Vor drei Wochen machte dieser Radiobeitrag von NPR die Runde, When Women Stopped Coding. Kern des Beitrags ist diese Grafik, die den Frauenanteil in medizinischen, juristischen, naturwissenschaftlichen Studiengängen im Verlauf der Jahre darstellt:

Man fragt sich: Was ist Anfang der 1980er Jahre passiert, dass der Anteil der Frauen – anders als in den anderen Studiengängen – plötzlich wieder gesunken ist? Die Antwort, die der Radiobeitrag gibt, lautet: Heimcomputer. Vorher waren Rechner eine Sache für Firmen; mit dem Aufkommen der Heimcomputer wurden sie zu etwas, das man zu Hause haben konnte – genauer gesagt: zu einem Spielzeug für Jungs. Und damit waren die Mädchen draußen. Als Beispiele dafür, dass das Spielzeug als Jungs-Spielzeug beworben wird, werden ein paar Werbespots zitiert; ich habe bei Youtube gesucht, welche davon zu finden sind, und kann diese zwei hier anbieten:
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(Andere Spots aus der Zeit, die nicht so sehr zur Theorie passen, unterschlage ich hier mal.)
Tatsache ist, dass der Frauenanteil in der IT gering ist. Das gilt für IT-Berufe in Deutschland:

2011 und 2012 lag der Anteil der Frauen, die in IT-Berufe einsteigen, bei 7,5%. Für Studiengänge sieht das ähnlich aus – der Frauenanteil ist allerdings im Steigen begriffen und liegt bei gut 22%, also dem höchsten Wert seit 1977.

(Quelle für beide Grafiken)
Für den Anteil an Frauen, die in der Oberstufe am bayerischen Gymnasium Informatik wählen, habe ich leider keine Zahlen; in den Kursen der letzten Jahre waren es zwischen 15% und 25%.
Bleiben für mich drei Fragen:
- Warum ist der Frauenanteil – in der Schule, im Beruf – so gering?
- Ist das ein Zustand, den zu ändern sich die Gesellschaft bemühen sollte?
- Wenn ja, was kann man da machen?
Gute Antworten habe ich auf keine der Fragen. Zumindest will ich aber ein Argument entkräften, dem man gelegentlich begegnet: “Vielleicht wollen die Frauen einfach nichts mit Computern zu tun haben. Es soll doch jeder machen können, was er will, und zu nichts gezwungen werden.”
Klar soll jeder einzelne frei entscheiden können. Aber die Entscheidungen des einzelnen kommen ja nicht aus der Luft, sondern haben eine Vorgeschichte, und die Entscheidungen einer großen Gruppe von Menschen lassen sich an anderen Faktoren festmachen. Ich stelle mir ein gesellschaftliches System wie ein kompliziertes SimCity vor, eine Simulation einer Stadt, mit vielen Knöpfen und Drehreglern:

Links unten ist der Frauenanteil in der IT-Branche angegeben. Egal wie groß der ist, er hängt von den Einstellungen der verschiedenen Drehregler ab. Und ja, natürlich basiert der Anteil auf der Menge vieler freier Einzelentscheidungen. Und doch: Wenn man an den Regler im Spiel dreht, ändern sich viele andere Einstellungen, unter anderem auch der Frauenanteil in der IT. Es gibt keinen naturgegebenen Frauenanteil. “Lasst doch die Frauen und Männer machen, was sie wollen” stimmt schon, beantwortet aber nicht die Frage, ob die aktuellen Reglereinstellungen optimal sind oder nicht.
Zugegeben: Nicht alles lässt sich gesellschaftlich regeln. Es gibt Konstanten, die sich nicht ändern lassen. Das ist dann das Biologische. Aber das spielt wohl eine geringe Rolle gegenüber gesellschaftlichen Faktoren – ich kann mir keinen plötzlich eintretenden biologischen Faktor vorstellen, der Anfang der 1980er Jahre dazu geführt haben könnte, dass Frauen nicht mehr IT studieren.
(Ein weiteres Argument von sehr begrenztem Wert ist die Frage, ob es denn nichts Wichtigeres gebe. Gibt es, klar, aber das ist irrelevant.)
1. Warum ist der Frauenanteil – in der Schule, im Beruf – so gering?
Die kurze Antwort: Weil so wenige Frauen in die IT wollen. Die lange Antwort würde erklären, warum so wenige wollen. Das liegt ja an den Systemeinstellungen, wie in meinem SimCity-Beispiel. Und da habe ich allenfalls nur Vermutungen. Mit der Schule hat das ein bisschen was zu tun, aber das meiste dürften außerschulische Faktoren sein: Fehlende Vorbilder, traditionelle Rollenmodelle, Software von Männern für Männer.
2. Ist das ein Zustand, den zu ändern sich die Gesellschaft bemühen sollte?
Ja. Wenn Informatik allgemeinbildend ist und ihre Inhalte allgegenwärtig sind, und das behaupte ich mal, dann sollte man nicht einen Großteil der Bevölkerung davon ausschließen beziehungsweise sich ausschließen lassen.
Vorteile für die Welt der Softwareentwicklung: Ob gemischte Teams produktiver sind oder ob Frauen mehr Sozialkompetenz in die Firmen bringen, weiß ich nicht, da bin ich skeptisch. Grundsätzlich ist Vielfalt aber vermutlich ein Vorteil, weil sie neue Gesichtspunkte einbringt, wie auch immer die genau aussehen.
Zu Gamergate sag ich jetzt mal nichts, weil ich das nur am Rande mitkriege und ich nicht weiß, wie da szu meinem Thema passt.
3. Wenn ja, was kann man da machen?
Im Informatikunterricht nicht viel. Ein Pflichtfach Informatik einführen, wie es Bayern ja schon teilweise gemacht hat. Geeignete Themen wählen, auch wenn das nicht heißt, dass Mädchen keine Fußballfelder zeichnen sollen, sondern Puppenstuben… sagen wir: man sollte sich als Informatiklehrer essen bewusst sein, dass die Mädchen gefördert werden müssen. Wie man das macht, hängt vom Einzelfall ab. Ich bin ja schon froh, wenn die Prämisse, dass man die Mädchen nicht ausschließen soll, akzeptiert wird.
Bleibt die Frage, was das optimale Ergebnis ist. Wenn jeder Mensch sich frei für das entscheiden kann, was er will, klar – aber ganz frei sind diese Entscheidungen ja nicht. Müssen es 50% Frauen in der Informatik sein? Was tun eigentlich die Sprachen mit eine deutlich höheren Frauenanteil, müssen die sich anstrengen, Männer anzuwerben??
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