Ein Kinderbuch-Klassiker: In einem Internat in England wollen die jungen Schüler eine Geschichte hören, und jeden Abend erzählt sie ihnen der Lehrer weiter. Es ist eine rechte Räuberpistole. Sie beginnt mehr oder wenigerdamit, dass sich eine geheimnisvolle grüne Wolke sich auf die Erde senkt, und nachdem sie sich wieder erhoben hat, sind alle Menschen tot und zu steinernen Statuen geworden. Nur die Schüler dieses Internats, die zufälligerweise gerade mit ihrem Lehrer und dem Millionär Pyecraft auf einer Fesselballon-Exkursion waren, leben noch.
Die Schüler genießen ihre neugewonnene Freiheit, streifen durch die Gegend und erleben verschiedene Abenteuer. Sie fahren mit einer Eisenbahn, mit Luftschiff und Flugzeugen, machen Entdeckungen, begegnen auch gefährlichen Gangstern (denn auch anderswo haben ein paar Menschen überlebt).
Auf jedes Kapitel, in dem diese Geschichte weiter erzählt wird, folgt ein kurzes Kapitel mit der Reaktion der Zuhörer auf das eben Gehörte. Sie wünschen sich von Neill, dem Erzähler, mehr Abenteuer, weniger Weiberkram, Piraten oder Krokodile; sie beklagen sich über Erzähltes oder spekulieren über seine Gründe. („Und die Toten sind alle zu Stein geworden, damit es keine Probleme mit den verwesenden Leichen gibt, stimmt’s?“) In der jeweils nächsten Episode setzt Neill die Wünsche dann mehr oder weniger um.
Mehr oder weniger, der Bestimmer (weil Erzähler) bleibt Neill. Irgendwann gibt es die ersten Toten. Im Endkampf mit den Gangstern gehen noch mehr drauf. Am Schluss ist Neill der allerletzte Mensch auf der Welt. Er genießt die himmlische Ruhe und schenkt sich einen Cognac ein. Ich denke, jeder Lehrer kann das ein bisschen nachvollziehen. Die zuhörenden Kinder beklagen sich zwar etwas, nehmen es ihm aber auch nicht weiter übel.
Ich habe das Buch mal mit einer humorvollen 6. Klasse gelesen. Kam gut an. Man kann daran schön den Unterschied zwischen Autor und Erzähler zeigen: Der Autor heißt A.S. Neill und war Gründer der Summerhill-Schule und Vorreiter der antiautoritären Erziehung. Dann gibt es Neill, die Figur in der fiktionalen Geschichte, der allerletzte Mensch auf der Welt – genauso fiktional wie die grüne Wolke selber. Und dann gibt es Neill, den Erzähler, der die Geschichte von der grünen Wolke erzählt. Man kann sich das so vorstellen, dass es auch in anderen Büchern einen Erzähler und ein implizites Publikum gibt, nur dass da diese erläuternden Zwischenkapitel fehlen. (Es gibt eine deutsche Hörspiel/Hörbuch-Fassung, in der genau das geschehen ist: die Zwischenkapitel in Summerhill fehlen.)
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