Neulich beim Respizieren habe ich das folgende Thema gesehen. Bildbeschreibung, 45 Minuten, 7. Klasse, Bayern, Gymnasium. Einen sehr guten Beispielaufsatz schreibe ich darunter.

Jean-Baptiste Siméon Chardin, “Dame beim Tee”
Beschreibe das Gemälde “Dame beim Tee” von Jean-Baptiste Siméon Chardin aus dem Jahre 1735 nach den im Unterricht besprochenen Regeln und Vorgaben. Achte auf eine saubere äußere Form und sprachliche Korrektheit!
Aufsatz, in gänzlich unverbesserter Form:
Das 1735 entstandene Gemälde “Dame beim Tee” von Jean-Baptiste Siméon Chardin zeigt eine Frau, die in entspannter und ruhiger Haltung sitzend ihren Tee genießt.
Das Bild ist insgesamt mit matten und abgeschwächten Farben gestaltet, rechts im Vordergrund herrschhen eheer helle Mattgelb- und Rottöne vor, links im Hintergrund dunkle Schwarz- und Grautöne.
Das Licht fällt vielleicht durch ein Fenster, das oben links im Bild sein müsste, auf die Dame, auf die Rückenlehne von dem Stuhl und auf den Tisch. Links im Hintergrund ist die dunkelste Ecke des Bildes.
Die etwas rundliche Frau im Zentrum von der man die Beine nicht sieht hat sich mit leicht gekrümmtem Rücken auf einen Stuhl niedergelassen.
Die Dame streckt den Kopf leicht vor, es wirkt, wie wenn sie genussvoll den Duft des Tees einatmet. Ihr linker Arm ist auf dem Tisch rechts im Bild abgelegt, mit der rechten Hand hält sie zierlich den Teelöffel und rührt um. Beide Ellenbogen sind abgewinkelt.
Das gelockte kurze Haar der Dame ist schon grau, daraus lässt sich schließen, dass sie etwas älter ist. Sie hat eine spitze Nase und ein Doppelkinn, die Augen sind geschlossen, die Augenbrauen hochgezogen. Fast sieht sie aus, als ob sie meditiert.
Die Dame ist bekleidet mit einem schwarz-weiß gestreiften Kleid aus dickem, schweren Stoff, das ihre Rundlichkeit noch unterstreicht. Um die Schultern gelegt und um die Hüfte gebunden hat sie sich einen schwarzen Umhang mit blauer [durch Kopierfehler unlesbar] oder ein Tuch, das sich links kaum vom dunklen Hintergrund abhebt. An den Handgelenken sieht man Rüschen hervorschauen. Auf dem Kopf ist die Frau bedeckt mit einer weiß-blaufarbenen Haube, die aber ihren Hinterkopf freilässt. Das alles lässt darauf schließen, dass die Dame eine Person aus gehobener Schicht, vielleicht sogar eine Adelige ist.
Rechts im Hintergrund befindet sich der wuchtige, große rote Tisch. Eine Schublade ist leicht geöffnet. Auf ihm sind die dunkelrote, fast schwarze Kanne Tee und die mit Malereien verzierte Tasse samt Untertasse abgestellt. Da es aus der Tasse Tee noch herausdampft, lässt darauf schließen, dass die Adelige noch nicht lange hier sitzt.
Von dem Stuhl links im Vordergrund sieht man nur die Rückenlehne. Diese sieht aber dennoch elegant aus, da sie mit drei Holzbögen unterteilt ist. Den Hintergrund kann man nicht richtig erkennen.
Der Gesamteindruck des Gemäldes vermittelt eine ruhige und offene Stimmung; wer möchte nicht gerne mit der Dame tauschen und sich von einem anstrengenden Tag erholen?
(c) J.J. All rights reserved.
(Dieser Text steht nicht unter der üblichen CC-Lizenz hier, Weiterverwendung nur mit Erlaubnis der Autorin, über mich zu erreichen.)
Nachdem ich jetzt wieder weiß, was Schüler in 45 Minuten zustande bringen können, will ich mich nie wieder mit schlampigen Texten im Informatikunterricht abspeisen lassen.
Exkurs 1: Das Rechtliche
Bisher bin ich sehr schlampig mit dem Urheberrecht umgegangen, was Schülerproduktionen betrifft. Ich habe zwar die Schüler um Erlaubnis gefragt, sie in Unter- und Mittelstufe gebeten, auch den Eltern Bescheid zu sagen, aber das war es.
Seit meiner letzten Sequenz zum Urheberrecht sehe ich das etwas strenger. Also habe ich bei der Schülerin das so gemacht, wie ich das auch in Zukunft halten will:
- die Schülerin mündlich um Erlaubnis fragen
- der Schülerin und den Eltern ein Schreiben mitgeben, in dem ich um Erlaubnis bitte und auf Gefahren und Grenzen hinweise:
- die Verwertungsrechte bleiben bei den Inhabern, ich will den Text nur auf meiner Webseite veröffentlichen und werde kein Buch daraus machen
- niemand anderes darf den Text verwenden
- aber wenn der Text erst einmal veröffentlich und digital ist, dann kann er auch viel leichter gestohlen werden
- und außerdem könnte jemand kommentieren, dass er den Text ganz schlecht findet; das müssen Autoren aushalten
- die Schülerin fragen, in welcher Form sie ihren Namen unter dem Text sehen möchte: gar nicht, Initialen, vollständiger Name
- Schülerin und Eltern darauf hinweisen, dass ich gerne einen symbolischen Betrag für die Erlaubnis bezahle
Und das habe ich dann auch gemacht, einen Euro, auch wenn ich die Schülerin dazu überreden musste. So viel ist mir ein schöner Text inmeinem Blog sicher wert, und Schüler sollten auch sehen, dass ihre Produkte etwas wert sein können. Dass Intellectual Property wertvoll sein kann. (Mir gefällt das englische Wort besser, da bei property für mich mehr der Gedanke der Veräußerlichkeit mitschwingt als bei Eigentum.)
Bei Gelegenheit mache ich mal ein Formblatt aus meinem ersten Schreiben.
Exkurs 2: Die Bildbeschreibung
Das Standardthema bei der Bildbeschreibung in der Unterstufe ist ansonsten ja Spitzweg. Funktioniert auch gut, aber man liest sich ein bisschen satt an den Aufsätzen.

Carl Spitzweg, “Der arme Poet”
Das folgende Bild habe ich noch nie gemacht… aber schön wär’s schon, so ein Bild, das gleich eine Geschichte erzählt. Vielleicht nicht in der Unterstufe.

Antoine Wiertz, “Hunger, Wahnsinn, Verbrechen”
Hm. Vielleicht sollte man beim Aufsatzschreiben in der Oberstufe statt Gedichten graphische diskontinuierliche Texte (vulgo: Bilder) interpretieren lassen. Da lernt man ebenso das Hinschauen und muss seine Fähigkeiten nur an einem Text beweisen, dem eigenen, statt mit zweien zu kämpfen.