Zukunftsstrategie Digitale Bildung: Realschule und Gymnasium

(10 Kommentare.)

Die bayerische Regierung verfolgt eine eine „Zukunftsstrategie“ Digitale Bildung in Schule, Hochschule und Kultur. Was das konkret heißt, habe ich erst durch ein Anschreiben erfahren: Die Schüler sollen alle Schreibmaschineschreiben lernen.

So wird die Zukunftsstrategie formuliert:

Die Lehrpläne berücksichtigen bereits jetzt die sich stetig wandelnden Technologien und die Anforderungen einer digitalisierten Welt. [Ein wenig.] Sie werden diesbezüglich auch künftig aktualisiert und weiterentwickelt. [Alle zehn Jahre, ja.] Dies umfasst zentrale Inhalte der Medienbildung sowie der informationstechnischen Bildung.

Ein Unwort und Unkonzept. Man will das Wort „Informatik“ vermeiden, weil es die nicht an allen Schularten gibt und auch am Gymnasium nur relativ wenig – wenn auch mehr als in anderen Bundesländern.

Zusätzlich zur Verankerung in den übergeordneten Bildungszielen muss Medienbildung mit einem Fokus auf den kritischen und produktiven Umgang mit digitalen Medien noch stärkeren Niederschlag in den Fachlehrplänen finden. Alle bayerischen Schülerinnen und Schüler sollen altersgerecht informationstechnische Grundbildung verpflichtend in allen Schularten erfahren

– Informationstechnologie: So heißt das Fach ja schon an der Realschule. Bloß keine Informatik… Informationstechnische Grundbildung ITG lautete auch das fächerübergreifende Ziel an bayerischen Schulen in den 1990er Jahren. Das ist so wichtig, dass es dafür kein eigenes Fach geben darf, da müssen alle Fächer fächerübergreifend zusammenarbeiten. Es reihte sich damit in andere fächerübergreifende Ziele wie Verkehrserziehung ein, die wir zum Beispiel in Vertretungsstunden ausüben sollen. Die Folge war natürlich, dass kein Fach irgendetwas in der Art gemacht hat.

und dabei insbesondere Kompetenzen in den Bereichen 10-Finger-Tastschreiben, Textverarbeitung, Präsentation, Tabellenkalkulation und Informationsverarbeitung (auch grundlegende Konzepte der Digitalisierung sowie Grundlagen der Modellbildung und des algorithmischen Denkens) erwerben. Ziel muss ferner sein, digitale Geräte, Medien, Plattformen und Netzwerke nicht nur zu nutzen, sondern es Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, bei Interesse digitale Medien selbst mitzugestalten und digitale Anwendungen zu entwickeln.

Tastschreiben, Textverarbeitung, Präsentation, Tabellenkalkulation macht man an der Realschule, zusammen mit den dazu gehörenden DIN-Normen. Pläne für das Gymnasium, Schülern die Gestaltung von irgendwas zu ermöglichen, habe ich noch keine gehört; das Tastschreiben soll aber auch da vorangebracht werden. Die Kompetenzen dabei sind am Gymnasium zwar keinem eigenen Fach zugeordnet, aber auch die Schüler dort sollen sie erwerben – so sieht es schließlich die Zukunftsstrategie vor. (Details habe ich keine frei im Web gefunden, innerschulische Quellen darf ich nicht nennen.)

Für viele wäre das sicher eine gute Nachricht. Auch an meiner Schule wird immer wieder mal von Eltern oder Schülern nachgefragt, warum man nicht – so wie in der Realschule – das Tastschreiben lernt: das ist doch mal etwas Gescheites, das man später auch mal brauchen kann. Mal mehr, mal weniger offen heißt es dazu: im Gegensatz zu dem, was man am Gymnasium sonst macht. Das muss man dann halt kippen.

Wie formuliere ich es freundlich… Tastschreiben kann man sich jederzeit selber beibringen, anders als Mathematik, Chemie, Physik, Literaturverständis, Aufsatzschreiben. Da braucht es nicht mal ein Tutorial, man setzt sich vor Programme wie das hervorragende Tipp 10 und fängt an. Als jemand, der sich Tastschreiben beigebracht hat, der viel Code schreibt, der weit überdurchschnittlich viel Texte schreibt: die Nützlichkeit wird überschätzt. Es ist nett, wenn man es kann, aber wenn man nicht gerade beruflich Texte diktiert bekommt oder abschreibt, dann kommt man prächtig ohne aus.


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Kommentare

10 Antworten zu „Zukunftsstrategie Digitale Bildung: Realschule und Gymnasium“

  1. Ivo

    Uiuiui!

    Heikles Thema. Auch bei uns an der Schule.

    Meine Meinung? Tastschreiben wird entweder unter- oder überschätzt. Ich habe mir es voriges Jahr in den Sommerferien selbst beigebracht. Mit dem „hervorragende Tipp 10“.

    Ich schrieb schon vorher viel. Code, Texte. Ohne 10 Finger. Jetzt schreibe ich auch noch viel ohne 10 Finger.

    ABER: Längere Text schreibe ich gern mit 10 Fingern. Das hat den Vorteil, dass man die Augen nicht vom Bildschirm/der Vorlage lösen muss.

    Ich jedenfalls möchte es nicht mehr missen.

    Ivo

  2. Dirk

    100% zustimm

  3. Nina

    An dem Gymnasium, auf das ich ging, wurde in der 5.Klasse ein Kurs im 10-Finger-schreiben angeboten, der einmal wöchentlich in der siebten Stunde stattfand. Nahezu alle Schüler haben daran teilgenommen und die Stunde konnte später im Rahmen der Intensivierungsstunden eingebracht werden.

  4. Db

    10-Finger-Schreiben = Informatik? *hüstel*
    Hübsch auch im letzten Zitat „bei Interesse digitale Medien selbst mitzugestalten“ = Informatik nur im AG-Angebot?

    Hier in Ba-Wü werden auch gerade wieder (nach 12 Jahren) die Bildungspläne runderneuert.
    „Medienbildung“ ist eine der sechs zentralen Leitperspektiven, muss also in allen Fächern berücksichtigt werden.
    Ein eigenes Fach „Informatik“ gibt es nicht, Teil-Inhalte verstecken sich in Fächerverbünden (NwT u.ä.) http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/Startseite/ALLG#FaecherGYM
    Nächste Woche treffe ich mich mit KollegInnen zur Vorplanung des „Basiskurs Medienbildung“ für die 5er (siehe Fächer-Link). Es soll wohl eine Kompaktwoche werden.
    Immerhin gab es im Dezember 2015 eine nachgeschobene Absichtserklärung des KM: „Informatik wird im Schulunterricht stärker verankert“ http://www.km-bw.de/,Lde_DE/Startseite/Service/18_12_2015+Informatik
    – diesen KM gibt es aber seit der Landtagswahl im März 2016 nicht mehr…
    Insgesamt, finde ich, macht der neue Bildungsplan Ba-Wü angesichts von z.B. hier http://www.gutjahr.biz/2016/06/brexit/ analysierten Phänomenen Schritte in die richtige Richtung. Mal sehen, was in der Praxis daraus wird…

  5. Martina aus FFB

    Das hört sich imho an wie Back to the roots.., wäre es nicht geschickter „schnell wischen“ zu lernen?

    Ich finde es übrigens sehr praktisch, daß ich es zu meiner Zeit lernen durfte, öhem musste, und meine 200 Anschläge ringen wenigstens meinen Kids Bewunderung ab.

    Vielleicht gibt es ja auch noch eine Renaissance einer Kurzschrift? lol

    Aber btw. auch wenn es gymnasial nicht im Lehrplan verankert ist, wird es bei uns zumindest als Kurs angeboten, der auch jedes Jahr wieder einige lernwillige
    Schüler findet. Gemeinsam macht es halt mehr Spaß.

  6. Längere Texte, Ivo, schreibe ich auch lieber mit zehn Fingern. Als ich vor ein paar Jahren eine mäßig bekannte Geschichte von G.K. Chesterton abgetippt und dem Web zugänglich gemacht habe, war ich ums Tastschreiben sehr froh. Aber seitdem ist das nicht mehr vorgekommen.

    Kurse in der Schule… in der 8. Klasse nahm ich auch ein Jahr lang Teil am Maschineschreiben-Wahlunterricht, zum Teil noch auf alten rein mechanischen. War für die Katz, in dem Alter.

    >10-Finger-Schreiben = Informatik?
    Das gehört ja auch nicht zur Informatik, sondern zur Informationstechnologie. Die genaue Fächerbezeichnung ist da sehr wichtig, auch wenn die Informatik-Realschullehrer, die wir an der Uni ausbilden, dann an der Realschule Maschineschreibunterricht geben. (Traurig. Allerdings wird das auch oft von Fachlehrern unterrichtet; früher waren das getrennte Fächer, aber der Trend geht praktisch (aus Sparsamkeit) und twitterpädagogisch (Fächer sind so 20. Jahrhundert) zur Zusammenlegung.

    >wird es bei uns zumindest als Kurs angeboten, der auch jedes Jahr wieder einige lernwillige Schüler findet.

    Bei uns auch. Mehr als im G9.

  7. kecks

    völlige zustimmung!

  8. > Die Schüler sollen alle Schreibmaschineschreiben lernen.

    Siehe dazu http://www.jochenenglish.de/?p=7820

    Ich bin terminologisch leider noch nicht auf der Höhe der Zeit, nenne das Ganze noch prosaisch „Tippen“.

  9. Das Tastenschreiben ist Übungssache und eher mühsam zu erlernen. Aber heute sicher wichtiger/häufiger als die Handschrift. Sollte also jede(r) lernen!

  10. Ob Tastenschreiben in der Schule wirklich so sinnvoll ist?
    Ich habe mit 11(?) Jahren einen Kurs bei der VHS gemacht, weil Tippen mit zehn Fingern ja so sinnvoll sei. Danach habe ich es nie genutzt und es hat mir nichts gebracht, bis ich irgendwann längere Texte gerne schneller schreiben wollte. Aus eigenem Antrieb heraus habe ich das Tastenschreiben dann wie Ivo mit Tipp 10 gelernt und nutze es nun schon seit über vier Jahren. SuS zu ihrem „Glück“, äh zum schnelleren Tastenschreiben, zu zwingen, kann man meiner Meinung nach nicht, weil jeder selbst entscheiden muss, wie er am PC schreiben möchte.
    Textverarbeitung bzw. die DIN-Normen halte ich jedoch durchaus für sehr sinnvoll. :)

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