In den Pfingstferien war ich auf Wunsch von und mit meinen Neffen in der Tutanchamun-Wanderausstellung. Das ist diese Ausstellung, in der die Schätze der Grabkammer säuberlich auf- und ausgestellt sind – wenn auch alles nur in Form von Nachbildungen. Aber dafür kann man ganz nah ran.

en:User:MykReeve, Tutanchamun Maske, CC BY-SA 3.0
Dass man dort keine Originale sieht, finde ich in Ordnung. Auch in Museen stehen oft Nachbildungen, und das auch noch hinter Glas. Die Tutanchamun-Exponante können im Gegensatz dazu beliebig neu und glänzend aussehen, auf eine Art und Weise, wie man nie ein Original restaurieren würde. Und danach machen die Originale noch mehr Spaß. Allerdings war es schwer, die wiederholte Frage des einen Neffen zu beantworten: „Ist das echtes Gold?“ „Nein, das ist im Original nur vergoldet. Und das hier ist nur nachgebildete Vergoldung.“
Toll waren der garagengroße äußere Schrein, in dem der mittlere und in welchem wiederum der innere Schrein war, und darin der der äußere Sarkophag und darin der mittlere und der innere und so weiter, bis hin zur eingewickelten Mumie mit schmückender Maske. (Ausgewickelte Mumien gibt es im British Museum, wenn ich mich richtig erinnere.)
Ansonsten fand ich die Ausstellung nur mäßig interessant. Bei der säuberlich aufgestellten Beerdigungsaussteuer hat es mir allerdings die Kopfstütze angetan. Wie isst und schläft es sich mit so einem Kissenersatz?
Als Teenager hatte ich ja auch eine Ägypten-Phase, wie sich das gehört. In einer gesunden Entwicklung kommt die einige Jahre nach der Dinosaurier-Phase. Da liest man dann „Götter, Gräber und Gelehrte“. Zu dieser Zeit war ich auch auf folgenden kurzen Austausch zwischen den beiden Tutanchamun-Entdeckern gestoßen. Howard Carter öffnete die Tür zur Grabkammer, Lord Carnarvon hinter ihm fragte: „Can you see anything?“ Und Carter antwortete: „Yes, wonderful things.“
Die Szene hat mich wohl so beeindruckt, dass ich eines der Fanzines, die ich damals herausgab, so nannte:

(Vierstellige Postleitzahlen, die älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch.)
Dazu hatte ich andere Leute aus dem Fandom um Kurzgeschichten gebeten. Die einzige Bedingung: Irgendwo in der Geschichte musste der Satz „Können Sie etwas erkennen?“ auftauchen. (Der Satz fällt mir heute natürlich noch immer auf, wenn ich ihn irgendwo lese. William Golding, Lord of the Flies, Seite 135, sag ich nur.)
Kurzgeschichten gab es dann von Dirk van den Boom, Edzard Harfst, Goetz Nennstiel, Udo F. Rickert, Hermann Ritter und Karl-Heinz Zapf. Von den meisten weiß ich immer noch, wo sie sich im Web herumtreiben. Als Beispiel die Geschichte von Karl-Heinz (die kürzeste):
Die Katze
Der Raum lag in dämmriges Halbdunkel getaucht; die Fenster, welche auf die belebten Straßen hinauszeigten, waren von schweren Jalousien verschlossen. Nur wenig Licht fand seinen Weg durch einige Fugen und Ritzen.
Die junge Frau sah sich um, ihr Blick glitt über das spärliche Mobiliar des kleinen Raumes und blieb dann an der Katze hängen, deren Augen sie kühl musterten.
Ohne Grund lächelte die Frau und die Katze schnurrte und begann, um ihre Beine zu streichen. Ihre Augen schienen im Dämmerlicht unirdisch zu glühen. Die zarte Hand der Frau bewegte sich fast automatisch hinab und strich durch das seidige Fell des Tieres.
Wieviel Mühe hat es gekostet, sie zu bekommen, dachte sie bei sich und schmunzelte. Ihre Freunde würden Augen machen, wenn sie sie sehen würden. Die junge Frau blickte hoch und stand dann auf, doch die Katze sprang schnell auf ihren Schoß, und mit einem Seufzen setzte sie sich wieder. Ich darf sie nicht verärgern, sie könnte sich irgendwie verletzen und das könnte ihren Wert mindern, dachte sie. Wo nur der Professor blieb? Er hatte doch um drei Uhr hier sein wollen, um ihre seltene Erwerbung zu begutachten. Nun war er schon geraume Zeit überfällig.
Mit einem leisen Maunzen sprang die Katze herab und landete geschmeidig auf dem Fußboden, wanderte dann gemächlich zum Fensterbrett, gefolgt von den Blicken der Frau.
Wie schön sie ist, dachte sie – da klopfte es an der Tür.
Ein paar hastige Schritte brachten sie zur Klinke, und sanft drückte sie die Türe auf.
Helles Tageslicht fiel von draußen herein, gefolgt von dem wie immer etwas zerstreut wirkenden Professor, der beim Eintreten heftig blinzelte, um seine Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen. Das war natürlich beabsichtigt gewesen, und der Gelehrte wußte dies.
Nach einer Weile schloß sie die Türe. „Nun, können Sie etwas erkennen?“ Er blickte umher und schnüffelte ein paar Mal, ehe er die Frau entdeckte. Der kleine Hund vollführte einen Luftsprung.
„Ein Mensch? Ein echter Mensch?“ fragte er ungläubig.
„Jawohl“, sagte die Katze, nicht ohne Stolz in ihrer Stimme, „ein echter Mensch!“
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