Dorothy Hartley war eine englische Autorin, Historikerin und Illustratorin. Ihr bekanntestes Werk ist auch das einzige, das ich kenne, aber das hat es in sich: Food in England (1954, Wikipedia) ist eine Art Kulturgeschichte der englischen Küche, mit – kurz gehaltenen – Rezepten, mit Schnipseln von historischen Kochanleitungen und Gedichten und alles reich illustriert, wohl von Hartley selbst.

Das Buch scheint mir äußerst gründlich. Hartley beginnt mit den Angelsachsen zum Zeitpunkt der Ankunft der Normannen, und mit dem Aufbau des typischen normannischen Wohngebäudes. Das ist auch deshalb wichtig, weil es im nächsten Kapitel um die verschiedenen Arten von Feuerstellen und Feuerquellen geht: „General notes on the four types of fuel“ – Holz, Torf, Kohle, Holzkohle und deren Brenneigenschaften. Kohle braucht mehr Zug und eher einen gemauerten Kamin, wurde erst dann populär, als der Herd von einer Feuerkuhle mittig am Boden mittig an die Wand des Gebäudes wanderte und dort gemauert wurde.
Hartley stellt den mittelalterlichen Kessel vor, cauldron, wie man ihn als Hexenkessel aus Filmen kennt. Und der wurde laut dem Buch nicht so verwendet, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Das ist ja auch irgendwo logisch: Wer braucht denn so einen großen Hexenkessel voller Suppe? Vielmehr wurde der Kessel in Schichten beladen und verschiedene Lebensmittel in verschiedenen Behältern darin gekocht:

(Originalillustration viel besser, ich habe das nachgezeichnet.)
Und das heiße Badewasser hatte man gleich dazu. Allerdings habe ich keine zweite Quelle für dieses Verfahren, die hätte ich gerne, um sicher zu sein. Beim Recherchieren finde ich nur kleinere cauldrons, in denen heute über dem Lagerfeuer an einem Dreibein dann tatsächlich nur Suppe oder Eintopf gekocht wird, von Survivalisten und Mittelalterfreunden. Ganz ähnlich aufgebaut, nur kleiner, und bei Hartley beschrieben ist der bargee’s pail, „Kahnführer-Eimer“. Da wird in einem Topf auch geschichtet, der Topf kommt in einen Eimer mit Wasser, das dann an Bord auf einem Feuer langsam erhitzt wird. Hier hat das jemand nachgekocht.
Schnipsel aus der Literatur, hier Silas Marner (1861) von George Eliot:
Supper was his favourite meal, because it came at his time of revelry, when his heart warmed over his gold; whenever he had roast-meat, he always chose to have it for supper. But this evening, he had no sooner ingeniously knotted his string fast round his bit of pork, twisted the string according to rule over his door-key, passed it through the handle, and made it fast on the hanger, than he remembered that a piece of very fine twine was indispensable to his “setting up” a new piece of work in his loom early in the morning.
Also, ursprünglich gab es einen horizontalen Drehspieß vor dem Feuer, kennt man ja heute noch, und geeignet vor allem für breite Holzfeuer im Herd. Aber dann kam man auf die Idee eines vertikalen Äquivalents bei schmaleren Kohlefeuern: Das Fleisch hängt an einem Seil von oben herab, vor dem Feuer, darunter eine Pfanne für das dripping, davor ein meat screen. Das Seil wird verdrillt, so dass es sich langsam entdreht und das Fleisch damit mit, so dass es von allen Seiten gleichmäßig gegart wird. Der Schlüssel ist eine Art improvisierter Haken, einerseits hängt er an der verdrillten Schnur, mit dem Bart hält er das Fleischbündel – ach, mit der Illustration von Dorothy Hartley wäre das sehr viel klarer.
Das Buch hat Kapitel mit klaren Titeln, ist aber trotzdem ein Sammelsurium an Rezepten, Notizen, Gedichten, Anekdoten, Zeichnungen, Wissenswertem. Belege für die vielen Zitate gibt es keine, zefix! Sachen wieder zu finden ist ein bisschen schwierig, aber es gibt einen Index. Wikipedia zitiert Lucy Worsley, Autorin eines BBC-Films ‚Food in England‘, The Lost World of Dorothy Hartley (2015), die das Buch als „oral history“ betrachtet; Hartley habe Gespräche geführt mit „the last generation to have had countryside lives sharing something in common with the Tudors.“
Lesezeichen habe ich noch im Buch für:
- das Formen von Pies mit der Hand oder einem Model 122
- ein Pot Pie mit Schichten von Gemüse, Fleisch, Kartoffeln, dumplings unter einem Teigmantel 157
- Cockaleekie 188
- Carrot Puffs 355 (Karottenmus, Ei, Semmelbrösel, Eiweiß, Orangenblütenwasser, Muskat, Zucker, Sahne, Sherry – genauer: sack, und das alles dann in ausgelassenem suet braten)
- Parsnips 366 („The potatoe, a sweet roote which farre exceedeth our English parsnep“)
- Potato-Apple Cake 370 (ein gedeckter Apfelkuchen mit einer Hülle aus Kartoffel-Mehl-Teig, vor dem Servieren Deckel aufschneiden, Butter und Zucker rein, Deckel rauf, im Ofen heiß machen)
- Plum Pudding, was machen mit den Resten 630
- Caudel, Posset, Ale Berry, Ypocras, Syllabub 559 (alles stärkende alkoholhaltige Heißgetränke, die zur Genesung oder als Mahlzeit auf beschwerlichen Reisen zu sich genommen wurde)
- Tree onions 360 (Wikipedia, eine Zwiebelart, die auch oben Knollen entwickelt; wenn die groß genug werden, knickt die Pflanze und die Knollen sind dann am Boden – heißen auch walking onions)
- Maize Pesto 534 (ein Rezept für Hungerszeiten, eine „sauce made of cheese and scraps of fat, poured over a cereal foundation [wohl eben: Mais] and raw green herbs“ oder, in Irland, über Kartoffeln oder Brot. Das erinnert mich sehr an Aligot (Wikipedia) oder Patranque (Wikipedia) – ursprünglich Käse und Suppe über altem Brot für Reisende auf dem Jakobsweg, wobei das Brot dann später nach einer Missernte durch Kartoffeln ersetzt wurde.
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