Am Donnerstag gab es die Abizeitung: schönes Titelbild, schönes Layout, saubere Redaktion trotz einiger Fehler. Problematisch allenfalls die Statistiken am Schluss: Wer ist das Mauerblümchen der Stufe, wer wird mal Pornodarstellerin? Ich weiß nie, wie sehr das die Schüler trifft. Ähnlich mit den Umfragen zu Lehrern: Wer ist verplant, unvorbereitet, würfelt die Noten aus? (Neben allerlei harmlosem Lustigkram. Sehr schön die Frage: “Wer glaubt an das Übernatürliche?”, mit Religionslehrern als Ergebnis.)
Zu den Leistungskursen gibt es durchweg freundliche Worte, und wie immer erhält jeder Schüler zwei volle Seiten Bild und Text – mehr, als jeden Lehrer interessieren könnte, aber vielleicht die Mitschüler oder zumindest die jeweiligen Schüler selber. Der Adressat der Abizeitung ist ja auch die Zukunft, damit man sich das in zehn Jahren noch einmal anschauen kann, dauerhafter als Erz. Bei meiner eigenen Abizeitung gab es ein kleines Bild und fünf Zeilen pro Schüler. Knackig formuliert, dafür ohne paarreimende Gedichte immer knapp am regelmäßigen Metrum vorbei. Ein bisschen mehr literarischer Anspruch wäre schön, aber das ist keine besonders starke Seite unserer Schule allgemein. (Die sind eher Musik und Theater.)
Aber zugegeben: am Freitag war die Abifeier, da habe ich noch mal alle Schüler vor Augen gehabt, und daraufhin habe ich die Abizeitung noch einmal etwas gründlicher gelesen, auch noch einige der Schülerdoppelseiten.
Ja, die Abifeier also. Sie fand zum ersten Mal in unserem Schulgebäude statt. Nicht ganz freiwillig, die Schüler hatten den schon immer verwendeten Festsaal auf dem Klosterglände nicht rechtzeitig angemietet. Der Schule und den Lehrern ist die Aula allerdings lieber. Und das war dann auch tatsächlich eine gute Idee.
Der rote Teppich war ausgerollt:

Die Schulleitung hatte zur Feier des Tages sogar unsere begehbare abgesperrte Skulptur aufgemacht. Die Absperrung drumrum gibt es zwar nicht mehr, aber eine Kette verhindert normalerweise immer noch den Zugang, wenn nicht gerade Gäste auf dem Schulgelände sind. Versicherungstechnisches vielleicht.
Die Feier begann um 14 Uhr. Das zwingt Münchner wie mich zu folgender logistischer Vorgehensweise: Anzug in der S‑Bahn mitnehmen (Transportbehältnis ist vorhanden), Hemd und Schuhe auch, dafür nur leichtes Schulgepäck: Unterricht ohne Buch und Ordner. Die Manschettenknöpfe hatte ich leider in einer anderen Tasche gelassen, vielen Dank an Frau und Herrn H. fürs Leihen. Nach dem Unterricht umziehen, Jeans, Polohemd, Schuhe, Schultasche in der Schule lassen, im Anzug nach Hause fahren. Am Montag nur mit leichtem Schulgepäck in die Schule fahren, um Anzug wieder zurückbringen zu können.
Das Programm lief zum ersten Mal so ab:
- 13.30 Uhr: Einlass
- 14.00–16.00 Uhr: Reden von Schulleitung, Bürgermeister, Kollegstufenbetreuer (wie so oft: ganz exzellent), Elternvertreter, Schülern. Danach kurze und freundlich gehaltene Verabschiedung der Leistungskurslehrer durch die LKs. Gut so.
- 16.00–16.30 Uhr: Pause. Sollte nur eine Viertelstunde sein, aber allen Gästen war nach doppelt so viel.
- 16.30–18.00 Uhr: Zeugnisverteilung. Jeder Schüler kriegte seine 30 Sekunden Ruhm in Form von Hintergrundmusik und bekam das Zeugnis mit Handschlag.
- 18.00–19.00 Uhr: Sekt und Herumstehen in der Schule. Das war schön
- 19.00 Uhr: Buffet und Sitzen und Trinken auf dem Klostergelände. Abends dann irgendwo Party für die jungen Leute.

Insgesamt mit vier Stunden eigentlicher Veranstaltung immer noch länger als eine Oscarverleihung (der Maßstab, an dem ich Abifeiern messe), aber schon deutlich kürzer als früher bei uns üblich. Lieber wäre mir zwar eine knappe Zeugnisübergabe am Vormittag und abends ein echter Abiball, also mit Live-Musik und Tanzfläche, aber das hat an meiner Schule keine Tradition. Ansonsten war das organisatorisch die beste Form von Abiturfeier bisher, am schönsten war die Stunde zwischen sechs und sieben Uhr: von einigen rasch getrunkenen Gläsern Sekt ermutigt, habe ich mich von den Schülern verabschiedet, derer ich habhaft werden konnte. Leider waren einige schon weg. Überhaupt waren viele nicht beim Buffet; es gab wohl Schwierigkeiten bei der Kartenvergabe, so dass etliche mit ihrer Familie Essen gingen, ohne am Buffet zu sein. Dann lieber ein längerer Empfang an der Schule.
– Selbst die zweite Hälfte der Abifeier, die Zeugnisvergabe, wurde mir nicht langweilig: ich saß neben Kollegin L. und bei jedem Schüler, der auf die Bühne trat, riefen wir uns zu: “Englisch 5. und 6. Klasse, Deutsch 7, Leistungskurs” oder “Englisch 7 und Informatik 10”, je nachdem, wann wir die Schüler gehabt hatten. Das machte dieses endlose Reihe von Schüler auch gleich persönlicher, über jeden haben wir zumindest ein bisschen nachgedacht und uns erinnert. Danach haben wir dann aber auch gleich die Kleidung des Schülers oder der Schülerin kommentiert. “Schöne Schuhe” oder “geht ja gar nicht” und alles dazwischen. Ich habe da schon zu vielen der vorgeführten Kombinationen eine Meinung. Hier zwei, die mir besonders positiv aufgefallen sind:

Die Dame im auffälligen uncoolen edwardianischen (?) Stil mit Haarschmuck, als Eingangsmusik eine orchestrale Nummer aus Mary Poppins. Hat sehr gut zusammengepasst. Der Herr weniger kontrovers, sehr leger, aber es war ja auch heller Sonnenschein am Nachmittag und nicht Abend. Kann ich mir auf einer Yacht vorstellen. Schöne Schuhe.
Mit Modeblogs kenne ich mich kaum aus, ab und zu weist man mich auf schöne Bilder beim Sartorialist hin, etwas öfter noch kriege ich den Spott bei go fug yourself mit. So eine Art kritische Modenschau bei den Abiturfeiern könnte ich mir auch vorstellen. Nächstes Mal nehme ich eine bessere Kamera mit und konzentriere mich auf die Kleidung.
Zu diskutierende Punkte:
- Turnschuhe zum Anzug: so
80er 90er Jahre.
- Überhaupt: die Schuhe machen ganz viel aus. Bin eher für geschlossene Schuhe statt Abendsandalen. Ballerinas passen gar nicht, aber ich habe ein Herz für sie.
- Kleid schulterfrei und und eine Handbreit überm Knie: können die wenigsten tragen. Schon gar nicht in bonbonfarben.
- Strümpfe/Strumpfhose oder bloße Beine: vertagt, da keine Einigkeit unter den Diskussionsteilnehmern.
Aber man will ja keinen Druck ausüben auf die jungen Leute. Etliche haben sich gleich nach der Hauptveranstaltung schon wieder umgezogen.