Das wäre doch eine schöne Idee. Das Blog gleich8.de hat sich vor einem halben Jahr dazu Gedanken gemacht, ich krame das anlässlich des Schultrojaners wieder heraus.
1. EduBrowsen
Nehmen wir an, ich hätte eh schon schönes Arbeitsmaterial zu Hause, das ich gerne anderen zur Verfügung stellen würde. Stichprobe auf der Festplatte:
- Englische Hörverstehensaufgaben zu relativ freien Texten (NPR) und unfreien (Douglas Adams)
- Ein schönes Arbeitsblatt zur Metrik
- Ideen zu einer Krimi-Sequenz (unfrei, unfertig)
- Ein schönes Tafelbild zu einer nicht so oft gelesenen Novelle von Ludwig Tieck
- Texte und Material zu einer selten gelesenen Fouqué-Novelle
- Eine Präsentation zum Konstruktor in Informatik.
Das ist Material, das sich mit Schulbuchmaterial messen kann. (Was aber fehlt, und dazu später, ist die Einordnung in den Lehrplan und einen Lernprozess und andere Zusammenhänge.) Wenn ich das mit anderen teilen möchte, kann ich das Material in einem Blog veröffentlichen (2, 5, 6), einen Moodlekurs dazu erstellen und den zur Verfügung stellen (6), ich kann es auf einer Mailingliste anbieten (1). Ich könntes außerdem bei einer der vielen Portale für Unterrichtsmaterial einstellen, ein kleiner Überblick von OER Commons über Digitale Schule und ZUM-Wiki in diesem Blogeintrag. Ich kann bei Jan Klinges One-Note-Projekt mitmachen. (3) kann ich nicht teilen, da verwertungsrechtlich geschützt.
Tatsächlich nutze ich nur die Möglichkeit meines Blogs, und die auch nur sporadisch, denn das ist kein Materialblog hier. Auf Materialplattformen lade ich nichts hoch; ich nutze sie auch sonst so gut wie gar nicht. In den ersten Jahren meines Lehrerseins habe ich mich da gelegentlich bedient, inzwischen habe ich kein Bedürfnis nach Material. (Nur OER Commons habe ich abonniert, aber das nur aus Interesse – Englisch unterrichte ich ja de facto nicht mehr.) Die Benutzeroberflächen sind mir zu anstregend, und das Anschauen und Herunterladen von pdf- oder doc-Dateien ist mir zu mühselig. Auch das Zusammensuchen aus Blogs geschieht eher sporadisch. Reicht mir auch, ich lese Blogs nicht wegen des Materials, sondern wegen der Leute und der Ideen.
Ein wenig anders wäre das, wenn es einen Materialbrowser gäbe für Unterrichtsmaterial. Ein Youtube für Bildungsmaterial (Blogeintrag 2008) oder ein iTunes für Bildungsmaterial (blogeintrag 2008). SourceForge als Vorbild ist auch denkbar, und TeachingEnglish habe ich mal als Facebook für Englischlehrer vorgestellt.
Voraussetzung wäre ein (XML-)Format für Unterrichtsmaterial. Wenn ich mir meine Beispiele oben ansehe, gehört für meine Fächer dazu: Eingebettetes Audio- und Videomaterial (bzw. Links dazu); Links zum Thema; ein oder mehrere Texte (Gedicht, Novelle, eingebettet oder verlinkt), Aufgaben zu den Texten; Anmerkungen und Lösungen zu den Aufgaben; eingebettete oder verlinkte Bilder/Diagramme; eventuell doch Dateien als Anhang; Programmcode. Eigene Schlagwörter des Erstellers, aber natürlich gibt es im Materialbrowser die Möglichkeit der Verschlagwortung und Bewertung. Der Browser zeigt mir jeweils die gewünschten Aspekte des Materials an.
Sicher würden erst mal weniger Leute mitmachen bei diesem Format als beim Hochladen von .docx-Dateien, aber ich würde mitmachen. Der prinzipielle Vorteil dieses Vorgehens: jeder Lehrer, der doch eher ein eigenbrödlerischer Vorsichhinwurschtler ist, kann eigene kleine Quasi-Arbeitsblätter verfassen, ohne sich mit anderen groß auf gemeinsames Vorgehen wie bei einem Schulbuch zu verständigen. Aber dieses Einzelmaterial kann Module ergeben für Schulbücher.
2. Digitale Schulbücher
– Denn natürlich sind diese möglichen Materialsammlungen in meinem eduBrowser noch kein Schulbuch. Ich sage einfach weiter Schulbuch dazu, ja, auch wenn ich etwas Digitales meine. Ein Buch entsteht anders, als Gemeinschaftsprojekt etwa bei Wikibooks. In diesem Regal sieht man, was es schon alles an (für deutschsprachige Lerner gedachten) Schulbüchern gibt. Für Deutsch und Englisch ist das bisher nur eine Skizze und nicht sehr modern anmutend, am weitesten fortgeschritten ist das Chemiebuch. Jenseits der Schule gibt es einen Band zur komischen Literatur – aber das ist kein Buch in meinem Sinn, sondern ein Wiki-Artikel, ein Exzerpt: Es gibt keine längeren Absätze, gibt überhaupt nicht viel Text. Da ist überall noch viel Raum zur Mitarbeit.
Bessere Bücher (im Sinne englischer Textbooks), die mehr in meinem Sinn sind, gibt es bei OER Commons:
3. Was ich gerne hätte
Hm, dieses “FlexBook open source tool for creating remixable texts” könnte ich mir mal anschauen. Ich habe mich überhaupt noch nicht groß mit Software zur Erstellung von Büchern beschäftigt. Für meine folgenden Auslassungen stelle ich mir Wikis als Veranschaulichung vor, obwohl die für meine Wünsche nicht optimal sind.
In Deutsch und Englisch beschäftigt man sich typischerweise mit: Text und Fragen dazu. (Fragen können alles mögliche sein. Aber ich wollte nicht educationally correct sein und “Material” sagen.) Zu einem gegebenen Text kann es viele Fragen geben. Also bräuchten wir eine Art Wiki, in dem erst einmal Texte gesammelt sind. Zu jedem Text gibt es – auf einer anderen Seite gespeichert – verschiedene Fragensätze. Ein digitales Schulbuch besteht jetzt aus einer sinnvollen Reihung (und ja, diese Linearität als Vorschlag halte ich für sinnvoll) von verschiedenen Texten, mit jeweils verschiedenen Fragesätzen dazu. Mix and match. Ich will das wie eine Datenbank abfragen können: Gib mir alle vorhandenen Gedichte von Heine, kombiniert jeweils mit allen vorhandenen Fragesätzen dazu, die sich für die 9. Klasse eignen, jeweils schön untereinandergedruckt als odt-Datei.
Zu jedem Text gibt es Zusatzmaterial (Links), zu jedem Fragensatz gibt es Zusatzmaterial (Lösungsvorschläge, Anregungen). Sollen die für jeden zugänglich sein oder nicht? Müsste man klären, ich kann mit prinizipieller Offenheit leben.
Versionierung: Wenn ich mich auf einen Text beziehe, ein Gedicht etwa, soll sich der ändern können – Schreibfehler müssen nachträglich berichtigt werden können. Aber der Text soll nicht so sehr verändert werden können, dass es ein anderer Text wird. Also müsste man sich entweder auf jeweils eine konkrete Version des Texts festlegen und auf die korrigierte Fassung verzichten, oder jemand müsste aufpassen, dass die korrigierte Version wirklich nur aus kleineren Änderungen besteht. Andernfalls müsste man eine gänzlich neue Version erstellen.
Das gilt noch mehr für die Fragensätze zu Texten. Auch da sind Fehler drin, die man nachträglich korrigieren möchte, so dass eine Schulbuchseite, die diese Fragensätze benutzt, die Korrekturen automatisch übernimmt. Andererseits muss beim Hinzufügen oder Löschen eines wesentlichen Teils eine neue Version entstehen.
(Bewertung, Verschlagwortung, pdf-Ausgabe, Medieneinbindung etc. will ich sowieso.)
Dann würde ich erst einmal damit anfangen, freie Texte und Textausschnitte zu sammeln und einzustellen. Warum nicht auf Wikimedia oder anderswohin verlinken? Zu flüchtig, die Texte, und ich will sie schließlich mit einfachen Methoden mit den Fragesätzen dazu in ein Schulbuch umformen. Eine tatsächliche Leistung besteht natürlich immer noch darin, aus dem einzelnen Material gute Bücher zu erstellen und festzuhalten, was noch fehlt, bis ein gewünschter Anspruch (lehrplankonformität) erreicht ist.
Fazit: Gebt mir ein Framework, in dem ich auch kleine Stückchen nachhaltig beisteuern kann, und ich mache vielleicht mit. Schon mal deshalb, weil ich dann selber mein eigenes Material und meine eigenen Ideen ein bisschen sortiert hätte. Dass eh nur wenige Lehrer da mitarbeiten, ist klar, und kein Problem.
Fußnoten
Ein Anfangsprojekt, schön überschaubar, wäre ein englischsprachiges CC-lizenziertes Theaterstück für die 5. oder 6. Klasse zum Nachspielen. Robin Hood, King Arthur, Wildwestszenario, irgend so etwas. Dann können die Schüler das nämlich auch aufnehmen und vorzeigen. Mit Vokabelliste und Illustrationen, und vor allem mit einer Audioaufnahme führender Englischblogger.… jeder übernimmt eine Rolle, dann können die Schüler sich das anhören und ihre Rolle anständig auswendiglernen, mit Rhythmus und Intonation. Möchte das mal einer in die Hand nehmen?
Der angekündigte neue Lehrplan für Bayern soll ja ein Lehrplanplus werden – mit optionalem zusätzlichen Material. Das liegt a) im Web und ist b) zugangsbeschränkt, obwohl c) natürlich nur freies Material verwendet werden wird. Daraus könnte man tatsächlich etwas machen, wenn das nicht nur ein Lippenbekenntnis sein wird. Allein die Wartung und Aktualisierung einer solchen Datenbank, wenn sie einen sinnvollen Umfang hat, wäre eine Vollzeitstelle. Das sehe ich nicht kommen.