1. Heinrich Heine, Die Harzreise
Ergiebig für ein zukünftiges Projekt, aber wenig fürs Blog. Amüsant, wie Heine sich ein komfortables Bett oben am Brocken erschwindelt:
Ich fand das Haus voller Gäste, und wie es einem klugen Manne geziemt, dachte ich schon an die Nacht, an die Unbehaglichkeit eines Strohlagers; mit hinsterbender Stimme verlangte ich gleich Tee, und der Herr Brockenwirt war vernünftig genug, einzusehen, daß ich kranker Mensch für die Nacht ein ordentliches Bett haben müsse.
2. Wilhelm Hauff, Die Bettlerin vom Pont des Arts (1826)
(Via Ein weites Feld.) Eine Novelle mit Rahmenhandlung um einen alten und einen jungen Mann, die einander kennen lernen, weil beide von einem Bild in einer Gemäldegalerie fasziniert sind, in dem sie eine Frau aus ihrer Vergangenheit wiederzuerkennen glauben. Mit so etwas kriegt man mich immer wieder – Rahmen, Bilder, Backstory. Die Geschichte selber ist so mittel, aber eine Nebenperson hat sich eine Dampfmaschine aus England schicken lassen, als Teil einer Ölpresse, und Schwierigkeiten beim Zusammenbauen. Die Teile sind anscheinend durchnummeriert wie heute bei IKEA:
„Ich wollte wetten, du bist durchaus nicht betrogen, denn so gut hier F und H in P passen, du siehst, es sind die Hauptzüge, wodurch die Stampfmühle mit der Ölpresse in Verbindung gesetzt wird, so gut muß sich auch das übrige fügen.“
„Ach, Sie hat unser Herrgott hergesandt“, rief der Mechanikus freudig, „wie Sie doch dies gleich so wegbekamen! Ja das F ist der Hauptzug, H hier greift in das Stangenwerk ein, hier wird das Rad KL befestigt.“
Interessant ist das Frauenbild der Personen in der Novelle. Frauen in der Gesellschaft brauchen Unterstützung, um geistreiche Gespräche führen zu können:
Durch solche Männer bekommt das Gespräch Gestaltung, Hintergrund, Leben; Frauen, besonders geistreiche Frauen, werden sich unter sich bei weitem nicht so lebendig unterhalten, als dies geschieht, wenn auch nur ein Mann gleichsam als Zeuge oder Schiedsrichter dabeisitzt.
Das liegt auch daran, dass Männer gründliche Bildung haben. Frauen entwickeln allenfalls Halbwissen, mit dem sie gar nichts anfangen können:
Diese Fächer lernt der Mann gewöhnlich erst nach seinem achtzehnten, zwanzigsten Jahre recht verstehen; er lernt sie nach und nach, also gründlicher; er lernt manches durch sich selbst, weiß es also auch besser anzuwenden, und tritt er im dreiundzwanzigsten oder später noch in diese Kreise, so trägt er, wenn er nur halbwegs einige Lebensklugheit und Gewandtheit hat, eine große Sicherheit in sich selbst. Aber das Mädchen? ich bitte Sie! wenn ein solches Unglückskind im fünfzehnten Jahr, vollgepfropft mit den verschiedenartigsten Kenntnissen und Kunststücken in die große Welt tritt, wie wunderlich muß ihm da alles zuerst erscheinen! Sie wird, obgleich ihr oft ihr einsames Zimmer lieber wäre, ohne Gnade in alle Zirkel mitgeschleppt, muß glänzen, muß plappern, muß die Kenntnisse auskramen und – wie bald wird sie damit zu Rande sein! Sie lächeln? hören Sie weiter. Sie hat jetzt keine Zeit mehr ihre Schulkenntnisse zu erweitern; es werden bald noch höhere Ansprüche an sie gemacht. Sie muß so gut wie die Älteren über Kunstgegenstände, über Literatur mitsprechen können. Sie sammelt also den Tag über alle möglichen Kunstausdrücke, liest Journale um ein Urteil über das neueste Buch zu bekommen, und jeder Abend ist eigentlich ein Examen, eine Schulprüfung für sie, wo sie das auf geschickte Art anbringen muß, was sie gelernt hat. Daß einem Mann von wahrer Bildung, von wahren Kenntnissen, vor solchem Geplauder, vor solcher Halbbildung graut, können Sie sich denken; er wird diese Unsitte zuerst lächerlich, nachher gefährlich finden, er wird diese Überbildung verfluchen, welche die Frauen aus ihrem stillen Kreise herausreißt und sie zu Halbmännern macht, während die Männer Halbweiber werden, indem sie sich gewöhnen, alles nach Frauenart zu besprechen und zu beklatschen
Frauen haben halt einen anderen Zugang zur Literatur:
Es gereichte Josephen in den Augen ihres Freundes zu keinem geringen Ruhm, daß sie gerade jenen Dichter zu ihrem Liebling erwählt hatte, der auch ihn vor allen anzog. Zwar mußte er ihr oft bei Vorlesungen aus Jean Pauls herrlichen Dichtungen zu Hülfe kommen, um dieses oder jenes dunklere Gleichnis zu erklären; aber sie faßte schnell, ihr natürlicher Takt und ihr zarter Sinn, der so ganz in dem Dichter lebte, ließ sie manches erraten, ehe ihr noch der Freund Gewißheit gegeben hatte.
3. Baron Munchausen’s Narrative of his Marvellous Travels and Campaigns in Russia
Rudolf Erich Raspe (Wikipedia) war ein deutscher Schriftsteller, Bibliothekar, Übersetzer, Geologe, Mineraloge und gelegentlicher Betrüger. Er ist wohl der eigentliche Autor der ursprünglichen Münchhausen-Geschichten. Die Details in Kürze, hauptsächlich aus Wikipedia abgeschrieben:
- Es gab einen historischen Baron Münchhausen, der gerne launige Geschichten erzählte, ohne sie tatsächlich ernst genommen haben zu wollen.
- Jemand schrieb 1781 und 173 achtzehn kurze , lustige „M-h-s-nsche Geschichten“ in der von Friedrich Nicolai pseudonym herausgegebenen Zeitschrift Vade Mecum für lustige Leute. Vielleicht war das bereits Raspe.
- Raspe, der inzwischen in England lebte, übersetzte 1785 diese Geschichten frei ins Englische und gab sie als schmales Büchlein heraus.
- 1786 erschienen weitere Auflagen mit ergänzten Geschichten, möglicherweise nicht mehr von Raspe. Das Vorwort der Gutenberg-Ausgabe beklagt deren mangelnde Qualität – plumpe zeitgenössische Satire statt origineller Lügengeschichte.
- 1786 übersetzt Gottfried August Bürger die erweiterte englische Ausgabe wiederum relativ frei und anonym ins Deutsche, 1788 dann auch die wiederum erweiterte fünfte englische Ausgabe. In Deutschland wird Bürger lange für den ursprünglichen Münchhausen-Autor gehalten. Raspe hat sich nie zu Münchhausen geäußert, ob die erweiterten Geschichten von ihm sind, ist nicht geklärt. Er starb 1794, im gleichen Jahr wie Bürger, der
Den späteren Geschichten fehlt tatsächlich der Charme der früheren: es gibt Mondmenschen, Seereisen, Inseln aus Käse, Besuch bei antiken Göttern, dreibeinige Menschenrassen mit nur einem Arm – zu ähnlich zu anderen Lügengeschichten und damit generisch. Es geht nicht mehr um Improvisation in außergewöhnlichen Situationen als Einzelperson. Munchausen gräbt erst den Panama-, dann den Suezkanal. Manches ist arg mühsam zu lesen. – Was es gar nicht gibt, sind der Ritt auf der Kanonenkugel (den ich mag) und seine Assistenten, der Schnelläufer und so (die ich nicht mag). Die gibt es bei Bürger und Kästner.
Wie schreibt Volker Hoffmann in Kindlers Neues Literaturlexikon, das ich im WindowsXP-Kompatibilitätsmodus zum Laufen gekriegt habe: „Der Münchhausen gehört zur Reihe jener Werke, bei denen die Erzähltradition gegenüber der selbständigen Leistung eines einzelnen Autors an Bedeutung überwiegt.“
Links:
- Englischer Text: The Surprising Adventures of Baron Munchausen by Rudolf Erich Raspe (Gutenberg).
- Blogeintrag zu Karl Immermann, Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken.
- Wikipedia zu dem Erzählrollenspiel „The Extraordinary Adventures of Baron Munchausen“ (englisch, es gibt auch eine deutsche Ausgabe, aber ohne Wikipediaeintrag)
- Die ursprünglichen „M–h–s–nsche Geschichten“ aus dem Vademecum für lustige Leute (Wikisource)
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