Ich habe eine Erbschaft gemacht.
So habe ich es jedenfalls meinen Nachbarn und dem Hausmeister erzählt, die mich beim Ausladen dieser Kartons aus dem Auto erwischten:

Immerhin 25 Kartons, ein ganzer Kombi voll, Rücklehne umgeklappt, aber nach oben noch gut Platz.
Tatsächlich habe ich die Kartons und ihren Inhalt nicht geerbt; die ehemalige Besitzerin Estara lebt und erfreut sich noch, aber eben nicht mehr an den Kartons.
Also lieh ich mir das Auto meiner Eltern und fuhr ganz allein Richtung Nürnberg, etwa zwei Stunden lang. Das Auto hatte ein Satelliten-Navigationssystem und es war das erste Mal, dass ich das nicht als Beifahrer erlebte, sondern mich selber danach richten konnte. Ich hatte zwar ausgedruckte Karten und Wegbeschreibungen und Atlanten dabei, aber ich bin ein eher unsicherer Navigator. GPS ist sehr praktisch und reine Science Fiction, führt aber dazu, dass ich mich ohne gar nicht mehr orientieren kann.
Bei Estara luden wir die Kartons in den Wagen und gingen dann noch ein Häppchen essen. Vielen, vielen Dank für die Kartons, Estara! So sahen sie bei mir im Zimmer aus:

Die ersten Tage hatte ich kaum Zeit, aber bald ging es ans Auspacken und Sortieren. In fünf der Kartons waren amerikanische Roman-Taschenbücher, an denen mein Interesse geringer ist, aber die restlichen Kartons enthielten amerikanische Comics. Comics, Comics und Comics.
Ein kleiner Teil stammt aus verschiedenen Independent-Verlagen, ein großer Teil ist Marvel (und zwar fast das ganze X‑Universum), und der größte Teil DC: Superman, Batman, Green Arrow, Wonder Woman, Catwoman, Robin, Nightwing, Teen Titans, Legion of Super-Heroes. Alles von etwa 1987 bis 1997, ein zugegebenermaßen unglückliches Comic-Jahrzehnt, vor allem bei Marvel. Deshalb bin ich sogar froh, dass ein Großteil der Comics von DC ist.
Hier sieht man mich, wie ich zu sortieren beginne:

Sortieren ist etwas, das mir großes Vergnügen bereitet. Inzwischen sind alle Serien sortiert und erfasst. Bald geht es daran, die Listen in den Computer zu tippen. Sammler machen so etwas. Und dann muss ich die Hefte natürlich auch noch lesen – wenn auch vermutlich nicht alle. Einige der Independents werde ich zu ebay geben, ebenso die doppelten Hefte. Dem Rest werde ich ein Heim bieten. Deshalb hat Estara mir die Comics auch geschenkt: Sie selber hatte kein Interesse mehr daran, und der Markt in Deutschland ist klein, eBay mühsam. Da ist es schöner, wenn man seine Sammlung in gute Hände geben kann.
So ähnlich geht es mir auch. Noch erfreue ich mich an meinen Büchern und Comics. In dreißig oder vierzig Jahren werde ich auf viele davon verzichten können, aber was mache ich dann damit? Geld brauche ich nicht, ich verschenke oder vererbe die Sachen gerne.
“Wer mit dem meisten Spielzeug stribt stirbt, hat gewonnen,” sei das Credo unserer Gesellschaft, meinte Neil Postman kritisch. So lange mit dem Spielzeug auch wirklich gespielt wird, kann ich dem Satz tatsächlich noch einiges abgewinnen – aber das ist ein anderes Thema.
PS: Wenn ihr von einer Serie, zum Beispiel Wonder Woman (1987), die Hefte 1–37, 39–106 und 108–118 hättet: Würdet ihr dann nicht auch erst einmal die Hefte 38 und 107 besorgen, völlig unabhängig davon, ob einem die Serie gefällt oder nicht? Wenn das mit ein paar Mausklicks geht und gar nicht teuer ist? Schon mal aus Ordnungssinn, meine ich. Da kann man doch nicht anders, oder?