Schreiben lernt man durch Schreiben: KMS 2023

(10 Kommentare.)

(Teilweise Wiederholung und Aktualisierung von hier, hier, hier, hier und hier. Kurzfassung: Wenn man‘s ernst nimmt, weniger Übungsaufsätze.)

Wer wissen will, was im Fach Mathematik oder in Informatik wichtig ist, braucht nur in den Lehrplan zu schauen, der leicht öffentlich zu finden ist. Das gilt wohl für die meisten Fächer. Wenn man allerdings wissen will, was im Fach Deutsch wichtig ist (in geringerem Maß gilt das auch für Englisch), dann reicht der Lehrplan dafür nicht aus. Anders als in den meisten anderen Fächern wird hier zusätzlich detailliert über Dienstanweisungen aus dem Kultusministerium gesteuert. Die sind auch öffentlich, aber nicht so leicht zu finden, zumal man als Laie – etwa von einem anderen Fach kommend – nicht weiß, dass es so etwas gibt. Etwa alle acht Jahre gibt es eine Aktualisierung der Ergänzungen zum Thema „Schreiben“ im Deutschunterricht, hier die aktuelle Fassung vom Juni 2023 (davor: 2007, 2016).

(Warum diese Lehrplanergänzungen nur für Sprachen und nicht bei den anderen Fächern? Mir fallen nur arge Spötteleien dazu ein, vielleicht ist das alles aber auch nur wenig hinterfragte Tradition. Tatsächlich gab es das in meiner Anfangszeit etwas weniger, dafür stand mehr explizit im Lehrplan.)

Zentrale Themen in diesen KMS sind stets:

  1. Wie fördert man das Schreibenlernen?
  2. Welche Art Rückmeldung zu schriftlichen Prüfungsaufsätzen sind vorgeschrieben?
  3. Welche Art Vorbereitung auf schriftliche Prüfungsaufsätze ist vorgeschrieben?
  4. Welche Art schriftlicher Prüfungsaufsätze sind zulässig oder vorgeschrieben?

1. Wie fördert man das Schreibenlernen?

Kurz: „Schreiben lernt man durch Schreiben.“ Dem stimme ich völlig zu. Schreiben auch außerhalb von Prüfungsaufsätzen ist wichtig. Dass ich das dann aber auch noch korrigieren „soll“, ist allerdings illusorisch. „Soll“ heißt ja auch, „sofern irgend möglich“, und möglich ist das nun einmal nicht, weil ich mit anderen Korrekturen schon zu viel zu tun habe. Deswegen werde ich auch weiter schreiben lassen außerhalb der Prüfungsvorbereitung, so wie hier, hier, hier, hier und hier, das aber weiter nicht einsammeln und korrigieren. Ich glaube nämlich nicht, dass man Schreiben durch Korrekturen der Lehrkraft lernt. (Das gilt sicher für meine Schreiblaufbahn, und ich neige dazu, das dann unzulässig zu verallgemeinern.)

2. Welche Art Rückmeldung zu schriftlichen Prüfungsaufsätzen sind vorgeschrieben?

Ein individueller Kommentar ist weiterhin vorgeschrieben. Muss nicht lang sein, kann ergänzt sein durch abgehakte Kriterienliste, muss aber da sein. Denn:

Charakter und Wert einer Schreibleistung lassen sich nur ganzheitlich erfassen, da es sich bei schriftlichen Arbeiten im Fach Deutsch um komplexe sprachliche und gedankliche Leistungen handelt.

Dem kleinen Wörtchen „da“ wird hier viel Aufgabe zugemutet. Und es wird impliziert, dass es sich bei Mathematik, Geschichte oder Informatik nicht um komplexe sprachliche und gedankliche Leistungen handelt. Und dass die mitunter hohlen Phrasen unter den Aufsätzen, meine nicht ausgenommen, „ganzheitlich“ sind. (Stört mich alles tatsächlich nicht sehr, ich habe nichts gegen die Kommentare. Aber mehr Freiheit für die, die das anders sehen, wäre gut.)

3. Welche Art Vorbereitung auf schriftliche Prüfungsaufsätze ist vorgeschrieben?

Ganz früher, als die Aufsatzarten noch explizit im Lehrplan standen, galt: Bekannte Aufsatzart: 1 Übungsaufsatz, neue Art: 2 Übungsaufsätze. Hartes Brot. Dann wurden die Aufsatzarten abgeschafft und es galt: Bekannte Aufsatzart: zumindest etwas üben, neue Art: 1 Übungsaufsatz. Das war natürlich etwas schwierig, weil nicht klar war, was als neue Aufsatzart gilt und was nicht. Das aktuelle KMS schafft da endlich Abhilfe: Ausreichend vorbereitet werden muss, das ist klar. Bei neuen Aufsatzformen, und die sind jetzt konkretisiert, muss ein Übungsaufsatz korrigiert werden, der aber kürzer sein darf als in der Prüfung verlangt. Bei bekannten Aufsatzformen muss schriftlich geübt werden, was auch modular möglich ist; bei der Korrektur ist nicht die Lehrkraft vorgeschrieben.

Andere Fächer haben es leichter, in Mathematik würde man sich höchst wundern, wenn da plötzlich jemand käme und vorschreiben wollte, wie man auf Prüfungen vorbereitet. Dennoch: An sich unzufrieden bin ich mit der neuen Regelung nicht, siehe weiter unten.

4. Welche Art schriftlicher Prüfungsaufsätze sind zulässig oder vorgeschrieben?

An sich steht weiterhin nichts von Aufsatzarten im Lehrplan, aber weil es in Abitur und Oberstufe und KMS weiter die Aufsatzarten gibt, gibt es in der Praxis halt doch die gleichen Aufsatzarten wie schon immer. (Neu im Vergleich zu meiner Anfangszeit ist nur das informierende Schreiben und dass es nur noch text- oder materialgestützte Aufgaben gibt, also keine dreizeiligen Erörterungsthemen mehr.) Die Namen haben sich allerdings geändert. Denn vor fünfzehn Jahren oder so wurden drei Grundformen des Schreibens postuliert: „das erzählende/gestaltende, das informierende und das argumentierende Schreiben.“

Hier eine tabellarische Übersicht über Aufsatzformen früher und heute; in Klammern die möglichen Jahrgangsstufen, zum Teil aus der Erinnerung. Und das mit der „dialektischen Erörterung“, hat es die je wirklich in dieser Formulierung gegeben? Zur Überprüfung fehlt mir der ganz alte Lehrplan, aber ich habe schon entdeckt, dass es den in der Bayerischen Staatsbibliothek zur Einsicht gibt, werde also in ein paar Wochen hoffentlich hineinschauen können.

FrüherHeuteGrundform
Erzählung (5, 6, 7)
Schilderung (7)
letztlich ebensoerzählend/gestaltend
Bericht (5, 6)
Vorgangsbeschreibung (6, 7)
(5, 6)informierend
Gegenstandsbeschreibung (6)nicht mehr zulässig
Bildbeschreibung (6, 7)nicht mehr zulässig
Protokoll (8, 9)nicht mehr zulässig
Inhaltsangabe (8)
Erweiterte Inhaltsangabe (9)
Interpretation (10, 11)
ebensoinformierend
Analyse, d.h. von Sachtext (10, 11)ebensoinformierend
Streitgespräch (7) (gab es nur in einer kurzen Phase)ausgestorben
Begründete Stellungnahme (8)
Erörterung linear (9)
(7, 8)argumentierend
Erörterung antithetisch (10)(9, 10, 11)argumentierend
Erörterung dialektisch (11)ausgestorben
Erörterung literarisch* (11)nicht mehr zulässig?
Essay (9-11)subsumiert unter Erörterung?argumentierend?
informierendes Schreiben (7, 8, 9, 10, 11)informierend

*Zum Beispiel: „Scheitert Werther an sich oder an seinen Umständen?“

Alles, was in einer Tabellenzeile steht, gehört jetzt insofern zusammen, dass das nicht als neue Aufsatzart zählt. Wenn man also in 7 das materialgestützte informierende Schreiben eingeführt hat, darf man das in 8 bis 11 voraussetzen. (Das ist das informierende Schreiben im eigentlichen Sinn, nämlich so, wie es im Abitur verlangt wird; die tatsächliche Neuerung, eingeführt als Teil der Angleichung an andere Bundesländer.) Und wenn ich in 5 eine Vorgangsbeschreibung gemacht habe, kann ich das als Voraussetzung für einen Bericht in 6 nehmen, so lese ich das jedenfalls. Das Argumentieren muss ich zweimal neu einführen, nämlich in 7 (linear) und 9 (antithetisch), die Interpretation fiktionaler Texte einmal in 8. Danach nicht mehr. Das ist tatsächlich eine gewisse Erleichterung.

Ansonsten halte ich die Grundform des informierenden Schreibens für didaktisch wenig gesichert. Was da alles hineingepackt wird in diesen Begriff: Vorgangsbeschreibung, Interpretation, Sachtextanalyse, genuin informierendes Schreiben. Kein Wunder, dass das dann jeweils als neue Aufsatzart gilt. Aber von mir aus, schadet ja auch nicht.

Weitere Inhalte

  • Gliederungen, die früher mit benotet wurden, sind seit einer Kehrtwende vor zehn Jahren oder so weiterhin nicht mehr Teil der zu benotenden Arbeit. Und zwar, und das rührt mich dann immer wieder, in einem Tonfall, dass das doch selbstverständlich ist und nur ein blutiger Laie je hätte glauben können, dass die Teil der benoteten Arbeit sein könnten. Um die Note zu verbessern, dürfen sie allerdings herangezogen werden. Seit dem Wegfall der Benotung gibt es ohnehin kaum ordentliche Gliederungen mehr; wie hilfreich sie je waren, anderes Thema.
  • Richtig neu, also seit zehn oder fünfzehn Jahren, ist die Wichtigkeit des Planens und Überarbeitens. Sehe ich auch alles so, ist aber für Prüfungsaufsätze wenig relevant. Wir werden darauf hingewiesen, dass häufiges Durchstreichen und Fußnotenmachen ein Zeichen des Überarbeitens ist und keineswegs negativ ausgelegt werden darf. (Stimme zu.)
  • Weiterhin gibt es den Wunsch, die erzählende, informierende und argumentierende Grundform zu kombinieren. Nachdem das im Abitur nicht wirklich organisch der Fall ist, wird dem Wunsch wohl auch weiterhin nur wenig nachgekommen werden.
  • Neu sind die Begriffe „Feed Up“ und „Feed Forward“, die den Begriff „Feed Back“ ergänzen; popularisiert durch Hattie, jetzt auch als Jargon im KMS. “Die Rückmeldung zu Übungstexten zeigt den Lernenden, was bei der konkreten Schreibaufgabe gefordert war (Feed Up)“ – wobei das eigentlich vorher klar gemacht und festgehalten worden sein sollte. Gehört für mich dazu, aber nicht in die Rückmeldung im engeren Sinn. „Feed Forward“ heißt, dass man erfährt, wie man sich verbessern kann. Alles hoffentlich schon lange Usus.

Fazit und was ich eigentlich will

Plus: Es ist endlich geklärt, was eine neue Aufsatzform ist. Man korrigiert vielleicht weniger: Wenn man das Minimum macht, heißt das für die Jahrgangsstufen 5 zwei vollständige Übungsaufsätze, für 6 keinen, für 7 ebenfalls zwei, für 8, 9 und 10 je einen, für 11, 12 und 13 gar keinen. Das ist radikaler, als ich zunächst dachte, und wird die Oberstufe in manchen Kreisen noch beliebter machen, als sie das jetzt schon ist. Immerhin wurde schon vor ein paar Monaten Material zum Thema: „Effizientes Korrigieren im Fach Deutsch“ veröffentlicht; vielleicht hat man das endlich als Problem erkannt.

Minus: Sonst keinerlei nennenswerte Änderungen, es bleibt alles beim alten. Ich mag aber nicht glauben, dass sich da nichts verbessern lässt.

Was ich eigentlich will: Bessere Schreiberziehung. Wie man dorthin kommt, weiß ich nicht. Weniger Fixierung des Deutschunterrichts auf die Aufsatz-Prüfungsformen. Aber vielleicht geht das durch Verzicht auf Übungsaufsätze und das nachhaltigem Lernen. Beim Essay heißt das, dass man den Schülern und Schülerinnen welche zu lesen gibt, erklärt, was man gerne hätte, sie darauf aufmerksam macht, dass sie über sämtliche Werkzeuge bereits verfügen, und dass man sie ihre Essays gegenseitig korrigieren lässt. Was mir auch nicht passt: die nur theoretisch freien Aufsatzformate, die dann aber durch das Abitur praktisch auf einige wenige, bekannte Formate eingeschränkt werden.

Was die Konsequenzen der Änderungen sein könnten:

  1. Keine, weil alles beim alten bleibt; das Beharrungsvermögen ist stark in ihnen.
  2. Weniger Prüfungsvorbereitung, schlechtere Arbeiten, Noten bleiben aber gleich. Im besten Fall lernt man dafür anderes!
  3. Mehr Schreiben (auch im Unterricht, weil sonst: Klagen), mehr Korrektur ohne die Lehrkraft. Im besten Fall führt das zu besseren Ergebnissen.

Stark zurückgegangen ist in den letzten Jahrzehnten das Einsammeln von Heften, also ob Einträge vollständig oder sauber im Heft stehen, ob Hausaufgaben darin gemacht wurden. Das halte ich eigentlich für immens wichtig, aber das mache ich im Fach Deutsch so gut wie nicht mehr. Prüfungsaufsatzvorbereitungskorrektur hat Vorrang.


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10 Antworten zu „Schreiben lernt man durch Schreiben: KMS 2023“

  1. Korrektur Pony

    Meine Korrektur-Realität in diesem Schuljahr :

    in Jgst. 5
    – Erlebniserzählung, die länger ist als eine A4 Seite handschriftlich,
    drei Übungsaufsätze (schon allein wegen unzureichend trainierter Motorik)
    – Parallelgeschichte zu Krabat (eine Art Schwankerzählung),
    zwei Übungsaufsätze
    – Bericht zu einem Schulereignis (Fahrradsicherheitstraining)
    zwei Übungsaufsätze

    Mit zwei Übungsaufsätzen insgesamt in dieser Jgst. ergibt sich Geschreibsel, das die Bezeichnung „Aufsatz“ nicht verdient und das man als Schulaufgabe doch korrigieren und benoten muss. So oder so: der Murks muss korrigiert werden, dann schon lieber ohne Benotung.

    in Jgst. 10
    – Lyrikanalyse (Lyrik 18. Jhdt.): zwei Aufsatzteile, Rücklauf etwa 50%
    hier wg. Personalausfall auch zwei Schulaufgaben zu korrigieren, das Ergebnis trotzdem niederschmetternd, im Vergleich zu vorpandemischen Leistungen
    – Erörterung (domänenspezifisch) zwei Aufsatzteile, diese aber nur zu zwei Drittel abgegeben, Ergebnis etwas besser als in der ersten Schulaufgabe, weil sich Gelaber hier auszahlt
    – Epikanalyse (Moderner Berlin-Roman), ein Übungsaufsatz, Abgabe ca. 80% (Schulaufgabe morgen noch zu korrigieren)

    in Jgst. 11,
    – Dramenanalyse, ein Übungsaufsatz, Rücklauf etwa 50%
    – Romantik: Novelle und Lyrik, zwei Übungsaufsätze Rücklauf zu beiden Themenstellungen etwa zwei Drittel, dafür aber häufig ganze Aufsätze (sechs Seiten plus)

    Fazit: Die aus dem KMS abzuleitenden Vorstellungen sind völlig unrealistisch, so lange sich an den Vorgaben des Abiturs nichts ändert. Die Vorgaben sind den Erwartungshorizonten („Musterlösungen“) zu den Abituraufgaben zu entnehmen.

    Die Einführung von Tablets ab Jgst. 9 ohne entsprechende Reglementierung der Nutzung führt bei vielen eher schwachen und mittelmäßigen Schülern nicht selten zu Totalschäden, weil sie überhaupt keine zusammenhängenden Texte mehr schreiben können. Woher auch?

    Eine andere Neuerung ist tatsächlich interessant: Ab kommenden Schuljahr zählen Zeichensetzungsaufgaben in Substitutionstests, Ergänzungstests und Jahrgangsstufentests zur Grammatik, weil nunmehr als Syntaxfehler aufgefasst. Kaum vergeht ein halbes Jahrhundert, merkt auch das Kultusministerium was und knechtet jetzt bisher ausgenommene LRS- und andere Schüler, die Zeichensetzung für eine Art Glückspiel halten.

  2. Korrekturpony II

    Im kommenden Schuljahr wollen wir vielleicht für Schulaufgaben in der 11. Jgst. so etwas ausprobieren:

    Vorname,

    die vorgelegte Arbeit kann den Anforderungen dieser Schulaufgabe/Klausur im Allgemeinen entsprechen, kleinere Mängel werden durch eindeutige Vorzüge ausgeglichen. (Legaldefinition)

    Die Inhaltsangabe weist kleinere formale und inhaltliche Schwächen auf (siehe Randbemerkungen).
    Die im Unterricht vorbreiteten Untersuchungsverfahren wurden ansatzweise richtig eingesetzt (siehe Anmerkungen am Rand).
    Die Deutungsansätze sind teilweise plausibel. (siehe Kommentierungen am Rand).
    Die formalen und sprachlichen Leistungen sind durchschnittlich (siehe Korrekturzeichen am Rand).

    Insgesamt ergibt sich eine Bewertung mit „befriedigend“ (Note 3).

    Bei Voranmeldung ist ein Beratungsgespräch (Feedback und Feedforward) am 31.2. 2025 in der dritten und vierten Unterrichtsstunde möglich.

    Vorstellung: Alle Kolleginnen und Kollegen verwenden die gleichen Textbausteine, an denen nur noch die Qualifikanden bzw. die vorangestellte Legaldefinition geändert werden. Die Vorstellung ist auch, dass wirklich interessierte Schüler, ihren Aufsatz lesen und zu verstehen versuchen, warum sie nur eine Note 3 erreicht haben. Statt dass die Lehrkraft sich am Schreibtisch mit der Gewissheit abmüht, dass seine bzw. ihre Korrektur ohnehin nicht wirklich gelesen wird und nur die Note bzw. die Punkte interessieren, sollen die Schüler selbst den Dialog mit der Lehrkraft suchen müssen. Individualisierung also für die, die das wollen oder brauchen, für die anderen nur noch „ChatGPT“-artige Bemerkungen. Auf diese Art bin ich in zwei Stunden durch eine Kurs durch, statt tageweise allein an den Bemerkungen zu sitzen. Die Beratungsgespräche sind dann Unterricht, statt spätabendliche Fron zuhause. Auch hier der Vorteil: nur für die, die das wollen und jeweils nur fünf Minuten.

  3. Bisserwesserin

    Wie so oft: wunderbar zusammengefasst und kommentiert.
    Meine 5 Cent dazu:
    – Der große Test am Ende von Jg 5, den man bisher mit Schlupflöchern noch schreiben konnte und der motivational für die sprachschwachen SuS und die Lehekräfte toll war, ist nun endgültig verboten. Wir denken über die Ersatzform mündliche SchA (Märchen) nach.
    – Bei uns gibt es das Streitgespräch wieder. Als mögliche Ersatzform für die Begründete Stellungnahme in 7. Ist also nicht ausgestorben. Einzelexemplare vorhanden.
    – Korrigieren ist ätzend!
    – Viele bei uns ersetzen die Bemerkung außerhalb der Oberstufe inzwischen durch Tipps (3-5), die individuell auf Aufsatz und SoS zugeschnitten sein müssen, natürlich ergänzt durch die Randbemerkungen.
    Wirklich ärgerlich finde ich nur das mit dem Test in der 5…
    Und das richtig große Problem bleibt: In den größeren Städten kommen eine Menge Kinder mit sehr mangelnden Deutschkenntnissen auf die Gymnasien. Trotz Pflasterchen wie Sprachbegleitung und Fit fürs Abitur… werden die nicht so gefördert, wie es sein sollte.

  4. Märchen als mündliche Schulaufgabe, das ist mal eine interessante Idee. Mit zuhause ausgearbeitetem Text, oder Stichworten/Anfang, die erst am Anfang einer kurzen Vorbereitungszeit mitgeteilt werden? – Mich scheut immer das Organisatorische daran. An sich wäre eine argumentierende Rede, etwa in 9, die man über das ganze Jahr verteilt im Unterricht vortragen lässt, sinnvoll und leicht zu organisieren, aber das geht nicht, weil man sich diese Rede zu leicht von anderen schreiben lassen kann.

    Der Test in 5 lässt sich auch nach diesem Schreiben noch retten, finde ich, solange er nicht eine „vom Umfang und vom Anspruch den zentralen Jahrgangsstufenarbeiten in Jahrgangsstufe 6 bzw. 8“ ähnliche Form aufweist, er müsste also (etwas?) umfangreicher sein und (etwas?) mehr Anspruch haben. Aber vielleicht muss man irgendwann einfach aufgeben.

    Ich werde jedenfalls nächstes Jahr versuchen, meiner Dienstpflicht nachzukommen, indem ich meine Arbeitszeit einhalte und an fünf Tagen pro Woche jeweils 3,7 Stunden für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts (außer Korrekturen) vorsehe und nicht mehr. (Berechnung hier.). Vielleicht wird es sogar mehr Zeit, wenn ich tatsächlich weniger korrigiere, was ich im Moment noch sehr vorhabe. Ziel ist ja nicht, dass die Schüler und Schülerinnen so viel wie möglich lernen, sondern so viel, wie der Erhalt meiner Arbeitskraft für das nächste Jahrzehnt zulässt.

  5. Martina

    Eine naive Detailfrage dazu: Worin besteht denn der Unterschied zwischen antithetischer und dialektischer Erörterung?

  6. *Wenn* die Tradition durch den Lehrplan gerechtfertigt war, was ich im Moment nicht überprüfen und wessen man sich nie so ganz sicher sein kann, dann ist die antithetische Erörterung im Prinzip zweiteilig, mit allenfalls einem Fazit oder einem weitergehenden Absatz am Ende. Die dialektische Erörterung war dreiteilig (und danach noch ein kurzer Schluss), wobei der dritte Teil über These und Antithese hinausging, aber genauso ausführlich und genauso argumentierend sein sollte wie die anderen Teile. „Notwendigkeit und Grenzen der Freiheit der Kunst“ (war mal Abiturthema) – Teil 1 Begründung der Kunstfreiheit, Teil 2 Notwendigkeit von Grenzen, Teil 3, dass Kunst Grenzen braucht, um sich zu entwickeln. Das scheiterte oft daran, dass nicht jedes Thema sich dafür eignet, und das die Schüler und Schülerinnen dann oft doch nicht wussten, was in diesen drittenTeil gehört.

  7. Test-Pony

    Für die 5. Jgst. (und Jgst. 7) lautet das Zauberwort „Modus 21“. Diese Substitutionsschulaufgaben („Tests“) sind nach Beschluss der Lehrerkonferenz und Beratung des Schulforums jeweils im vorangegangenen Schuljahr weiterhin zulässig. Sie müssen, wie Herr Rau angesprochen hat, im Umfang (inhaltlich und zeitlich) den Aufwand eines Bayr. Jgst.-Tests erkennbar überschreiten. Manche Schulen fügen z.B. eine textproduktive Aufgabe hinzu, so dass eine Prüfungsdauer von 60 Minuten erreicht wird. Ziel der „Modus 21“-Prüfungen ist es, ein gemeinsames Ausgangsniveau bei recht unterschiedlichem Vorwissen der Schüler aus der Grundschule zu erreichen (Heterogene Schülerschaft, unterschiedliche Niveaus infolge der Pandemie, Unterrichtsausfall infolge von Personalmangel und Erkrankungen der Lehrkräfte wären da entsprechende Begründungen)
    Geht also doch.

  8. Karin

    Danke für die ausführliche Zusammenfassung. Den Kommentaren entnehme ich, dass anderswo ähnliche Probleme vorliegen wie an meiner Schule. Besonders in der zehnten Klasse ist die Motivation, Übungsaufsätze zu schreiben, ebenso gering wie die Leistungsfähigkeit in den Schulaufgaben. Meine ( naive?) Vorstellung, Schüler würden mehr/ lieber schreiben, wenn sie eine Textverarbeitung benutzen dürfen (im Unterricht und bei Übungen, natürlich nicht in Schulaufgaben), hat sich leider nicht bewahrheitet…
    Fazit: es ist und bleibt mühsam.

  9. Motivation für Übungsaufsätze: Ja, in der zehnten Klasse sehr gering. Mit mehr Druck auf die Klasse kriegt man wahrscheinlich mehr solcher Aufsätze. Aber will man das? „Ihr seid alt genug, das müsst ihr selbst entscheiden“ halte ich für nicht zutreffend, andererseits sind die Schülerinnen und Schüler formal genau das, und ich wünsche mir ja eigentlich, dass sie mehr Verantwortung übernehmen. Also müsste ich das auch zugestehen. (Und dann entsprechend schlechte Noten geben, das ist der Haken.) – Für die Zukunft sehe ich: mehr Übungsaufsätze in der Schule, weil viele zuhause keinen schreiben werden, und gegenseitige Korrektur.

  10. Aufsatz-Pony

    Vor allem mehr Übungsaufsätze in der Schule und zwar handschriftlich, nix Tablet. Andernfalls gibt es da so Schlaumeier, die kurzsichtigerweise glauben, dass es nur darum geht, irgendetwas abgeben zu müssen, und dann ein ChatGPT-Produkt abliefern; so bereits geschehen in der 10. Jgst. in diesem Schuljahr. Genau daran zeigt sich, dass man mit der formalen Vorstellung von der Selbstverantwortung der Schüler nicht weiterkommt.

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