelernt hat, findet sich in den curricularen Lehrplänen in genau dieser Terminologie wieder: Richtziel, Grobziel, Feinziel. Die vier Kategorien WISSEN, KÖNNEN, ERKENNEN, WERTEN kann man den gängigen Lernzieltaxonomien zuordnen, die ersten drei sind sicher kognitiv, die letzte ist affektiv (und „Affektive Lernziele“ steht explizit im Lehrplan), sie sind in den Lehrplänen noch nach Anforderungsstufen unterteilt.
  6. In Englisch wurden für die Lernzielkontrolle beim Leseverstehen in der Oberstufe Multiple-Choice- und True/False-Tests empfohlen; ich kann mich nicht erinnern, die je erlebt zu haben.
  7. Der Lehrplan für den Leistungskurs Deutsch beinhaltete den Lehrplan für den Leistungskurs Deutsch: Für das Lernziel: „Fähigkeit, Prüfungsaufgaben angemessen zu bearbeiten“ steht als Lerninhalt: „Aufgabenstellung früherer Abiturprüfungen, Klausuren. Der Lehrplan des Leistungskurses.“


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Eine Antwort zu „Lehrpläne, historische, Fragen an, Teil 1“

  1. […] Herr Rau zählte Englischvokablen. […]

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