Im vorherigen Beitrag habe ich etwas über den Werdegang meiner Mutter erzählt; in diesem und dem folgenden geht es um die Buchungsmaschinen, mit denen sie 1960 – 1974 mit Unterbrechung gearbeitet hat.
NCR Class 3000 (1929)

Quelle: https://www.si.edu/object/national-class-3000-bookkeeping-machine-stand:nmah_694189 CC0
- Ja, das war eine wirklich alte Maschine, aber die hat meine Mutter noch im Einsatz erlebt, frühe 1960er Jahre. Für NCR war diese Maschine beim Erscheinen ein Verkaufsschlager, ähnlich wie die ältere 2000, die eher Registrierkasse und von 1921 – 1973 in unterschiedlichem Design lieferbar war.
- Man beachte oben die Volltastatur, darunter eine herkömmliche Schreibmaschinentastatur mit Buchstaben, wie bei den meisten der hier vorgestellten Maschinen.
- „Die 3000 hatte etwas ganz Spezielles, über das wir gelacht haben. Die konnte programmiert werden mit Plus, Minus, Saldo – aber einen Minussaldo konnte sie zwar errechnen, aber nicht auf einmal ausdrucken. Wir haben immer Frühstückssaldo gesagt, weil bis der Minussaldo herauskam, konnte man frühstücken. Hat viermal gerumpelt, bis er dann da stand. Aber das war nur bei der 3000. Aus der 3000 wurde in den 60er Jahren die Klasse 30 mit einem ein bisschen besseren Outfit, und der Frühstückssaldo war weg.“
- Was die Dame in der Werbung für die Class 3000 in der Hand hält, wird weiter unten klar:

NCR Class 32 (1949)

Dieses Gerät konnte als typische Buchungsmaschine addieren und subtrahieren, aber nicht multiplizieren oder gar dividieren. Wenn damit Gehaltsabrechnung gemacht wurde, wurden Sozialversicherung und Rentenversicherung aus externen Tabellen abgelesen – Taschenrechner gab es noch nicht wirklich. Die Compu-Tronic wirbt später mit der Arbeitserleichterung, wenn genau diese Tabellen wegfallen. Bei Youtube gibt es die 32 kurz in Aktion.
NCR Class 31 (1949/1950)

Für diese Maschine habe ich eine Broschüre gefunden, und deshalb erkläre ich das, was ich von der Bedienung verstanden habe, anhand der 31 – im Prinzip gilt das aber auch schon für die 3000, die 32 und die 33. Eingestellt oder programmiert wurden diese Maschinen nämlich mit Schienen („removable program bars“). Die Schienen sahen so aus:

Es war immer eine Schiene im Gerät, und die Schiene enthielt die Steuerung. Verschiedene Blättchen – lange, kurze, mittlere, verschiedener Art – wurden sozusagen wie Tabulatoren an bestimmte Stellen eingefügt. Der Wagen fährt nach so einem Blättchen entweder weiter zur nächsten Position (und berechnet dort vielleicht etwas, zum Beispiel die Summe der vergangenen Einträge) oder bleibt stehen und wartet auf weitere, vorher eben festgelegte, Eingaben. Zumindest spätere Geräte konnten in zwei Richtungen fahren, vor und zurück, und natürlich Zeilen herunter (und herauf?).
„Du musst der Maschine sagen, welche Spalten sie braucht, wo sie halten soll, Tabulatoren praktisch musst du setzen. Deswegen die verschiedenen Spalten. Und da gab es so mechanische Blocks, die konnte man auseinanderschrauben, dann hast du zwei Teile gehabt. Und dann hast du Blättchen reingesetzt: Ein langes Blättchen war Total/Summe, ein kürzeres Blättchen war Addieren, ein zwischenlängeres Blättchen gab Subtrahieren.“
„Es gab ein Blättchen ‚Wagenöffnung‘ [damit man das Blatt herausnehmen oder ein neues einlegen kann], da haben wir in der Allgäuer Festwoche ein Glöckchen hingehängt, weil das dann so schön gebimmelt hat, so eine Mini-Kuhglocke haben wir hingebunden, wenn der Wagen aufgeht.“
„Fürs Addieren gab es verschiedene Einstellungen. Ein kurzes Blättchen an der einen Positiom bedeutet: Addieren in Werk 1. Es gab Addieren in verschiedene Werke, Subtrahieren in Werk 1-4, Summe/Total, Total1, Total2, Total3, Befehle im Vorweg und Befehle im Rückwärts. […] Die Summen konnte man nicht an der gleichen Stelle herausnehmen, wo man addiert und subtrahiert. Man konnte nicht Addieren und Total gleichzeitig. Man konnte auch nicht Plus und Minus in einem machen.“
An Position 1 war so etwa ein Blättchen „Zeilenvorschub“, oder „in Werk 1 addieren und nach nach rechts fahren“.
Zum Beispiel will man so eine Rechnung schreiben können (die im Idealfall gleichzeitig als Lochstreifen oder Lochkarte ausgegeben wird, um dann später in die zentrale Datenverwaltung eingetragen werden zu können):

Die Währungsanzeige steht übrigens links vom Betrag, damit der nicht durch eine zusätzliche Ziffer davor manipuliert werden kann. Tatsächlich ist das Bild irreführend, aber mir zumindest hilft es. Man braucht nämlich für die meisten Kontenbuchungsvorgänge keine größere Multiplikation, da wird nur addiert und subtrahiert. Buchungsmaschinen waren ursprünglich nur für Additition und Subtraktion gedacht, nicht für Multiplikation, dafür gab es Fakturiermaschinen, verwandt aber anders, siehe z.B. hier. Ein besseres Beispiel für Buchungen ist vielleicht ein altes Sparbuch:

(Man beachte die Zinsen. Es war eine andere Welt.) Beim Sparbuch muss die Buchung auch erfasst und berechnet und in verschiedenen Konten gespeichert werden. Das geschah zu meiner Jugend aber wohl schon mit anderen Geräten als den hier vorgestellten, nehme ich an.
Als Benutzer oder Benutzerin tippt man Bezeichnung, Anzahl und Einzelpreis ein, die Zwischensummen, die Endsumme und die Steuer werden von der Maschine berechnet. So wie eben geht das natürlich nur mit einer Maschine, die auch multiplizieren kann – und dividieren, für die Steuer. (Frühe Maschinen konnten nicht multiplizieren, spätere nicht dividieren, was man umging, indem man mit dem Kehrwehrt multiplizierte.)
Bei Gehaltskonten gab es viel einzutragen: „Man musste ja Datum, den Namen, das Gehalt, angeben, dann musste man abziehen: die Steuer, die Kirchensteuer, Krankenversicherungen, Rentenversicherungen und alles und eventuellen Vorschuss. Da gab es also mehr zu rechnen als bei der Buchhaltung.“
„Man konnte in die Schiene ein Blättchen ganz weit oder kurz oder weniger kurz hinsetzen. Das war die Steuerung – beispielsweise eins an einer Position, da wurde dann das Datum eingegeben. Ein anderes Blättchen hatte [eine bestimmte Menge] Platz für Buchungstext, und dann ein Tab für Skontospalte.“
„Debitoren, Kreditoren waren auf verschiedenen Journalen. Man musste immer die Journale wechseln und Endsumme machen.“ Das heißt, man musste die Buchungsbelege vorsortieren, damit man nicht so oft die Journale wechseln musste.
„Wie bei einer Schreibmaschine wurde das Journal eingezogen. Bei jedem Buchen ging das Journal wieder eine Zeile hoch wie bei einer Schreibmaschine. Die Konten musste man einziehen, in einer Wagenöffnung wurde das Konto eingelegt und hineingeschoben, bis man in diese Zeile wieder kam. Das Journal hat jedesmal weitergeschaltet, aber bei den Einzelblättern ging das ja nicht.“
Von der Class 33 (spätestens 1961) weiß ich aus einer Broschüre, dass diese 21 verschiedene Summen verwalten konnte, eine Operation konnte sich auf bis zuvier Summen gleichzeitig auswirken, und es gab eine Taste, um alle 21 verschiedenen Summen nacheinander zu addieren beziehungsweise zu subtrahieren.

If you insert the journal firmly and straight at the start, it will seldom need to be realigned. However, if it comes through crooked, you can straighten it without removing it from the machine. The easiest way to do this is to turn the journal through until the top and bottom are about even. Then, push the Journal Release Lever to the back as far as it will go. (This raises the bail and releases the tension on the form.) Align the top and bottom edges of the form, hold them even and pull taut against the platen as you lower the bail. Then, turn the form back to the first printing line.
Aus einer Broschüre für die Class 160 – ganz einfach war die Bedienungen von Geräten auch damals nicht
NCR Class 30 (wenn es die überhaupt gegeben hat? 1960)

Ich finde leider fast nichts zur Klasse 30, außer meiner verlässlichen thailändischen Seite – kommentierte Quellen sind im nächsten Eintrag. Vielleicht hat es sie gar nicht gegeben. Im Jahr 1967 produzierte NCR, lese ich, immerhin 30 verschiedene Klassen mit 150 unterschiedlichen Modellen (Anderson/Truax S. 203), ich habe nirgendwo eine Übersicht gefunden. Auch der Verwalter der englischen NCR-Ehemaligen-Seite – zu welcher später mehr – weiß nichts von dieser Maschine; wir suchen weiter. Nachtrag: Doch, gab es! Wir haben tatsächlich noch eine einzige weitere Quelle gefunden, die diese ansonsten ziemlich unbekannte Maschine erwähnt.
Peripherie-Geräte, Auswahl
„Es gab ja vor dieser Elektronik Lochkartensysteme, und da hatten wir einen Card-Punch-Coupler. Das war ein Gerät, das hatte eine Verbindung, beispielsweise zu einem IBM-Locher. (ICT-Locher konnten direkt verbunden werden.) […] Das konnte man mit der 32 machen und mit den späteren sowieso, und somit konnte man Lochkarten erstellen, indem man bei der Buchungsmaschine auch programmiert hat, dass man jetzt beim Buchen oder beim Gehalt oder bei irgendwas, wo man Lochkarten brauchte zur Weiterverwertung, gleichzeitig Lochkarten erstellen konnte.“
Zu Card-Punch-Couplern habe ich reichlich Information gefunden. Aber nichts über das folgende Gerät:
„Und später gab es dann auch umgekehrt einen Aufsatz auf Buchungsmaschinen. Dort konnte man eine Lochkarte einlesen. Und der Aufsatz hat dann die Tastatur darunter bedient, als ob du das von Hand eingegeben hättest, wie von Geisterhand, durch Magnete. Da haben wir die ganze Stadtverwaltung Lindau neu organisiert, das war ein Pilotprojekt.“
Es lief ja alles auf Lochkarten, Stadtverwaltung, Gehaltsabrechnungen, Verbuchungen.
Später kam es dann Geräte mit Elektronik darin, auf der Messe Hannover 1967 wird die Class 400 präsentiert:

Aber zu diesen Geräten mehr beim nächsten Mal. Die meisten der Damen im Bild waren Standpersonal, aber meine Mutter als technische Betreuung hatte ebenfalls das Kostüm an. Sie trägt als einzige das Sträußchen auf der linken Seite, aber das wird Zufall gewesen sein.
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