Ich mag an den USA, dass das Land so viele Möglichkeiten bietet, so vielfältig ist, so vieles zulässt. Blödsinn natürlich auch, etwa die Debatte Creationism vs. Evolution.
Hier geht es zumindest auf oberster Ebene darum, wie der Mensch entstanden ist. Es gibt dazu vor allem zwei wichtige Ansätze:
Evolution (Modell Banane):
Das ist der Ansatz, nach dem das Leben auf der Erde evolutionär entstanden ist. Das heißt, dass sich Tierarten durch Mutation aus anderen Tierarten entwickelt haben; dass die Auslese durch die Natur dazu geführt hat, dass manche Tierarten aussterben und andere nicht; und dass all das letztlich auch für die Entwicklung des Menschen gilt. Meist wird Charles Darwin als prominentester Vertreter genannt. Der vereinfachende Vorwurf lautet oft, der Mensch stamme vom Affen ab. Daher die Banane.
Das ist der richtige Ansatz. Über verschiedene Punkte sind sich die Wissenschaftler uneins, zum Beispiel darüber, wie sprunghaft sich Arten evolutionär verändern. Trotzdem gibt es keine ernst zu nehmenden Wissenschaftler, die daran zweifeln.
Creationism (Modell Apfel):
Laut diesem Ansatz hat (der christliche) Gott die Tierarten und den Menschen geschaffen, so wie sie sind. Es findet keine Entwicklung der Arten statt; manchmal, aber nicht immer, schließt das den Glauben mit ein, dass die Erde nur 10.000 Jahre alt ist und dass Fossilien von Gott als Fossilien geschaffen wurden.
Dieser Ansatz ist Unfug. Manche Fundamentalisten fühlen sich dabei auf die Zehen getreten, aber das ist so. Zahlen schwanken, aber ein Drittel bis die Hälfte der Bürger der USA halten ihn für den wahrscheinlichsten:
(Quelle)
Eben weil dieser Ansatz kaum zu halten ist, gibt es eine Variante davon, die so tut, als wäre sie etwas anderes: Intelligent Design. Dabei wird das Wort „Gott“ nicht genannt, die Erde darf so alt sein wie sie will und die Tierarten haben sich aus einander entwickelt. Nur: Das geschieht nicht durch natürliche Auslese, sondern durch ein Direkt Eingreifendes Höheres Nicht Weiter Definiertes Wesen. (Das Wort „Gott“, wie gesagt, wird vermieden.) Ohne ein solches unmittelbares Eingreifen sei die Entwicklung der Arten oder gar des Menschen nicht denkbar. — Und das ist auch wieder Blödsinn, excuse my French. Gründe dafür folgen weiter unten.
Im öffentlich Leben zeigt sich diese Kontroverse zum Beispiel in folgenden Fällen:
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IMAX-Kinos zeigen in verschiedenen Südstaaten-Städten einen Film über Vulkanismus nicht, in dem unter anderem Evolution angesprochen wird. Die Kinos befürchten Widerstand von fundamentalistischen Christen im Süden.
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19 US-Staaten arbeiten an Gesetzgebung, die die Rolle von Evolution im Schulunterricht unterminieren soll. Vorbild ist Präsident Bush, der öffentlich behauptet: „On the issue of evolution, the verdict is still out on how God created the Earth“. Wie borniert, wie anti-wissenschaftlich, wie sehr andere Religionen ausschließend ist dieser Satz! Die Gesetzgebung soll letztlich ermöglichen, dass die wissenschaftliche Theorie der Evolution gleichwertig neben religiösen Lehren gelehrt werden soll, und will bewusst den Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft verschleiern:
„If students only have one thing to consider, one option, that’s really more brainwashing,“ said Duckett, who sent her children to Christian schools because of her frustration. Students should be exposed to the Big Bang, evolution, intelligent design „and, beyond that, any other belief that a kid in class has. It should all be okay.“
— Was ist das für Unfug? Intelligent Design soll gleichwertig neben Evolution gelehrt werden, und gleichwertig zu jedem anderen Glauben, den irgendein Kind in der Klasse hat? Dass wir von Außeriridischen abstammen, dass uns der Storch gebracht hat? Alles gleichwertig, und der mündige Schüler entscheidet dann?
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Zumindest in Minnesota, New Mexico, Ohio und Georgia gab es Elterninitiativen, die verlangten, dass auf wissenschaftliche Bücher in der Schulbibliothek, die Evolution behandelten, folgender Aufkleber angebracht wurde:
Der Aufkleber geht falsch mit dem Begriff „Theorie“ um, als sei eine Theorie nicht glaubwürdig. Hier gibt es eine Reihe von parodierenden Alternativ-Aufklebern, die Schülern an solchen Schulen zur klammheimlichen Anbringung anempfohlen werden; ein paar Beispiele:
Bislang haben die Gerichte allerdings diesen Elterninitiativen nachträglich immer noch widersprochen.
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Was habe ich eigentlich gegen Creationism beziehungsweise das Deckmäntelchen vom Intelligent Design?
Gegen diese Theorie spricht: Dass das Eingreifen eines solchen Designers nicht nötig ist. Dass sich auch ohne dieses kontinuierliche Eingreifen unsere wunderbare Welt so entwickeln konnte. Damit ist keinesfalls bewiesen, dass es dieses ständige Eingreifen nicht gibt, nur dass es unnötig ist, davon auszugehen. (Occams Rasiermesser: Bei Theorien soll man auf verzichtbare Elemente verzichten.) Beweisbar oder widerlegbar ist solches Eingreifen nicht, und damit ist es kein geeigneter Ansatz für wissenschaftliches Denken, sondern eben Glaubenssache. Glauben darf man daran durchaus, genauso wie man an den ursprünglichen Creationism glauben darf; nur soll man nicht so tun, als wäre das ein wissenschaftlicher Ansatz.
Für die Theorie des Intelligent Design spricht: Nichts. Natürlich sehen das Anhänger von Intelligent Design anders, und sie unterstützen ihre Sicht mit folgenden Argumenten:
- Die Berufung auf Autoritäten. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass auch viele Wissenschaftler die Theorie vom Intelligent Design unterstützen, und dass es wissenschaftliche Institute gibt (wie dieses hanebüchene), die sich damit beschäftigen. Hier wird fälschlich davon ausgegangen, dass jeder mit einem Diplom oder auch Doktorgrad ein Wissenschaftler ist. Anhänger des Intelligent Design werden mir das „fälschlich“ nicht durchgehen lassen und meine Definition von Wissenschaftlichkeit als zu eng empfinden. Ist wissenschaftlich, wer einen akademischen Abschluss hat? Ich denke, nein. Wissenschaftlich ist für mich, wer wissenschaftlich denkt und arbeitet, also falsifizierbare Hypothesen aufstellt und diese an gemessenen Daten überprüft.
Trotzdem gibt es Listen von Akademikern, die an Intelligent Design glauben, etwa die „Dissent from Darwin„-Liste mit über 300 Wissenschaftlern. Ein Gegenstück dazu ist die Steve List: Eine Liste aller Wissenschaftler, die Intelligent Design für Humbug halten, und „Steve“ mit Vornamen heißen, mit bislang 513 Unterzeichnern. Nur um die andere Liste ein bisschen zu relativieren :-) - Die Behauptung, Evolution sei nur eine Theorie. Hier wird mit dem Begriff „Theorie“ Schindluder getrieben. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Theorie etwas Wackeliges, Unsicheres, an der Praxis nicht Erprobtes oder Scheiterndes. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch ist eine Theorie das sicherste und stabilste, was es gibt. „Wahrer“ und anerkannter als eine Theorie geht es nicht. Schwerkraft, Relativität, das sind alles nur Theorien. Ja und?
- „Wissenschaftler sind sich uneins über die Evolutionslehre.“ Schon. Über Details. Aber doch nicht über das Prinzip!
- „So etwas Komplexes wie das menschliche Auge kann sich nicht nach und nach evolutionär entwickeln, sondern nur auf einmal als ganzes. Ein halbes Auge ist unbrauchbar.“ Unfug. Das Auge hat sich unabhängig von einander 30 mal bei verschiedenen Tierarten entwickelt. Ein Proto-Auge, das das noch so wenig erkennen lässt, ist besser als gar keines. Selbst Bakterien können im Helligkeit von Dunkelheit unterscheiden. Eine ausführlichere Diskussion zum Beispiel in diesen Seiten aus dem Scientific American.
- Mein Favorit: Unsere Welt und der menschliche Körper ist zu komplex, als dass er ohne lenkenden Eingriff entstanden sein könnte. Gegenfrage: Wie einfach muss ein Universum denn gestrickt sein, damit ein Anhänger des Intelligent Design keinen Designer postulieren muss? Da erkennt man schnell, dass es keinen denkbaren Kosmos gibt, der diesem Kriterium genügt. Also ist das Argument ein Scheinargument.
Zur Lektüre empfohlen:
- Der oben schon mal genannte Artikel aus dem Scientific American.
- The Blind Watchmaker von Richard Dawkins, auf deutsch leider gerade vergriffen.
- Charles Darwin, Origin of Species (auch auf deutsch). Ein geniales Buch, ich hab’s allerdings auf Englisch gelesen und weiß nicht, wie leicht oder schwer die Übersetzung ist. Darwin geht sehr langsam Schritt für Schritt vor, entwirft seine Theorie sehr anschaulich, nennt selber unklare Punkte und Gegenargumente und versucht sie mit seiner Theorie zu erklären. Darwins Leistung ist dabei weniger die Erkenntnis, dass sich die Tierarten aus einander entwickelt haben. Das war zu seiner Zeit in wissenschaftlichen Kreisen gar nicht mehr so strittig. Aber zu erkennen wie das geschieht, nämlich durch natürliche Auslese, das ist Darwins Verdienst. Er beginnt mit menschlicher Auslese bei der Taubenzüchtung und zeigt, was diese hervorzubringen vermag. Und erklärt, wie natürliche Auslese noch viel mehr vermag. — Das einzige, was ihm noch zur Lösung des Rätsels fehlt, ist die Erklärung, wie Eltern ihre Eigenschaften mehr oder weniger unverändert an ihre Kinder weitergeben. Er weiß jedenfalls, dass das mit der Geburt geschieht (und nicht wie bei Lamarck durch Umwelteinflüsse während des Lebens). Aber von Genen weiß er halt noch nichts.
Zuletzt: Es stimmt nicht, dass sich Evolution und Glaube an Gott widersprechen. Je mehr man wissenschaftlich über das Leben und das Universum weiß, desto wundersamer erscheint es einem.
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