Gestern kam Kollegin M. in der S-Bahn in den Genuss einer Kurzfassung meines schon lange nicht mehr gehaltenen Vortrags DasAmerikanischeRadioDer30erBis50erJahre. Im Zuge des Vortrags habe ich auch mit meinem Mp3-Player herumgefuchtelt, Podcasts angesprochen und vorgespielt – und wo ich schon dabei war, durfte ich auch ein paar meiner neuesten Schätze vorführen: Deutsche Schlager der 50er Jahre. Und das kam so.
Wie schon mal erwähnt, hatten wir mit 14 und 15 Jahren einen Clubraum auf dem Speicher eines Freundes. Dort gab es auch einen alten Plattenspieler (33, 45 und 78 rpm) und einige Dutzend Singles aus eben diesen 50er Jahren. In den letzten Sommerferien habe ich mir viele der Titel, an die ich mich noch erinnern konnte, auf CD besorgt. Es gibt da einige ganz wunderbare Anthologien. Meine Favoriten, von denen ich jetzt sogar die Interpreten weiß:
Stan Oliver, „Das Geisterschiff vom Ohio“:
Fängt an wie Wagner, zwischendurch Akkordeon.
Das Geisterschiff vom Ohio
War hundert Jahre nicht mehr da
Doch heut nacht kam’s zurück zum Ohio
Jimmy Jones war der einz’ge, der es sah.
Dramatisch und doch schwungvoll interpretiert.
Jörg Maria Berg, „Patricia“:
Sooooo eine Hammond-Orgel. Nachtrag: Gestern abend kurz in Space Cowboys hineingeschaut, da hört man am Anfang, noch in den 1950er Jahren, den Anfang des Lieds. War im Original also wohl amerikanisch, möglicherweise das hier. kubanisch, nämlich das hier.
Billy Mo und das Orchester Bert Kaempfert, „Mitternachts-Blues“:
Die instrumentale A-Seite der Single, auf der B-Seite gab es – das weiß ich eben noch von damals – eine Version mit Text.
Das Lucas-Quartett, „Salome“:
Zugegeben, das ist von 1961, und im Clubraum gab’s die Single nicht. Ich kenne das Lied, vermutlich in dieser Aufnahme, aus dem wöchentlichen Wunschkonzert des Bayerischen Rundfunks, Bayern 1. Als ich zehn oder zwölf war, habe ich das oft mit meinen Großeltern gehört.
Still durch den Sand der Sahara dahin
Die Karawane sich zieht
Sie führt den Forscher, den Jungen aus Wien
Heut‘ in ein neues Gebiet
Da stecken Geschichten dahinter, Karl May kommt einem hoch/in Erinnerung… Das Lied selber wurde 1920 von Robert Stolz komponiert. (Dem wir dankbar sind für „Ob blond, ob braun“ und „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“, „Zwei Herzen im 3/4 Takt“, „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein“ und vor allem „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“.) Hier eine postkoloniale Kritik daran.
Jedenfalls sang ich das auch alles so zu Demonstrationszwecken leise vor und meinte – nicht klagend, nicht mal resigniert, eher sachlich und wie leichthin nebenbein: „Kennt heute natürlich niemand mehr.“
— Da konnten die Mitreisenden auf den Sitzen gegenüber dann doch nicht mehr an sich halten. Beide, mein Alter oder ein bisschen älter, etwas amüsiert, meinten unabhängig voneinander, doch, das kennten sie schon noch. „Patricia“, klar, auch „Salome“. Letzteres habe auch der Max Raabe in seinem Repertoire, erst neulich in München gehört.
Da war ich hoch erfreut.
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