Durch einen Tweet von vilsrip bin ich auf diesen Bericht in der Süddeutschen aufmerksam geworden: Demnach ist ist ein Lehrer im Kirchendienst in Passau vorläufig suspendiert worden, weil er mit Schülerinnen über Fachebook kommentiert hat. Über den Inhalt der Nachrichten selber steht nichts im Artikel, sie seien “weder obszön noch sexistisch noch unter der Gürtellinie” gewesen, hätten aber doch Anstoß erregt; die Diözese reichte das Material an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung weiter.
Erste vor ein paar Tagen bin ich interviewt worden zur Frage, ob Schüler und Lehrer in Facebook befreundet sein dürfen sollten. Freundschaft ist hier im technischen Facebook-Sinn gemeint, hat also nichts mit Freundschaft zu tun. Meine Antwort: ja, klar. Elektronische Kommunikation mit Schülern ist sinnvoll, und das geht am einfachsten über Facebook. Man soll doch die Schüler dort abholen, wo sie sind, wird einem immer pädagogisch um die Ohren geschlagen, und das, wo sie sind, ist nun einmal Facebook. E‑Mail fällt den meisten schon zu schwer.
Allerdings: Mann soll die Schüler dort abholen, wo sie sind, aber dann nicht dort stehen bleiben, sondern weiter gehen. Also zu Moodle, Doodle, GoogleDocs, Blogs und E‑Mail (mit eigenem Client). Deswegen würde ich nie eine Arbeitsgruppe auf Facebook gründen oder befürworten. Schon mal aus persönlichen Gründen: ich verwende meinen Facebook-Account nicht. Meine gelegentlichen Tweets werden nach Facebook weitergeleitet, da es Leute gibt, die gerne mitkriegen, was ich so mache, aber nur bei Facebook online sind. Ansonsten ist der Facebook-Kanal offen für Leute, die mich kontaktieren wollen und keine anderen Kanäle verwenden können oder wollen. Aber dort etwas schreiben oder lesen, was andere tun, das mache ich nicht.
Schüler bilden solche Arbeitsgruppen sehr schnell. Und auch Lehrer nutzen sie. Klar: Austausch mit Partnerschule in anderem Land, da wird schnell eine Gruppe für teilnehmende Schüler, Lehrer, Eltern erstellt, und jeder kriegt alles mit. Gegenargument: muss jeder immer alles gleich mitkriegen? Gegenargument zum Gegenargument: vernünftige Eltern werden nicht jeden Tag nachschauen und kommentieren, was das Kind heute getan hat.
Echte private Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern sind immer ein Problem, und wenn es nur die Mitgliedschaft im gleichen Sportverein ist, oder das Wohnen Tür an Tür, oder die Eltern-Kind-Beziehung. (Das eigene Kind an die Schule zu geben, an der man unterrichtet: problematisch.) Aber das sind alles lösbare und keinesfalls dramatische Probleme. Man muss halt wissen, was man wann zu wem sagt.
Missbrauch kommt sicher auch vor, neulich in Hamburg etwa (46jähriger Lehrer, 14jährige Schülerin, Kontakt via Facebook).
Sympathien zwischen jungen Lehrern und älteren Schülern, die sich dann – vermutlich und hoffentlich – nach dem Schulabschluss zu Partnerschaften entwickeln, gibt oder gab es auch; ich kenne mindestens vier Lehrer, die ehemalige Schüler geheiratet haben.
Das hat aber nichts mit Facebook und dem Kontakt via Facebook zu tun. Trotzdem würde ich mich zurückhalten beim Chatten mit Schülern. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass alles, was man bei Facebook tut, öffentlich ist. Und das ist doch sehr gut so: wenn man sich mit Schülern unterhält, dann nur so, dass das öffentlich bekannt und für jeden einsehbar ist. Alles andere: schwierig. Problematische Inhalte bespricht man nicht bei Facebook.
Brauchen Schulen eine Social Media Guideline? Also Richtlinien, wie man sich bei Facebook verhält? (Eine Vorschrift kann und soll das sicher nicht sein.) Unternehmen haben so etwas.
Dann noch ein Spiegel-Artikel: zwei Schüler hacken sich in Lübeck in die Schulrechner und manipulieren ihre abiturrelevanten Noten. Zugang hatten sie als Teil einer Arbeitsgruppe zur Verbesserung des Schulnetzwerks. Jetzt ermittle die Staatsanwaltschaft gegen die beiden wegen Ausspähens von Daten und Datenveränderung.
Aus diesem Grund würde ich nie Schüler an das Schulnetz lassen. (In Bayern gilt ohnehin: getrennte Netze für Verwaltung/Schulleitung und den Rest der Schule. Aber getrennt heißt auch immer: mehr oder weniger getrennt.) Um es mit Eugen Roth zu sagen: “’s ist auch den Guten / Mehr zuzutraun, als zuzumuten.” Exploratives Verhalten ist genau das, was computeraffine Leute auszeichnet. Die sollte man nicht auch noch der Versuchung aussetzen zu schauen, wo sie überall hinkönnen im System.
Einige unserer Oberstufenschüler wünschen sich, im Unterricht mit Laptops zu arbeiten – und auch außerhalb des Unterrichts, zu schulischen Zwecken, innerhalb des Schulgeländes. Ich wünsche ihnen alles Gute dabei und habe ihnen ein Tipps gegeben, wie sie sich um die Erlaubnis dazu bemühen sollten. Für den Unterricht: das entscheidet jede unterrichtende Lehrkraft selber. Aber ich denke, die wenigsten werden etwas gegen einen klar abgegrenzten Versuch haben, wenn er ihnen auf geeignete Weise vorgesachlagen wird. Außerhalb des Unterrichts: mittelfristig eine Frage für das Schulforum, selbst wenn das wohl eigentlich nicht dafür zuständig ist. Kurzfristig: die Schulleitung fragen. Man müsste klar erkennbar machen, welche Schüler unter welchen Bedingungen mit dem Laptop außerhalb des Unterrichts auf dem Schulgelände arbeiten dürfen.
- Wo? Bibliothek, Sitzecken, Aula, Cafeteria, Gänge?
- Wann? Vormittägliche Pausen, Mittagspause, Freistunden?
- Was? Mit Internet – mit Handy-Tethering unbemerkbar zu machen – oder ohne?
- Welche Konsequenzen bei Regelüberschreitung?
Schulen mit Laptopklassen haben schon länger solche Regelungen.
Bei Netzpolitik geht es gerade um Webfilter in Schulen. Ausgangspunkt war, dass die Webseiten der Piratenpartei gesperrt waren; ähnlich ging es auch schon SPD und Grünen.
Technisch sieht das mit den Filtern so aus:
1. Eine Firma stellt Software und eine Liste von gesperrten Seiten zur Verfügung. Diese – sehr umfangreiche – Liste wird hauptsächlich automatisch durch einen mehr oder weniger guten Algorithmus erstellt, der zum Beispiel Seiten mit bestimmten Schlagwörtern sperrt.
2. Die Schule kauft diese Dienstleistung und übernimmt die Sperrliste. Theoretisch kann die Schule Ausnahmen hinzufügen oder weitere Seiten sperren; in der Praxis kommt das kaum vor. Ich habe jedenfalls keine Ahnung, wie man den Filter bei uns anpasst. (Aber ich habe einen Proxy laufen auf meinem eigenen Server, der auf keiner Blacklist steht. Damit komme ich selber dann doch überall rein.)
3. Eine Alternative zu Sperrlisten wäre die Alterskennzeichnung von Webseiten, wie sie immer wieder gefordert wird. Dann könnte man den Browsern für Unmündige sagen, dass sie nur Seiten bis zu einem bestimmten Alter durchlassen. Das ist international nicht machbar und obendrein nicht sinnvoll, aber ein anderes Thema.
Rechtlich wird argumentiert, dass Schulen solche Filter haben müssen. Ich bin mir dessen nicht sicher und halte es für möglich, dass das gute Lobbyarbeit und vorausschauendes Vermeiden von Ärger ist. Aber ja, es gab Fälle, wo Eltern sich beschwerten, dass ihr Kind im Unterricht Dinge gesehen hatte, die es nicht hätte sehen dürfen.
Braucht man solche Filter auch für den Unterricht oder nur für den außerunterrichtlichen Zugang zum Web? Im Moment ist es an meiner Schule so, dass Schüler nicht ohne eine Aufsicht führende Lehrkraft ins Web kommen dürften. Wenn ein Schüler im Unterricht heimlich Pornographie anschaut, muss der Schüler bestraft werden und nicht der Lehrer. Wenn ein Schüler im Unterricht heimlich einem anderen Pornographie zeigt (der sich dann zurecht zu Hause beschwert), muss der Schüler bestraft werden und nicht der Lehrer. Wenn Schüler irgendwann mal unbeaufsichtigt ins Internet dürfen, dann wird’s schwierig.
Dazu möchte ich mal eine Erörterung lesen.