Kurzfassung
Ich werde vielleicht nie wieder Präsentationen mit Präsentationssoftware erstellen.
Erklärung und Beispiel
Stattdessen schreibe ich meine Präsentation in Markdown, und zwar aktuell in der Obsidian-Umgebung (Blogeintrag). Das sieht dann so aus wie in diesem Beispiel für eine mögliche, wenn auch nicht sonderlich spannende, Einstiegspräsentation zum Barock, die in einer Textdatei gespeichert ist:
# Das (oder der) Barock
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## Geistesgeschichtliche Epoche
* zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts
* gefolgt von der Aufklärung
* geprägt vom Dreißigjährigen Krieg
* geprägt vom Gegensatz Jenseits- und Diesseitsorientierung
* *memento mori* und *carpe diem*
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Die Plünderung auf einem Bauernhof (Jacques Callot, Les Misères et les Malheurs de la Guerre)
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Die Plünderung eines Dorfes (Jacques Callot, Les Misères et les Malheurs de la Guerre)
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### Politischer Hintergrund

funktioniert noch nicht so recht
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### Politischer Hintergrund
* Absolutismus
* Reformation und Gegenreformation
* Gebietsstreitigkeiten: katholische Liga, protestantische Union
* Dreißigjähriger Krieg 1618 bis 1648
* Plünderungen, Hungersnot, Krankheiten
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## Künstlerische Epoche
* Architektur
* Oper
* Musik
* Theater
* Roman
* Lyrik
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Berthold Werner, [München Sendlinger Straße 32 Asamkirche BW 2017-03-16 17-10-25](https://commons.wikimedia.org/wiki/File:M%C3%BCnchen_Sendlinger_Stra%C3%9Fe_32_Asamkirche_BW_2017-03-16_17-10-25.jpg), [CC BY-SA 3.0](https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)
Aus diesem Code wird dann die Präsentation erzeugt, wobei ---
(am besten mit Leerzeilen davor und danach) jeweils den Beginn einer neuen Folie markiert. Es gibt also erst einmal gar keine andere Präsentationsdatei, die generiert und verwendet wird; dieser Code, gespeichert als schlichte Textdatei, ist die Präsentationsdatei. (Technisches: Die Folien werden im Hintergrund mit der Bibliothek Reveal.js erzeugt.)
Die etwas kompliziert aussehende Syntax, um Bilder aus meinem Archiv einzubauen, versteht man schnell; außerdem erzeugt die Obsidian auf Tastendruck selber. Das letzte sieht nur so umständlich aus, weil ich hier saubere Lizenzangaben mache.
Alles mit # oder ## oder ### vorne dran wird zu einer Überschrift, alles mit * zu einer Stichpunktliste. Natürlich gehen auf diese Art auch nummerierte Listen, Unterpunkte, kursive und fette Textausgabe, die gängigsten Elemente. Was nicht geht, oder nur umständlich: Ein Bild neben einem Textblock platzieren. Aber dann mache ich das halt nicht.
Diesen Folienentwurf kann ich sehr schnell schreiben, verbesseren, ändern, ergänzen. Ich kümmere mich nicht um Schriftgrößen, klicke nicht mit der Maus mal in dieses, mal in jenes Feld, blättere nicht vor und zurück, ziehe keine Bilder groß und klein. Endlich ist das Schreiben von Folien so einfach und vergnüglich wie das Schreiben von Programmcode. Und das geht auch am Tablet oder Smartphone.
Das Modul „Canvas“, das ich in einer Folie verwendet habe, ist eine relativ junge Obsidian-Ergänzung, die sich nicht für den Export eignet. Ich habe das trotzdem mal stehen gelassen.
Ansichten
Hier zeigen einige Grafiken, was aus der Quelldatei entsteht. Dabei gibt es je nach Format, Plugin, eigenem CSS-Interesse verwendeter LaTeX-Vorlage weitere Gestaltungsmöglichkeiten, manche davon eher für Leute mit Erfahrung. Aber die Standard-Ausgabe reicht auch schon, finde ich.
Ausdruck der aus dem Quelltext entstandenen Folien als PDF (hier als Grafik, entspricht nicht ganz der Präsentation, die zum Beispiel weiß auf schwarz ist, aber schon so ungefähr):

Ausdruck der Quelldatei als PDF (hier als Grafik, die ersten zwei Seiten):

Ausdruck der Quelldatei als PDF via LaTeX (hier als Grafik):

Ergänzungen
Dass das im Prinzip geht, weiß ich schon lange, ich habe das, glaube ich, bei Beat Doebeli Honegger vor zehn oder mehr Jahren gesehen, ich weiß nicht mehr ob LaTeX oder Markdown. Aber erst jetzt habe ich mich vielleicht durchgerungen, das alles einmal auszuprobieren.
Ich kann die entstandenen Folien auch als Folien ausdrucken, wenn ich sie in dieser Form an Schüler und Schülerinnen weitergeben möchte. In Obsidian geht das nur mit dem Plugin Advanced Slides,
aber ich habe festgestellt, dass ich das eigentlich gar nicht will. Es ist für meine Zwecke besser, die Folien einfach als Fließtext auszudrucken. Überschriften bleiben Überschriften, Stichpunktlisten bleiben Stichpunktlisten, Bilder bleiben Bilder – aber halt ohne die Folienkästen drumherum, einfach als Text untereinander. Die Foliengrenzen werden dabei zu horizontalen Linien. (Ich könnte sie auch ganz verbergen, wenn mir die Folienüberschriften zur Strukturierung reichen, habe aber festgestellt, dass mir das mit den Strichen lieber ist.)
Die Ausgabe kann dabei im Prinzip als HTML-Seite geschehen, oder als daraus generierter PDF-Seite, oder als via LaTeX generierter PDF-Seite im schicken LaTeX-Format. Oder als .docx oder .odt, wobei ich in diesen Fällen nachbessern würde.
Ich kann zwischen die Folien auch beliebig große Blöcke einbauen, die im Präsentationsmodus nicht angezeigt werden, bei der PDF-Ausgabe aber schon. Gedacht wäre das erst einmal für Folien-Anmerkungen, aber ich gedenke das zu verwenden für den ganzen Kram, den ich beim Vortrag sage, der aber nicht in der Folie steht; für Ergänzungen, Beispieltexte, ein zusätzliches Diagramm, ein zusätzliches Gedicht, einen Exkur, eine Zusammenfassung – alles, was ich in der Präsentation nicht zeigen will, was aber im Skript stehen soll, dass dann aus diesem Dokument entsteht.
Seitenumbrüche
Wenn ich mein Dokument als PDF ausgebe (oder sonstwie), geschieht das automatisiert und ich habe erst einmal keine Kontrolle mehr darüber, wann ein Seitenumbruch geschieht. In der Papierwelt war das ungemein wichtig, weil das Ergebnis ja kopiert werden musste und deshalb auf 1 oder 2 oder 4 Seiten passten musste. (Ungünstig: 3.) Wenn ich die Datei digital weitergebe, ist mir das egal. Vielleicht ist da selbst PDF nur eine Zwischenlösung und ich gebe irgendwann mal im Format HTML weiter, oder gar die Markdown-Datei selber.
Mehr
Ich kann auch Sequenz- und Klassendiagramme per Code erstellen, das läuft über die integrierte Bibliothek Mermaid.js – vor allem Klassendiagramme brauche ich viel, und sie sind dafür recht mühsam in anderen Programmen anzulegen. Jetzt geht das verhältnismäßig ratzfatz. Ich schreibe, nicht erschrecken:
```mermaid
classDiagram
direction LR
class Figur {
staerke : int
geschicklichkeit : int
berechneAngriff() int
berechneVerteidigung() int
}
class Gegenstand {
name : String
bildname : String
kuerzel : char
setzeBildname(String) void
}
class Schild{
verteidigung : int
Schild()
Schild(int)
gibVerteidigung() int
}
Schild --|> Gegenstand
Gegenstand "10" -- Figur : < hat
```
Und dargestellt wird mir das beim Ausdruck, im Vorschaumodus und bei der Präsentation als Grafik, nämlich so:

Der Code sieht vielleicht umständlich aus, aber tippt sich schnell. Bisher musste ich entweder eine Tabelle mit drei Zeilen für eine einzelne Klasse anlegen, oder ein externes Programm für ein Diagramm mit mehreren Klassen, oder ein Vektorrechteck mit Text und Querstrichen füllen – da ist Mermaid um Längen schneller, und editierbarer.
Umstellungsluste
Ich bin dabei, viel aktuelles Material umzustellen, insbesondere in Informatik, aber auch in Deutsch. Ja, auch weil keine brauchbare Tafel da ist und ich ungern auf dem Tablet zeichne, arbeit ich mehr mit Folien. Aus den Folien werden jetzt halt Skripte. Bisher habe ich mitunter die gleichen Inhalte in verschiedenen Dokumenten: Mal als ausführliche, mal als knappe Präsentation, mal mit viel Beispiel drin und mal mit wenigen, mal als Textdokument. Das möchte ich in Zukunft zusammenführen, auch weil ich in Obsidian leicht denselben Textausschnitt in verschiedene Dokumente einbauen kann. Wenn ich dann wieder entdecke, dass ich irgendwo einen Binde- statt einem Halbgeviertstrich habe, muss ich das nur an einer Stelle ändern, und das wirkt sich dann auf alle Texte aus, in denen der Text eingebaut ist.
Klar: was nicht geht, wird nicht gemacht. Ich behalte meine klassischen Präsentationsdokumente, die eher schon Trickfilme sind, werde aber keine neuen solchen anfertigen.
Ein Vorteil: Endlich einheitliches Design. Sonst sehen die Folien von vor ein, zwei, fünf, zehn Jahren halt doch immer unterschiedlich aus. Jetzt mache ich mirum das Design keine Gedanken, sondern überlasse das dem Theme.
Ist das etwas für alle?
Um Himmels Willen, nein. Man muss schon noch ein wenig nerdig sein. Außerdem ist Obsidian nicht geeignet, wenn man:
- viele Texte mit Zeilenangaben braucht,
- darauf angewiesen ist, Material seitensparend auf Papier zur Verfügung zu stellen (also bei einer Kurzgeschichte solange herumbasteln muss, bis sie auf zwei Seiten passt, weil das sonst nicht mehr kopierbar ist),
- gerne auch nur mäßig elaborierte Präsentationen mit Bild und Text erstellt,
- viel handschriftliche Notizen machen möchte,
- Präsentationsvorlagen vom Arbeitgeber benutzen muss.
Aber für mich ist das tatsächlich ein, uh, Game Changer. Keine Präsentation mehr anders, auch aus Nachhaltigkeitsgründen. Die Standardfunktionen reichen fürs erste Jahr aus, bei meinen – wichtigen – Extrawünschen ist noch etwas Bastelarbeit nötig.
Plugins für Obsidian
Hier stelle ich die Plugins und Elemente vor, die für mich wichtig sind. Ich bin noch dabei, das Optimum zu finden – es sollten möglichst wenige sein, andererseits möchte ich auch nicht zu tief selber in CSS einsteigen müssen. Ich weiß ja auch noch gar nicht, was ich überhaupt will – brauche ich fancy LaTeX-Export? Eigentlich ja doch nicht. Wie sehr will ich am Design schrauben? Vielleicht brauche ich am Ende doch nur das eine Plugin zum Synchronisieren.
Slides
- Bereits in Obsidian integriert.
- Mermaid-Diagramme werden korrekt angezeigt
, sind aber im Standard-Theme nicht gut lesbar. - Foliendesign nur über CSS änderbar.
- Keine PDF-Ausgabe der Folien als Folien möglich. Zuerst dachte ich, dass ich das möchte, aber dann habe ich festgestellt, dass ich das gar nicht brauche: Ich drucke die Folien viel sinnvoller nur als Fließtext aus.
- Man kann einen Bereich auswählen, so dass dieser Bereich nicht im Folienmodus gezeigt wird, aber beim Ausdruck als Fließtext schon erscheint. Allerdings muss ich diesen Bereich über CSS markieren und zuvor in einem Stylesheet ergänzen, was Frickelarbeit ist und Erfahrung braucht:
<span class="hide-this">
### Überschrift
</span>
Advanced Slides
- Man kann eine Zeichenkette, zum Beispiel „Notes“ oder „Mehr Informationen“ auswählen, so dass alles ab diesem Text bis zur nächsten Folie nicht im Folienmodus gezeigt wird. Ausgedruckt wird es aber schon.
- Ausdruck oder PDF-Ausgabe der Folien als Folien möglich, siehe oben.
- Mermaid-Diagramme werden zu klein gezeigt.
- Verschiedene Designs für die Präsentation möglich.
- Nicht für Tablet oder Smartphone.
Pandoc Plugin
- Ermöglicht Export nach LaTeX, was hübsch aussieht. (Dazu muss man LaTeX installiert haben, und Pandoc auch.)
- Kann Mermaid-Diagramme.
- Das Plugin wird wohl nicht mehr aktualisiert.
- Fußnoten werden (mit dem voreingestellten LaTeX-Template) zu Endoten.
- Änderungen bei HTML > LaTeX mit Lua-Filtern.
- Nicht für Tablet oder Smartphone.
Enhancing Export
- Ermöglicht Export nach LaTeX, was hübsch aussieht. (Dazu muss man LaTeX installiert haben, und Pandoc auch.)
- Kann keine Mermaid-Diagramme.
- Fußnoten werden (mit dem voreingestellten LaTeX-Template) als Fußnoten dargestellt.
- Andere LaTeX-Templates leichter einzubauen.
- Änderungen bei HTML > LaTeX mit Lua-Filtern.
- Nicht für Tablet oder Smartphone.
Better Export PDF
- Ermöglicht etwas mehr Optionen beim PDF-Export.
- Nicht für Tablet oder Smartphone.
Remotely Save
- Ich arbeite mit dem eigentlichen Vault in einem Online-Drive (ByCS Drive), der jeweils ins Betriebssystem integriert ist, und greife auf drei verschiedenen Geräten darauf zu, das geht gut, ganz ohne Plugin.
- Ich synchronisiere außerdem über Webdav mit dem Smartphone, dem Tablet, und dem portablen Windows-USB-Stick, und da werden manchmal alte Dateien nicht gelöscht – ich vermute, das liegt am USB-Stick, der seinerseits über rsync synchronisiert wird.
Weiterführende Lektüre: „Markdown and the slow fade of the formatting fetish“ https://ia.net/topics/markdown-and-the-slow-fade-of-the-formatting-fetish, heute via Armin Hanisch auf Mastodon gekriegt. In diesem Artikel geht es um die Geschichte der Textverarbeitung, um Formate und Formatierung, die Dominanz der Microsoft-Formate und – sehr schön – die Entwicklung von Microsoft Word, mit vielen historischen Screenshots. Und es wird behauptet, dass sich da langsam etwas zu ändern beginnt.
Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber immerhin hat Markdown (das ich bisher nur auf Github verwendete) jetzt ja auch mich erreicht, vielleicht sogar nachhaltig, und ich bin ja quasi fast schon Mainstream.
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