Ein beliebtes Aufsatzthema in der frühen Mittelstufe ist die Frage, ob man Noten in der Schule abschaffen soll. Die Schüler sind massiv dagegen, Eltern sicher ebenso; nur die Lehrer träumen gelegentlich davon, wie schön eine Schule ohne Noten wäre. Für Lehrer sind Noten das, was ihnen in der Schule am schwersten fällt, was der anstrengendste Teil des Unterrichts ist. Wenn ihr etwas gegen Noten habt: Mich habt ihr auf eurer Seite. (Allerdings ist das lästige Notengeben, das ständige Treffen von Entscheidungen, auch ein Grund dafür, warum wir relativ gut bezahlt werden.)
Noten haben, hat man mir beigebracht, mehrere Aufgaben: Rückmeldung an Schüler (und Eltern) darüber, wie gut der aktuelle Stoff beherrscht wird; Rückmeldung an den Lehrer, welche Ergebnisse der Unterricht in dieser Klasse hat. Sie haben aber auch Nebenwirkungen, werden als Belohnung oder Bestrafung gesehen, und von unerfahrenen oder schlechten Lehrern als Mittel zur Disziplinierung eingesetzt.
Rückmeldung ist wichtig. Sonst erfreut man sich als Lehrer schnell am Irrglauben, die Schüler könnten nach dem Unterricht mehr als vorher. Und manche Schüler glauben selber genauso schnell, sie könnten etwas, bloß weil sie eine Erklärung verstanden zu haben meinen. Rückmeldung kann aber auch ohne klassische Noten geschehen. Notenfreie Schule: Gerne, solange das ohne Esoterikgeschwurbel auskommt. Die Frage, wie man mit Schülern umgeht, die den vorgesehenen Stoff nicht ausreichend beherrschen, ist zur Zeit auch mit Noten nicht sehr gut geklärt.
Hier ein Interview mit einem Bildungsforscher dazu. Mit manchem hat er recht, anderes ist wohl verkürzt wiedergegeben. „Denn klassische Noten messen die Kinder nicht an Lernzielen, sondern am Klassendurchschnitt.“ Das ist zumindest theoretisch falsch. Gemessen wird nicht an der Klasse, sondern an dem, was in dieser Jahrgangsstufe allgemein erreichbar ist. In der Praxis kriegt man allerdings tatsächlich am wenigstens Rückfragen von der Schulleitung oder dem Kultusministerium, wenn man Notenschnitte zwischen 3,00 und 3,60 produziert. Weltfremd ist die Behauptung: „Aber ein guter Lehrer braucht keine Noten, weil er die Kinder für den Stoff begeistern kann“ – wenn sie so pauschal gemeint ist, wie sie dasteht. Tendenziell stimmt das nämlich schon, aber zur Freiheit des Individuums gehört auch, dass sich manche Kinder nicht für den Stoff begeistern lassen, da kann der Lehrer so gut sein, wie er will. Mit Noten wird die Begeisterung allerdings auch nicht größer.
Michael Felten fordert in der Zeit online Lehrer dazu auf, mehr Querulant zu sein und weniger kultusministeriell vorgeschriebene Innovation abzunicken. In Bayern haben wir es da noch vergleichsweise gut. Durch den fehlenden Wechsel in der Regierungspartei kommen auch die Innovationen, mit denen sich jeweils die neue Regierung von der alten absetzen will, weniger häufig. Ganz gefeit davor sind wir auch nicht, wie man am über Nacht verordneten G8 sieht. Und ansonsten bleiben Abnicken wie Innovation ja auch gerne mal folgenlos, ich sage nur externe Evaluation.
(Gedankengang aufgrund von Englandurlaub nicht zu Ende geführt.)
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