Beim Lesen von Perry Rhodan Heft 118, „Der Roboter-Sergeant“ (Dezember 1963), digital, stoße ich auf eine Stelle, die ich interessant finde. Die handelnde Figur zur Zeit ist Meech, der Roboter des Hefttitels. Meech ist mehr oder weniger humanoid und genauso intelligent und autonom wie jede andere Hauptfigur. Es gibt nämlich, Fußnote, im gleichen Band auch andere Roboter, die alle als stupide und keineswegs auch nur annähernd menschlich geschildert werden, und zwar prinzipiell, weil Roboter nun einmal so sind.
Dieser Meech versucht, unbemerkt in eine technisch geschützte Station des Gegners einzudringen. Dabei tastet er die Wand ab nach einer Druckplatte, die ein Luk öffnet, und weil er ein Roboter ist, hört er die elektronische Kommunikation des Computers mit, der die Wand überwacht.
Er hatte das kühle Plastikmetall kaum berührt, als er die rasche Folge der Impulse spürte.
Es waren fremde Zeichen. Aber Meech verstand sie. Sein Programm umfaßte eine Reihe von Sprachen – Robotersprachen. Er hörte:
1F(T) 990, 991, 200
990 CALLSUP
Nach kurzem Stutzen denke ich mir: Cool. Die Sprache, die Befehle, die Anweisungen, die Meech hört oder wahrnimmt, das sieht doch aus wie Programmcode! Das 1F vorne ist sicher ein Scanfehler bei dem ansonsten ausgezeichnet redigierten Text, an dem sich manche seriösere Verlage ein Vorbild nehmen könnten. Glücklicherweise hat man, ahem, das Heft auch in Papierform in einem leicht zugänglichen Karton und kann das überprüfen: da steht, in einem tatsächlich etwas wenig eindeutigen Font, eindeutig IF.
(Diese schöne Leistung wird nur mäßig geschmälert dadurch, dass auf der folgenden Seite der Code wiederholt wird, diesmal mit dem korrekten IF. Aber da hatte ich natürlich schon das Original gezückt gehabt.)
Wir haben hier einen Fall, in dem Computer beziehungsweise Roboter miteinander kommunizieren und diese Kommunikation in einer Programmiersprache ausgedrückt wird, eben anhand von:
IF(T) 990, 991, 200
Der Ablauf wird danach im Text erklärt: Abhängig von der Bedingung T wird Zeile 990 ausgeführt, oder Zeile 991 oder Zeile 200. Mit einem dreiwertigen IF bin ich nicht vertraut und vermute einen Fehler; das wird sich nach etwas Recherche allerdings klären; es ist tatsächlich völlig korrekt so.
Wir haben sogar so etwas wie Interrupts. Denn während das gegnerische Computersystem kurz davor steht, die Zeile 990 auszuführen, was einen Alarm auslösen würde:
990 CALLSUP
(call support? superior? supervisor?), schickt der Robot-Sergeant Meech ein EXEM an das System, einen Auftrag zur Ausnahmebehandlung (vielleicht für „exemption“?), und sorgt dafür, dass das Programm wieder von vorne beginnt und das Ausführen von Zeile 990 verhindert wird, so dass stattdessen Zeile 991 ausgeführt wird:
991 KEEP ALERT
eine Anweisung, weiter auf Eindringlinge zu achten. Durch Versuch und Irrtum und viele EXEMs findet Meech letztlich die gesuchte versteckte Platte, wodurch Zeile 200 ausgeführt wird
200 OPEN
und sich tatsächlich das Luk öffnet.
Das „if“ mit den Klammern dahinter und die Zeilennummern deuten auf eine Hochsprache hin. Ich finde das für Dezember 1963 ziemlich früh, sonst ist mir Code nur in Das Foucaultsche Pendel (1988, Blogeintrag dazu) aufgefallen. Die mit Zeilennummern arbeitende Programmiersprache BASIC stammt aus dem Jahr 1964, ist also jünger als das Perry-Rhodan-Heft; aus dem gleichen Jahr stammt laut Wikipedia TELCOMP, ebenfalls mit Zeilennummern.
Aber Kurt Mahr scheint wohl auf FORTRAN (1956) gestoßen zu sein und das in sein Perry-Rhodan-Heft eingebaut zu haben. Mahr war Diplom-Physiker und arbeitete zur Zeit dieser Perry-Rhodan-Romane, sagt Wikipedia, in den USA. In FORTRAN (heute: Fortran) gibt es optional Zeilennummern beziehungsweise Labels, und es gibt auch ein arithmethisches IF mit drei Optionen: IF(<wert>) a,b,c
springt zu Zeile a für negative Werte, zu Zeile b für den Wert 0 und zu Zeile c für positive Werte.
Ansonsten gibt es in der Welt von Perry Rhodan zwar viele Computer, die dort, einer SF-Tradition folgend, Positroniken heißen, aber was es überhaupt nicht gibt, sind miteinander verbundene Computer oder überhaupt elektronische Kommunikation. Funk, Funk gibt es natürlich, und Videoschaltungen, aber das gehört nicht in den Aufgabenbereich von Rechenmaschinen. Die Rechner rechnen, aber Ein- und Ausgabe läuft noch über gestanzte Plastikkärtchen, wenn von einem Rechner etwas zum anderen transportiert werden soll, selbst an Bord des gleichen Raumschiffs, geht das nur über Kärtchen oder Papierausdrucke. Das kommt mir heute so völlig antiquiert vor, aber so funktionierten die Computer meiner Kindheit und Jugend eigentlich alle. Immerhin, wir hatten Disketten, dann.
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